Tattoos & Tequila. Vince Neil
und ich stand viel mehr auf ein Mädchen namens Laurie, Laurie Ruck. Sie war mit Tami befreundet, und ich weiß auch nicht, wie es dann passierte, jedenfalls war ich schließlich irgendwann mit Tami statt mit Laurie zusammen. Wir gingen eine Weile miteinander, und wir hatten auch öfters Sex. Ich hatte zu meiner Highschool-Zeit einige Beziehungen mit Mädchen. Da meine vertrauensseligen (oder desinteressierten) Eltern den ganzen Tag zur Arbeit waren, brachte ich viele Mädchen in der Mittagspause mit nach Hause. Eine hieß Candi Hooker – Hooker wie Hure, das ist kein Witz. Ihr Vater hatte den Hooker-Fächerkrümmer für Rennwagen erfunden. Was hat der sich bloß gedacht, als der ihr noch dazu diesen nuttigen Vornamen gegeben hat?
Mein Kumpel John Marshall und ich gingen inzwischen öfter zu dieser Rollschuhbahn in der Nähe der Schule und versuchten, dort Mädchen aufzureißen. Aus irgendeinem Grund kamen wir darauf, uns für einen Wettbewerb anzumelden, bei dem man einfach nur so tun musste, als ob man zur Musik sang. Wir nahmen das richtig ernst und machten uns mit Schlaghosen und Polyesterhemden richtig fein. Manche Leute haben später erzählt, wir hätten Perücken getragen, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Wir bewegten die Lippen zu einem Song von Bachman-Turner Overdrive, „Let It Ride“. Das war im Grunde wie Luftgitarrespielen. Und bei dem Auftritt wurde mir klar, dass ich es liebte, auf der Bühne zu stehen. Ich sprang herum, tanzte und warf den Mikrofonständer hin und her. Das Publikum war begeistert, vor allem die Mädchen. Wir gewannen nicht nur unseren Wettbewerb, ich konnte an dem Abend auch noch bei einer Braut landen.
Das nächste Mal fuhren wir zu einer anderen Rollschuhbahn im Valley. Wir trugen verschiedene Outfits und brachten „You Really Got Me“ von den Kinks. Und wir gewannen schon wieder! Und nun tingelten wir von einem Nachahmer-Wettbewerb zum anderen, wie sie überall in der Gegend stattfanden, auf einer Rollschuhbahn in Rancho Cucamonga oder in einem Einkaufszentrum in Diamond Bar. Ich habe immer gesagt, dass ich in erster Linie ein Entertainer bin. In mir steckt wohl schon ein kleiner Poser. Als damals das erste Van-Halen-Album rauskam, zog ich mich wie David Lee Roth an – es war Halloween – und brachte wieder „You Really Got Me“. Dieses Mal wurde ich Zweiter. Es war nur So-tun-als-ob, wir sangen nicht richtig. Aber das Publikum war echt. Die Mädels zeigten noch nicht ihre Brüste, aber die Saat war definitiv ausgebracht. Später traten Van Halen auf ihrer ersten Tour in der Long Beach Arena auf, und ich verkaufte draußen T-Shirts, um ein bisschen Geld zu verdienen. Aber ich konnte sie drinnen spielen hören und fragte mich die ganze Zeit: Was die jetzt wohl da drinnen tun? Ich wüsste zu gern, was da los ist. Da habe ich bereits davon geträumt, in der Halle zu stehen, auf einer so großen Bühne, mit einer echten Band – und zu singen.
Zwei Monate, nachdem Tami und ich das letzte Mal zusammen gewesen waren, kam sie zu mir und sagte mir, sie sei schwanger und wolle das Kind behalten. Einfach so. Es war ein echter Schlag in die Magengrube. Ich meine, natürlich fühlte ich mich verantwortlich. Das wird einem ja eingebrannt, nicht wahr, dass man tun muss, was sich gehört. Ich hatte das Gefühl, es würde von mir erwartet, dass ich dieses Mädchen, das ich kaum kannte, liebte und mit ihr eine Familie gründete. Aber ich liebte sie eigentlich nicht. Ich wollte nicht einmal eine feste Freundin – ich hatte viel zu viel Spaß (und Erfolg) dabei, unbekümmert herumzuvögeln.
Aber als mir klar wurde, dass sie das Kind wirklich zur Welt bringen wollte, versuchte ich, irgendwie mitzuspielen und ihr ein richtiger Partner zu sein, der sich um sie und das Kleine kümmerte. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, und ich war für sie da, als sie von der Schule flog; schwangere Mädchen durften damals nicht den Unterricht besuchen.
Mein Sohn, Neil Jason Wharton, kam am 3. Oktober 1978 zur Welt. Ich selbst wurde am 8. Februar 1961 geboren – den Rest kann man sich ja ausrechnen. Ich ging noch zur Schule, und man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, ich war ein Teenie-Vater.
Damals arbeitete ich nebenbei als Roadie, um mir ein bisschen Geld dazu zu verdienen, und ich lud gerade das Equipment für ein Konzert der Runaways aus, als meine Mutter auf den Parkplatz bretterte und mir mitteilte, dass ich nun ganz offiziell Vater war. Was das bedeutete, wurde mir aber wirklich erst klar, als ich zum ersten Mal dieses kleine Bündel sah, dem ich das Leben geschenkt hatte. Mit den Gefühlen, die ich damals empfand, kam ich überhaupt nicht klar. Es war viel zu intensiv, um es zu begreifen. Ich sah meinen kleinen Sohn an und war sofort in ihn verschossen. Und dann bin ich wahrscheinlich irgendwohin, um mich zuzudröhnen. Weiß ich nicht mehr. Ich konnte das nicht glauben, ich hatte null Ahnung, was ich mit einem Kind anstellen sollte. In der Schule war das ein echter Witz: Ich war der einzige an der Charter Oak High, der Alimente zahlte. Ich konnte allerdings nicht darüber lachen.
Am Anfang habe ich es ja wirklich versucht. Ich wollte der feste Freund, der Ehemann sein. Der Vater. Ich war noch so jung. Tami war echt cool, wir kamen immer toll miteinander aus. Sie hat sich mir gegenüber nie, wirklich niemals schlecht verhalten. Sie war eine total coole Frau, und ich mochte sie wirklich. Ich war nur einfach noch nicht reif genug für die Vaterrolle. Rückblickend wünschte ich, ich hätte mich mehr gekümmert. Aber ich konnte das nicht. Als Neil geboren wurde, fiel es mir echt schwer, diese Verantwortung zu übernehmen. Eine Zeitlang wohnte Tami bei meinen Eltern, und ich zog schließlich aus, woanders hin. Ich meine, ich habe es eine Zeitlang echt versucht. Aber irgendwie konnte ich das nicht.
Ich ging schließlich noch öfter surfen als früher, das war wie eine Flucht. Es war so friedlich. Zum Strand fahren, ein paar Joints rauchen, und dann gab es nur noch dich und deine Kumpels und die Wellen, den Adrenalinrausch. Falls du nicht von der Küste stammst und nie gesurft hast, dann warst du vielleicht schon mal Snowboardfahren. Das ist ähnlich, könnte ich mir vorstellen. Auf einem Brett so richtig schnell den Hang hinunterrasen. Bis zum Strand war es von uns aus ganz schön weit, das musste man schon wirklich wollen. Wir stapelten unsere ganzen Sachen in meinem Truck oder in irgendeinem anderen Auto und fuhren los. Man brauchte gut eine Stunde, je nach Verkehrslage. Manchmal ging ich nicht mal zur Schule. Ich warf das Surfbrett hinten über die Grundstücksmauer, rief noch schnell: „Okay, Mom, ich fahr jetzt zur Schule“, sammelte das Brett auf dem Weg zum Auto schnell ein und brauste los. Dann holte ich meine Freunde ab und wir machten uns auf nach Huntington Beach oder Seal Beach. Ich hab nicht jeden Tag geschwänzt, es war nicht so, dass ich wochenlang nicht hingegangen wäre. Aber wenn ein besonders schöner Tag war, an dem man eben gut surfen konnte, dann dachten wir uns, scheiß drauf. Das war dann wie in dem Film Ferris macht blau.
Ich war kein besonders guter Surfer, aber ich war auch nicht schlecht. An der Schule gab es auch ein Surferteam, wir traten gegen andere Schulen an. Zwar war das eher informell, aber wir waren doch ein Team. Nach den Treffen tranken wir gern mal was. Einmal hatte ich Orangensaft und einen halben Liter Wodka mitgenommen und so viel aus der O-Safttüte rausgekippt, dass ich den Wodka einfüllen konnte. Nachher bin ich dann irgendwann besoffen umgekippt und ein paar Stunden später am Strand wieder aufgewacht. Als ich eingepennt war, hatte ich die Hand auf der Brust liegen, und als ich wieder zu mir kam, war ich total sonnenverbrannt – nur die Hand hatte sich blass auf meiner Haut abgezeichnet. Mir war so was von elend. Bis heute kann ich den Geruch von Wodka-Orange nicht mehr ausstehen. Das hat sich mir richtig eingebrannt, so schlecht war mir. Das war schon, na ja, irgendwie traumatisch.
Eine richtig große Sache war in meiner neunten Klasse diese Geschichte mit dem Typ, der meine Surfbrett-Halterungen geklaut hat. Er hieß Horace und war ein echtes Arschloch. Ein Football-Spieler. Ich kam irgendwann mittags zu meinem Truck, bevor ich zum Unterricht in Handwerk und Technik musste, und sah, dass diese Halterungen fehlten. Vermutlich war ich da auch gerade ziemlich high auf Speed und Angel Dust. Total angepisst, wie ich war, habe ich jedes Auto auf dem Parkplatz unter die Lupe genommen, und schließlich fand ich meine Halterungen in der Karre von diesem Horace. Er war so ein Kleiderschrank, der dauernd jüngere Schüler triezte und jeden blöd anmachte, der ihm vor die Schweinsäuglein kam. Schließlich stöberte ich ihn im Gebäude auf, wo er mit ein paar von den anderen Footballspielern im Flur rumstand, baute mich vor ihm auf und brüllte: „Hast du meine verdammten Surfbretthalterungen abgeschraubt, du blödes Arschloch?“
Und der Typ guckte mich an und log mir ins Gesicht: „Hab ich nicht. Verpiss dich.“
Ich flippte daraufhin richtig aus: „Weißt du was? Verpiss du dich, du Wichser.“ Und bumm! hatte ich ihm eine verpasst und ihn bewusstlos geschlagen. Ich sehe es immer noch vor mir, wie er die Augen verdrehte, wie ein Mehlsack umfiel