Tattoos & Tequila. Vince Neil

Tattoos & Tequila - Vince Neil


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Eisläuferin, und nachdem Vince sie einmal bei einer Vorführung gesehen hatte, erklärte er: „Das will ich auch.“ Also schickte ich ihn zum Unterricht, und er bekam später in einer Show einen Solo-Auftritt. Er war sehr, sehr gut. Vermutlich wird es ihm irrsinnig peinlich sein, das zu lesen – er findet es schrecklich, wenn ich das erzähle. Aber ich habe Bilder von ihm im Eisläufer-Outfit mit allem Drum und Dran, und seine Schlittschuhe liegen bei uns auch noch irgendwo. Abgesehen davon hatte er Tanzstunden und lernte Gitarrespielen. Auf der Bühne war er ziemlich extrovertiert. Aber so allein für sich, nein. Wenn er unter Menschen war, dann war er sehr schüchtern. Er hätte sich nie hingestellt und gesungen, wenn es keine Bühne gab.

      Später fing er an, zu Songs zu mimen, beispielsweise zu Rod Stewarts „Hot Legs“. Er war ein kleiner Poser, er stand gern in der ersten Reihe. Die Mädchen fanden ihn toll. In der Junior High fing es an, da brachte er die ersten nach Hause. Wir haben immer gesagt: „Wenn ihr in deinem Zimmer seid, dann lässt du die Tür offen.“ Es war schwer, ihn die ganze Zeit im Auge zu behalten, weil ich ja arbeitete. Als die Kinder noch klein waren und wir noch in Carson wohnten, arbeitete mein Mann tagsüber und ich nachts. Ich war bei Max Factor angestellt und verpackte Lippenstifte und Make-up und alles Mögliche zum Versand quer durch die USA. Es war ein schöner Job. Nach dem Umzug nach Glendora arbeitete ich bei Ormco; dort wurden kieferorthopädische Gestelle gefertigt. Ich hatte die Aufgabe, die Bestellungen an Ärzte auf der ganzen Welt zu schicken. Man mag es glauben oder nicht, wir haben sogar Zahnspangen für Hunde hergestellt.

      Ich erinnere mich nicht daran, dass Vince in der Schule schlecht gewesen wäre. Er hatte nie Probleme, und seine Zensuren waren Durchschnitt. Es lief alles gut, aber er kam auch mit vielen Sachen durch – wissen Sie, mir war gar nicht klar, dass er damals Marihuana rauchte. Valerie hat mir das später erzählt, aber sie war auch kein Engel. Wenn die beiden abends zu spät nach Hause kamen, kletterten sie durchs Fenster ins Haus. Wenn Vince der erste war, machte er es hinter sich zu, damit Valerie nicht mehr reinkam. Sie waren einfach typische Kinder. Manchmal, wenn wir schliefen, haben sie sich das Auto genommen … Valerie jedenfalls. Vince hat sie dann verpetzt.

      Irgendwann brachte er Tami mit nach Hause. Sie war damals 17, ein Jahr älter als er. Sie ist bis heute mein Liebling. Wer von den beiden mir zuerst von der Schwangerschaft erzählt hat, weiß ich nicht mehr. Tami war verrückt nach Vince. Aber der hatte inzwischen eine andere Freundin, Shani. Das war eine sehr schwierige Situation. Uns tat Tami so Leid, weil wir sie einfach so gern hatten. Ich sagte ihr damals: „Tami, lauf ihm nicht nach. Das muss nicht sein. Tu dir das nicht an.“ Dann kam Neil zur Welt, und Vince war einfach noch so jung. Tami zog eine Weile bei uns ein, und Vince zog aus. Aber er hatte Neil auf dem Arm, er brachte ihm Geschenke mit und hat ihm zum Beispiel ein Dreirad gekauft. Aber er kümmerte sich nicht so um ihn, wie er es hätte tun sollen. Odie und ich sorgten dafür, dass Neil auf viele Konzerte gehen konnte und seinen Dad so oft wie möglich sah.

      Die berühmte Geschichte über die große Rockandi-Party wird ja inzwischen überall erzählt. Das Fest war von Anfang an kein Geheimnis, wir waren nicht etwa verreist zu der Zeit; wir wussten davon. Wir ahnten nur nicht, dass Vince an jedem Telefonmast in der Nähe einen Werbezettel für die Fete aufgehängt hatte. Wir hatten damals einen Swimmingpool im Garten und eine nicht einsehbare Terrasse. Dort wollte die Band spielen, damit die Gäste drinnen und draußen tanzen konnten. Das Ganze war als ganz normale Party geplant, dachten wir jedenfalls. Vince hatte gesagt, es würden höchstens 50 oder 60 Leute kommen.

      Noch bevor die ersten Gäste eingetroffen waren, gingen Odie und ich zu den Nachbarn rüber und sagten: „Wisst ihr was, wir könnten doch im Billardcafé um die Ecke eine Runde Pool spielen, während die Kinder ein bisschen feiern.“ Als wir später zurückkehrten, parkten Hunderte von Autos auf dem Rasen, auf dem Gehweg und auf den umliegenden Straßen. Tami saß an der Gartentür vor einer aufgeklappten Zigarrenkiste und kassierte. Wir wussten nicht, dass sie Eintritt nahmen, und ich weiß auch nicht mehr, wie viel es war. Schließlich kam die Polizei mit Megaphonen und forderte alle auf, das Gelände zu verlassen. Das war vielleicht eine verrückte Geschichte. Wir haben noch Monate später Schnapsflaschen im Garten und in den Büschen gefunden.

      Eine Sache aus The Dirt möchte ich korrigieren. Odie hat auf dieser Party nicht mit den ganzen Mädchen getanzt. Er war ein erwachsener Mann, er tanzte nicht mit kleinen Mädchen.

      Nach dieser Fete waren wir bei jedem Konzert dabei, das in unserer Nähe war. Wir gingen ins Whisky, ins Roxy, in jeden Club in Hollywood, in dem Vince auftrat. Wir haben uns sehr für ihn gefreut. Es war sehr aufregend. Ich weiß noch, wie ich damals dachte: Eigentlich kann er nicht singen, aber er singt. Ich war ziemlich überrascht, weil er vorher eigentlich gar keine Ambitionen in dieser Richtung gezeigt hatte. Deswegen fragte ich die Leute auch immer: „Findet ihr, dass er sich gut anhört?“ Weil ich einfach wissen wollte, ob es anderen Leuten gefiel – ich bin schließlich seine Mutter, dass ich ihn toll fand, war ja nur natürlich. Er hat eine helle, raue Stimme, und auf der Bühne entwickelte er sehr viel Charisma.

      Über die Jahre lernten wir Tommys Eltern recht gut kennen, die auch zu allen Konzerten kamen. Als ich Vincent das letzte Mal sah, habe ich noch gefragt: „Wie geht’s denn Tommy so?“ Und Vince drehte sich ganz wütend um und sagte: „Mom, wieso fragst du dauernd nach Tommy? Ich habe keine Ahnung, was zur Hölle der so treibt, okay?“

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      Nachdem die freien Parzellen zunehmend mit Lagerhallen zugebaut wurden, kam das Viertel immer mehr herunter. Selbst unsere Spiele wurden allmählich brutaler. Meine Freunde und ich trafen uns auf einem unbebauten Grundstück und spielten mit Luftgewehren Krieg. Als das Gaswerk gebaut wurde, hob man riesige Krater für die Tanks aus, und wir spielten dort. Wir schossen tatsächlich auf einander. Ohne Schutzbrillen oder so etwas. Ich kam blutend und voller Quaddeln nach Hause. Meine Mutter schimpfte fürchterlich, während sie mir das Blut von den Schrammen am Kopf oder am Bein abtupfte. „Du kannst von Glück sagen, dass du kein Auge verloren hast!“ Aber ganz ehrlich, das mit den Luftgewehren war gar nichts. Viele Kids, die ich kannte, machten schon richtig ernst und traten irgendwelchen Gangs bei. Kein Scheiß, in der sechsten Klasse hatten sie schon Messer in der Brotbox. Und viele besaßen richtige Schusswaffen. Es ist doch auch allgemein bekannt, dass Kinder in dem Alter, mit 13, 14, 15, die besten Soldaten abgeben. Das sieht man doch an den Kindersoldaten in Afrika und Kambodscha. Ich habe Berichte darüber im Fernsehen gesehen. Sie bekommen eine totale Gehirnwäsche und werden absolut skrupellos. Bei den Straßengangs ist das nicht anders. Glaub mir, ich habe das hautnah erlebt. Ein Typ, den du für deinen Freund gehalten hast, kann sich von heute auf morgen grundlegend ändern.

      Die Leute, mit denen ich abhing, waren größtenteils ganz normale, vielleicht ein bisschen ruppige Kids, die den typischen Unfug machten. Wir warfen Steine nach den Autos, die durch unsere Straße fuhren. Manchmal hielten die Fahrer dann an, stiegen aus und verfolgten uns. Ich wurde sogar einmal erwischt. Mein Vater war stinksauer. Das war zu der Zeit, als Evel Knievel angesagt war, deshalb bauten wir Rampen auf den Fußwegen, bretterten mit unseren Fahrrädern drüber und guckten, wie weit wir fliegen konnten. Oder wir bauten uns Go-Karts, hängten sie an die Fahrräder und rasten Straßen mit Gefälle hinunter. Mein Schulweg führte einen Berg hinauf – zur Schule zu gehen, war immer anstrengend, Nachhausekommen hingegen sehr locker. Wir koppelten die Go-Karts an die Fahrräder und hängten uns dann wieder ab. Wir flogen mit den Seifenkisten geradezu um die Kurven und den Hügel hinunter. Manchmal nahmen wir auch ganz altmodische Skateboards, also nicht diese modernen Trend-Teile. Unsere hatten noch Metallräder. Wir waren absolut leichtsinnig. Jeden Augenblick hätte ein Auto um die Ecke kommen, uns erfassen und töten können.

      Als ich in der sechsten Klasse war, geriet ich mit vier anderen Kindern – drei schwarzen und einem aus Samoa – zum ersten Mal auf Abwege. Wir kletterten unter einem Stacheldrahtzaun hindurch und schlichen uns an zwei Wachmännern vorbei in eine große Lagerhalle mit Souvenirs. Dort lagen kistenweise diese großen Schneckenmuscheln, Schwämme und Korallen, dieses ganze teure Zeug, das am Strand an die Touristen verkauft wird. Wir packten so viel ein, wie in unsere Rucksäcke passte, und verhökerten den Kram auf der Straße und auf dem Flohmarkt in Compton. Von dem Geld, das ich dafür bekam, kaufte ich mir unter anderem meine erste Musikcassette, Cloud Nine von den Temptations.


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