Iron Man. Tony Iommi

Iron Man - Tony Iommi


Скачать книгу

      Meine Eigenanfertigungen von damals nutzten sich schnell ab, doch die heutigen Fingerhütchen sind beständiger geworden, bis auf das Leder, das sich durchscheuert. Jedes Prothesen-Set hält mindestens einen Monat, auf Tour vielleicht nur zwei Wochen. Wenn die Abnutzung beginnt, muss die ganze Prozedur wiederholt werden. Ich gebe immer noch die Vorlage in die Klinik, mit der ich vor über 40 Jahren begann. Sie ist zwar schon ganz schön abgenutzt, sollte aber noch einige Jährchen halten. Obwohl der Fingerersatz recht primitiv ist, funktioniert er einwandfrei. Entweder man gibt auf, oder beginnt den Kampf und arbeitet damit. Es ist eine harte Arbeit, denn nicht nur die Herstellung wird jedes Mal kompliziert, auch das Spiel mit Prothesen ist nicht einfach, denn das Gefühl fehlt. Ich muss ständig üben, um die Feinmotorik zu beherrschen.

      Ein Charakteristikum meines Sounds liegt beim bevorzugten Spiel mit den beiden gesunden Fingern. Ich baue Akkorde mit dem kleinen und dem Zeigefinger auf und moduliere sie durch ein Vibrato. Die verkrüppelten Finger setze ich vornehmlich bei den Soli ein. Beim Saitenziehen, das viel Kraft erfordert, habe ich gelernt, den ersten und vierten Finger zu benutzen. Mit dem Mittel- und Ringfinger kann ich eine Saite nämlich nur leicht nach oben drücken. Vor dem Unfall benutzte ich nie den kleinen Finger, und somit musste ich mich extrem umstellen. Trotzdem ist meine Spieltechnik beschränkt, denn mit den Fingerhütchen werde ich bestimmte Akkorde niemals greifen können. Früher waren Barré-Akkorde kein Problem. Jetzt kann ich einige nicht mehr spielen, und muss mir Alternativen einfallen lassen, um einen voluminöseren Klang zu kreieren. Zum Beispiel schlage ich einen E-Akkord an und spiele die Note E mit einem leichten Vibrato, damit es voller klingt. Das ist quasi ein Ersatz für einen vollständigen Griff. Ich entwickelte einen individuellen Stil, passend zu meinen physischen Beschränkungen. Er ist recht unorthodox, funktioniert aber.

      7: Eine Karriere, die an einer dünnen Saite hängt

      Nach dem Unfall war ich gezwungen, das Gitarrespiel zu überdenken – von den Fingerhütchen bis hin zum geeigneten Gitarrenmodell. Ich kann nicht mit jeder Klampfe spielen, denn die Saiten und besonders die Saitenstärke müssen sich eignen. Die Probleme begannen gleich am ersten Tag der neuen Zeitrechnung. Damals gestaltete sich alles noch sehr schwierig, denn es gab keine Firmen, die extra-dünne Saiten herstellten. Zudem fand ich nirgendwo Gitarrenbauer, zumindest im Bereich der E-Gitarren, die in der Lage gewesen wären, Sonderwünsche umzusetzen. So blieb ich vollkommen mir selbst überlassen.

      Ich spielte immer noch eine Fender Stratocaster, die ich unzählige Male auseinander baute, um sie für meine Bedürfnisse zu modifizieren. Ich feilte die Bundstäbchen ab, damit die Saitenlage bequem genug für mich war. Im Gegensatz zu gesunden Gitarristen, kann ich den Saitendruck der Finger nicht kontrollieren, da ich beim Mittel- und Ringfinger kein Gefühl habe. Ich tendiere zu einem härteren Griff, damit mir die Saiten nicht wegrutschen. Außerdem brauche ich sehr dünne Saiten, da ich stärkere nicht problemlos ziehen kann.

      Damals waren 11er oder 12er die dünnsten Saiten. Heute zählen sie zu den stärksten! Das entsprach aber dem Stil der Ära, den der Gitarrenlehrer Bert Weedon mit seinem Buch Play In A Day bestimmte. Jeder spielte mit den „Stacheldrähten“. Folglich produzierte die Industrie nur solche Saiten-Sets. Ich war der erste mit der Idee, dünnere Sets zu benutzen, da ich einen Weg finden musste, um es mir so leicht wie möglich zu machen. Die dickeren Saiten rissen das Leder schnell ab, ich hatte nicht die Kraft sie zu ziehen, und darüber hinaus bereiteten sie mir Schmerzen. Die Verkäufer in den Musikgeschäften meinten immer: „Es gibt keine dünneren Saiten. Finde dich damit ab.“

      Woraufhin ich fragte: „Tja, gibt es überhaupt keine dünneren Saiten?“

      „Nein, mal abgesehen von den Banjo-Sets.“

      „Na, dann gib mir doch mal einen Satz.“

      Ich zog die beiden dünnsten Saiten des Banjo-Sets als hohes H und hohes E auf, was bedeutete, dass ich den Gitarren-Satz theoretisch von der G- bis zur tiefen E-Saite benutzen konnte. Allerdings ersparte ich mir diese unglaublich fette, tiefe E-Saite, die ich durch eine A-Saite ersetzte. Das war für mich praktikabel. Aus reiner Notwendigkeit heraus hatte ich also die dünneren Saiten-Sets erfunden, indem ich Banjo- und Gitarren-Strings miteinander kombinierte.

      Ich musste ständig experimentieren, denn wenn eine A- auf eine E-Saite heruntergestimmt wird, beginnt sie leicht zu scheppern. Das Stimmen und das Spiel entwickelte sich für mich zu einer Art Kunst.

      Später, nachdem wir unser Debütalbum veröffentlicht hatten und die Band gut lief, besuchte ich Saiten-Hersteller, um sie davon zu überzeugen, dünnere Sets zu produzieren. Ihre Denkweise lässt sich nur mit „extrem konservativ“ beschreiben: „Oh, das lässt sich nicht machen. Das wird nie funktionieren. Sie werden harmonisch nicht übereinstimmen!“

      Ich antwortete: „Quatsch! Das funktioniert. Ich weiß das wohl am besten, weil ich sie täglich benutze.“

      Worauf ich zur Antwort erhielt: „Die wird doch niemand kaufen! Warum sollte die jemand spielen wollen?“

      Sie waren so von sich überzeugt, dass ich zu zweifeln begann. Vielleicht war ich wegen meiner Behinderung wirklich der einzige, der sie wollte? Schließlich ließen sich die Leute von Picato Strings in Wales breitschlagen. „Okay, wir werden es mal versuchen.“

      Ungefähr 1970 produzierten sie also für mich den ersten Satz dünner Gitarren-Saiten und vermarkteten ihn mit einem großen Werbeetat. Ich konnte damit traumhaft spielen und benutzte die Marke viele Jahre. Natürlich sprangen später alle anderen Firmen auf den Zug auf. In den darauf folgenden Jahren wurden die dünnen Sets immer beliebter. Gitarristen auf der ganzen Welt zogen sie auf ihre Klampfen. Es gibt allerdings immer noch Leute, die nicht glauben, dass damit ein voller Sound möglich ist.

      Ich arbeitete sogar schon mit Produzenten, die mir verklickern wollten, dass ich unbedingt starke Saiten für einen voluminösen Klang bräuchte.

      Ich gebe darauf immer die gleiche Antwort: „Ich habe nie dicke Saiten gespielt, aber immer einen fetten Sound gefahren!“

      8: Bill Ward und The Rest

      Nach dem Unfall dauerte es sechs Monate, bis die Schmerzen verschwanden und ich weitermachen konnte. Die Behinderung war mir sehr unangenehm, und ich versteckte meine Hand. Das gilt heute noch für das Gitarrenspiel. Ich hasse es, wenn man mich dabei beobachtet.

      „Was hast du denn da auf deinen Fingern?“

      Angeblich gibt es sogar Leute, die meinen, das sähe cool aus. In New York unterrichtete ein Lehrer die Musik von Black Sabbath und ließ sich dafür Fingerhütchen herstellen. Er litt unter keinen gesundheitlichen Einschränkungen, war aber fest davon überzeugt, dass man nur so den individuellen Sound nachahmen könne.

      Als ich Bill Ward begegnete, fing ich wieder an, in einer Band zu spielen. Er trommelte bei The Rest, die sich alle in unserem Geschäft sehen ließen. Sie versuchten mich zum Einstieg zu überreden, während ich die ganze Zeit Kunden bediente. Ich antwortete so nebenbei: „Ja, lass es uns mal versuchen.“

      Die Gruppe klang schon sehr professionell, da sie zwei Vox AC 30 Amps besaß. Ich spielte auch einen Vox, und wenn man sich das mal ansah: drei AC 30 und drei Fender – verdammt noch mal, das konnte doch nur eine großartige Band werden.

      Das muss ungefähr 1967 gewesen sein. Bill Ward saß am Schlagzeug, Vic Radford spielte Gitarre und Michael Pountney zupfte den Bass. Der Sänger Chris Smith stieg erst später ein, da Bill zuerst bei The Rest sang und einen prima Job machte.

      Doch wir hatten nie genug Geld. Bill suchte meist in den Mülltonnen kaputte Drum-Sticks, die Schlagzeuger anderer Bands weggeworfen hatten. Er konnte sich keine neuen leisten und musste deshalb mit den „gekürzten“ Stöcken üben. Ich fand die Tatsache bemerkenswert, dass auch Vic Radford einen Finger verloren hatte. Er hatte sich seinen Mittelfinger in einer Tür eingequetscht und ihn abgerissen. Ich war also nicht der Einzige, dem so ein Missgeschick widerfahren war. Verflucht – zwei Musiker, denen so was passiert war, und die spielten auch noch in der selben Band! Er versuchte sogar, mit einer meiner Prothesen zu spielen, was aber nicht klappte. Man muss sich lange


Скачать книгу