Elvis - Mein bester Freund. George Klein
»Genau. Nächste Woche brechen wir zu einer großen Tournee quer durchs ganze Land auf. Dann gehen wir nach Hollywood und drehen einen weiteren Film. Dann gehen wir nach Hawaii. Du kommst mit und bist mein Reisebegleiter. Du musst nichts weiter tun, als Zeit für mich zu haben.«
Nur eine Stunde zuvor hatten mich noch Sorgen geplagt, hatte ich mich gefragt, wie es nun weitergehen sollte. Ich war deprimiert gewesen, weil ich keine Möglichkeit mehr hatte, Rock’n’Roll-Platten zu spielen. Nun jedoch bekam ich durch ein paar Worte aus Elvis’ Mund plötzlich die Chance, die Platten hinter mir zu lassen und selbst ein Teil des Rock’n’Roll-Geschäfts zu werden. Ich brauchte nicht lange zu überlegen – auf eine Einladung wie diese gab es nur eine Antwort.
»Mensch, Elvis! Was muss ich unterschreiben?«
»Nichts. Du bist dabei, Mann, du bist dabei.«
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was Dewey davon abhielt, an jenem Abend mit uns auszugehen. Ich erinnere mich nur, dass Elvis und ich gemeinsam den Sender verließen. Wir fuhren in seinem weißen Mark II Continental durch die Stadt und hielten schließlich am Variety Club, um ein paar kalte Softdrinks zu trinken und der Jukebox zu lauschen. Als die Sperrstunde heranrückte, fragte Elvis, ob ich Lust hätte, bei ihm noch ein bisschen weiter zu feiern.
Er und seine Familie lebten mittlerweile am Audubon Drive im Osten von Memphis. Sie waren im Mai 1956 dorthin umgezogen, als Elvis genügend Geld verdient hatte, um ein Haus zu kaufen. Es war ihr erstes wirklich hübsches Haus, geräumig, im Stil einer texanischen Ranch, und lag in einem sehr guten Wohngebiet. Zwar war es beileibe nicht das größte Haus in der Gegend, aber dafür das einzige mit Swimmingpool. Elvis war kein großer Schwimmer, aber er verkündete, dass die Nachbarskinder jederzeit vorbeikommen und seinen Pool benutzen könnten. (Eines der Nachbarskinder, die dieses Angebot annahmen, war Fred Smith, der spätere Gründer und Geschäftsführer von Federal Express.)
Obwohl es schon spät war, als wir bei Elvis zu Hause eintrafen, standen seine Eltern auf, um uns zu begrüßen. Ich hatte Frau Presley bereits während meiner Highschool-Zeit kennengelernt, und es schien sie sehr zu freuen, mich wiederzusehen. Die Ereignisse überschlugen sich im Leben ihres Sohnes, der neuerdings mit lauter lächelnden Fremden Geschäfte machte. Ich glaube daher, sie war erleichtert, ihn in Begleitung eines alten Schulkameraden zu sehen, weil sie wusste, dass sie mir vertrauen konnte. Als ich zu einem festeren Bestandteil von Elvis’ Leben wurde, sagte uns Frau Presley häufig, dass sie sich nicht gar so sehr um Elvis sorge, wenn sie wisse, dass ich bei ihm sei (und obwohl es schon Jahre her war, erzählte sie mir oft, wie sehr sie meine Rede als Jahrgangssprecher bei der Abschlussfeier an der Humes High beeindruckt habe).
Als Herr und Frau Presley an jenem Abend zu Bett gegangen waren, zogen Elvis und ich nach draußen um und setzten uns auf die Veranda beim Pool. Er erzählte viel von seinen Erlebnissen in Hollywood: »Wo man auch hinsieht, gibt es hübsche Mädchen, GK – eine hübscher als die andere. Du wirst es ja selbst sehen. Da ist ordentlich was los.« Außerdem führte er mir eine seiner neuesten Freizeitaktivitäten vor. Er nahm eine Schachtel Blitzwürfel, wie man sie beim Fotografieren verwendet, warf die Würfel in den Pool und schoss dann mit einer Luftpistole darauf. Er war ein ausgezeichneter Schütze. Wenn er einen Würfel traf, leuchtete dieser im Wasser auf, was ein wirklich schöner Anblick war (wenngleich es jede Menge Unrat verursachte, den Herr Presley nachher wieder aus dem Pool entfernen musste). Irgendwann gingen wir wieder hinein und hörten Platten, bis wir schließlich müde wurden und beschlossen, den Abend zu beenden.
»Könntest Du mich noch in den Norden von Memphis fahren, Elvis?«, fragte ich ihn.
»Puhhh, GK, das ist mir jetzt zu weit. Bleibt doch einfach hier bei mir.«
»Gerne, Elvis. Wo soll ich denn schlafen?«
Im Haus gab es drei Schlafzimmer, die er selbst, seine Eltern und seine Großmutter Minnie nutzten. Ich erwartete, dass mir Elvis einen Sessel, ein Sofa oder eine Stelle auf dem Boden zuweisen würde, wo ich mir ein provisorisches Nachtlager bereiten könnte.
»Du schläfst bei mir im Bett, Mann. Du nimmst die eine Seite, ich die andere. Es ist Platz genug.«
Er hatte Recht – eines der ersten Luxusgüter, die er sich im neuen Haus gegönnt hatte, war ein Riesenbett, das einen guten Teil seines Zimmers einnahm. So kam es, dass ich mich in einer Frühlingsnacht des Jahres 1957 anschickte, mit dem größten Rock’n’Roll-Star der Welt ins Bett zu gehen.
Wie ich bald feststellte, war es nicht unbedingt erholsam, neben Elvis Presley zu schlafen. Fast im selben Augenblick, als wir uns auf unseren beiden Seiten des Bettes hinlegten, vernahm ich ein seltsames, leises, regelmäßiges Klopfgeräusch, das von der Wand kam, die Elvis’ Bett am nächsten lag.
»Was ist das, Elvis?«
»Was ist was?«
»Dieses komische Klopfgeräusch.«
»Ach, das sind nur die Mädchen da draußen. Sie kommen von überall her. Sie haben herausgefunden, wo sich mein Schlafzimmer befindet, also sitzen sie jetzt auf der anderen Seite der Wand.«
Ich hörte genauer hin. Außer dem Klopfen konnte ich die Mädchen auch flüstern hören: »Elvis, wir lieben dich.« »Elvis, können wir nicht reinkommen?«
»Was willst du dagegen machen?«, fragte ich.
»Nichts. Passiert jede Nacht. Deshalb muss ich hier auch wieder ausziehen.«
Er war an den Rummel um seine Person derart gewöhnt, dass es ihm offenbar keinerlei Schwierigkeiten bereitete, trotz des Klopfens und Flüsterns einzuschlafen. Mir hingegen fiel es nicht ganz so leicht, doch muss auch ich schließlich eingenickt sein, denn irgendwann erwachte ich plötzlich und bemerkte, dass jemand im Schlafzimmer stand. Mit einem Ruck setzte ich mich im Bett auf und wollte Elvis wecken, doch seine Seite des Bettes war leer. Als sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, stellte ich fest, dass die Gestalt, die da im dunklen Schlafzimmer stand, Elvis war.
»Alles klar, Elvis?«
Er murmelte etwas vor sich hin und schlurfte ein bisschen im Zimmer umher. Er schlafwandelte.
Früher am Abend hatte mich Frau Presley beiseite genommen und mir gesagt, falls ich über Nacht bliebe, müsse ich wissen, dass Elvis oft schlafwandle. Sie hatte mir einige Ratschläge gegeben, wie man freundlich mit ihm sprechen musste, um ihn wieder ins Bett zu bekommen. Genau das tat ich jetzt.
»Elvis, warum gehst du nicht wieder schlafen?«, fragte ich leise.
»Hm?«
»Geh wieder schlafen, Elvis.«
Er murmelte noch etwas und schlurfte vom Bett weg. Jetzt begann ich mir langsam Sorgen zu machen. Ich stand auf, näherte mich ihm jedoch nicht allzu sehr, um ihn nicht zu erschrecken. Er redete weiter, als wäre er in Gedanken versunken und versuchte, eine Antwort auf irgendeine Frage zu finden. Ich bat ihn wieder und wieder, zurück ins Bett zu kommen. Nach ein paar nervösen Minuten meinerseits ging er schließlich anstandslos zum Bett, legte sich hin und schlief weiter. Was mich betraf, so fand ich es zwar spannend, bei Elvis zu übernachten, doch schlief ich in meiner ersten Nacht wirklich nicht besonders gut.
Am nächsten Morgen sagte Elvis kein Wort über seine Schlafwandlerei, und ich auch nicht. Er stand immer noch am Beginn seiner Karriere. Auch unsere Freundschaft war noch jung, doch wusste ich bereits, dass er ein sehr stolzer Mann war und ihm so etwas eher peinlich gewesen wäre, als dass er gerne Witze darüber gemacht hätte. Anfangs musste er von Seiten der Presse und der breiten Öffentlichkeit eine ganze Menge einstecken, und wenn er jemandem Zugang zu seiner Privatsphäre gewährte, dann nur einem Menschen, dem er unbedingt vertraute. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass es ein Fehler war, mir zu vertrauen.
Ein paar Tage später war ich früh am Abend erneut am Audubon Drive. In guter Südstaaten-Tradition saßen Elvis und seine Eltern gewöhnlich nach dem Abendessen noch eine Weile auf der Veranda zusammen und unterhielten sich. Oft kamen Autos voller Mädchen vorbeigefahren, die ihm »Elvis, wir lieben dich« zuriefen, ganz so, wie die Mädchen, die nachts an die Wände klopften.