Motorik und Wahrnehmung im Kindesalter. Henning Rosenkötter

Motorik und Wahrnehmung im Kindesalter - Henning Rosenkötter


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und Rückenmark, z. B. sensible Nervenfasern, die Reize von einem Sinnesorgan an das ZNS vermitteln

      2. efferent: vom ZNS zum peripheren Nervensystem

      Alles-oder-nichts-Gesetz: Als Antwort auf einen Reiz kommt entweder ein vollständiges oder gar kein Aktionspotenzial. Ausschlaggebend ist, ob der Reiz über dem Schwellenwert liegt. Nach einer Reizung bleibt der Nerv für eine bestimmte Zeit unerregbar (refraktär). Die Stärke des Reizes wirkt sich auf die Anzahl der Aktionspotenziale pro Zeiteinheit aus. Neuronengruppen können die Stärke einer Reizantwort über die Zahl der erregenden oder hemmenden Synapsen modulieren.

      Der periphere Nerv: In einem peripheren Nerv laufen mehrere Nervenfasern, die von Markscheiden umhüllt sind. Er enthält afferente und efferente Nervenfasern, teilt sich mehrfach auf oder vereinigt sich mit anderen Nerven. Die über die Schnürringe springende Erregung pflanzt sich schneller fort als bei marklosen Axonen, an denen die Erregung kontinuierlich entlangläuft.

      Weiterführende Literatur

      Carter, R. (2019). Das Gehirn. München: Dorling Kindersley.

      Faller, A. & Schünke, G. (2016). Der Körper des Menschen. Stuttgart: Thieme.

      Huch, R. & Jürgens, K. (2019). Mensch, Körper, Krankheit. München: Urban & Fischer.

      2 Motorik

      Definition

      Motorik bedeutet sowohl Bewegung als auch Haltung. Haltung und Bewegung werden vom zentralen und vom peripheren Nervensystem gesteuert und kontrolliert, teils bewusst und teils unbewusst.

      Zu Beginn sollen einige Begriffe erläutert werden. Die vom Zentralnervensystem (ZNS) kontrollierte, bewusste Bewegung ist die Willkürmotorik. Als Körpermotorik bezeichnet man die Koordination der Haltung und Bewegung von Rumpf und Extremitäten. Unter Handmotorik versteht man die Handgeschicklichkeit und die Koordination der Fingerbewegungen. Statomotorik meint die Regulierung von Gleichgewicht, Aufrichtung und Gang.

      Motorik ist eingebettet in ein System, das sich gegenseitig beeinflusst und kontrolliert. Dazu gehören das motorische, das sensible und das vegetative System. Diese drei Systeme haben unterschiedliche Aufgaben.

      • Motorisches System

      Steuerung der Willkürbewegungen und der reflektorischen, unbewussten Anpassung der Muskelaktivitäten an die äußeren Bedingungen.

      • Sensorisches System

      Erfassung und Verarbeitung (taktil-kinästhetische Wahrnehmung) von Signalen der Sinnesorgane in der Muskulatur, den Sehnen und den Gelenken an die Gehirnzentren, evtl. mit Bewusstwerdung.

      • Vegetatives (autonomes) System

      Koordination und Anpassung der Tätigkeit der inneren Organe (Atmung, Herz und Kreislauf, Verdauung, Blase). Es arbeitet »autonom«, also ohne bewusste Kontrolle.

      Die Sensorik ist das System des Fühlens und der Körperwahrnehmung. Betrachten wir beide Systeme, Motorik und Sensorik, als eine Einheit, in der das eine System ständig Informationen des anderen Systems verarbeitet und rückmeldet, so sprechen wir von Sensomotorik (auch image Kap. 11). Die Steuerung der Motorik ist jedoch nicht allein Aufgabe des taktil-kinästhetischen Systems, sondern es sind auch Teilbereiche der visuellen Verarbeitung, der Hörverarbeitung und des Gleichgewichtssystems beteiligt. Denken wir hingegen vor allem an ein Zusammenwirken von Motorik mit der psychischen und kognitiven Entwicklung, so sprechen wir von Psychomotorik.

      Der unbewusste Antrieb zu einem Bewegungsablauf geht von subkortikalen, also unter der Hirnrinde gelegenen Motivationsarealen im Stirnhirn und im limbischen System aus. Das limbische System hat eine besondere Bedeutung bei der Verarbeitung von Emotionen und bei Gedächtnisleistungen. Emotionen sind ja oft ein wichtiger Antrieb für Bewegungsleistungen (ausführlich dazu image Kap. 15). Automatisierte Bewegungen wie Hüpfen und Fahrradfahren werden anfangs bewusst erlernt, später unbewusst gesteuert.

Images

      Bewusste Bewegungsmuster wie z. B. das Ausweichen vor einem Hindernis werden im supplementär-motorischen Kortex und im prämotorischen Kortex geplant (image Abb. 2.1). Das detaillierte Bewegungsprogramm entsteht in einem Zusammenwirken von supplementär-motorischem Kortex, Basalganglien (das sind große Kerngebiete unterhalb der Hirnrinde) und Kleinhirn.

      2.1 Das pyramidale System

      Die Aktivierung der Bewegung ist Aufgabe der Pyramidenzellen des motorischen Kortex, einer Hirnwindung, die vor der großen Zentralfurche liegt (Gyrus präzentralis). Die Pyramidenzellen sind große Neurone mit einem fast dreieckigen Zellkörper. Die Steuersignale der Pyramidenzellen werden nun über die Pyramidenbahn in das Rückenmark weitergeleitet (image Abb. 2.2). Die Pyramidenbahn wird von den absteigenden Axonen der Pyramidenzellen gebildet. Ihren Namen hat sie wohl aber nicht durch diese charakteristisch geformten Zellen, die es auch in anderen Bereichen des Großhirns gibt, sondern von der länglichen Vorwölbung, die die Bahn im verlängerten Rückenmark verursacht (pyramis = Kegel). Die meisten Axone kreuzen im verlängerten Mark (Medulla oblongata) auf die Gegenseite. Die anderen steigen ungekreuzt ab. Die Fasern, die aus der motorischen Rinde der linken Hemisphäre stammen, kommen im rechten Anteil des Rückenmarks an und umgekehrt. Im Rückenmark erreichen sie diejenigen Segmente, für deren Steuerung sie zuständig sind, z. B. liegen die Segmente für die motorische Steuerung der Arme im Rückenmark der Halswirbelsäule und die Segmente für die Steuerung der Beine im Rückenmark der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins. Die Axone der Pyramidenbahn enden an den Neuronen des peripheren Nervs. Dort werden sie auf die peripheren Nerven umgeschaltet. Diese Neuronen, die die Verbindung zu den Muskelfasern herstellen, heißen Motoneurone und sind über den peripheren Nerv, der das Rückenmark und die schützende Wirbelsäule verlässt, mit den entsprechenden Muskelfasern verbunden. Der periphere Nerv zieht in den Gliedmaßen oder am Rumpf entlang zu den beteiligten Muskeln.

Images

      2.2 Das extrapyramidale System und das Kleinhirn

      Neben dem sehr direkt, aber auch etwas grob steuernden pyramidalen System ist das extrapyramidal-motorische System parallel geschaltet. Es regelt die Haltungs- und Bewegungseinstellungen sowie die Muskelspannung (Tonus) und unterstützt die Verschaltung zum Kleinhirn. Es bezieht seine Signale vornehmlich aus dem prämotorischen und supplementären Kortex und gibt sie über Synapsen an die Basalganglien weiter. Die Basalganglien (auch Stammganglien genannt) sind große Kerngebiete unterhalb der Hirnrinde (subkortikal), die über eine Rückmeldeschleife über den Thalamus zur Großhirnrinde eine motorische Regulation leisten. Darüber hinaus sind sie in die Handlungsplanung, das vorausschauende Handeln, die motorische Spontaneität und Selektion sowie die Bildung von Handlungsabfolgen einbezogen.

      In einer zweiten Schleife zur Feinregulation und Verknüpfung werden Signale der Pyramidenzellen in einem Nebenschluss zum Kleinhirn geleitet. Das Kleinhirn ist u. a. für die Steuerung der Bewegungen zuständig, also für Koordination,


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