The Who - Maximum Rock I. Christoph Geisselhart

The Who - Maximum Rock I - Christoph Geisselhart


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klein; umso mehr, wenn man bedenkt, dass allein Entwistles anscheinend besonders fruchtbarer Londoner Stadtbezirk so namhafte­ Künstler wie Phil Collins (Genesis), Ian Gillan (Deep Purple), Jimmy Page (Led Zeppelin) oder Ian McLagan (Small Faces) hervorbrachte.

      Musik spielte im Zuhause der Townshends zunächst eine überraschend hinter­gründige Rolle. Es gab kein Klavier und auch keine besondere Musikanlage, vielleicht weil Vater Cliff nicht ständig an den anstrengenden Alltag eines Berufs­musikers erinnert werden wollte, wenn er daheim war. Er übte zwar gelegentlich Klarinette oder Saxofon im Wohnzimmer, ermunterte den Sohn aber wenig, ein eigenes Instrument zu erlernen. Auch Betty gestand später, dass sie Petes musikalisches Talent lange nicht gefördert hatte. Er blies bis zum elften Lebensjahr auf der Mundharmonika – und lernte im Weiteren vor allem durch Beobachtung.

      Musik bedeutete für den jungen Pete letztlich, dass er mit seinen Eltern zusammen sein konnte. Cliff war gut im Geschäft und nahm seine Familie gern mit, wenn er Engagements außerhalb Londons hatte. Vor allem in den Sommermonaten,­ während der bis zu vier Monate langen Spielzeiten in Ferienorten wie Brighton, Clacton oder auf der Isle of Man, konnte Pete jeden Tag und bis spät in die Nacht genau studieren, was das Leben eines Berufsmusikers ausmachte: „Wann immer es möglich war, nahmen wir Peter mit. Da stand er dann vorn am Podest, verfolgte­ die Proben, beobachtete die Band, hüpfte herum und trommelte auf dem Schlagzeug“, erinnerte sich Betty. „Alle unsere Freunde waren Musiker. Er hatte einen musikalischen Hintergrund von Beginn an. Nicht nur von seiner Familie. Es war die gesamte Umgebung.“

      Erinnerungen an die Isle of Man findet man in Petes Who-Song „Happy Jack“, dessen Handlung dort spielt. In der Pressekonferenz zur Who-Tour 2007 erzählte­ Pete außerdem, dass er dort zeitweise zur Schule gegangen sei.

      Unter der Woche spielten The Squadronaires vor allem in Tanzsälen, wo Pete früh lernte, was man machen musste, wenn eine Schlägerei ausbrach. Während seine Mutter mit der Band des Vaters auf der Bühne stand, ließ sie ihn meist an der Bar in trinkfreudiger Gesellschaft zurück, was er im Nachhinein treffend rekapitulierte: „Ich war eine Art Rock’n’Roll-Baby.“

      Als Pete in die Schule kam, beschränkten sich die Reisen mit seinem Vater auf die Ferienzeit. Im Sommer 1956, während eines längeren Gastspiels der Squad­ronaires auf der Isle of Man, nahm Betty ihren damals elfjährigen Sohn nebst Freund ins Kino mit. Aufgeführt wurde Rock Around The Clock mit Bill Haley: „Sie wollten den Film am nächsten Tag noch einmal anschauen, und am nächsten Tag wieder, und schließlich gaben wir ihnen das Geld für ein Dauerticket – sie haben den Film praktisch jeden Tag angeschaut.“

      Petes Vater brauchte keinen Film, um das angehende Phänomen Rock’n’Roll in Augenschein zu nehmen. Der Gezeitenwechsel in der Unterhaltungsmusik betraf ihn persönlich. Die Engagements von traditionellen Jazz- und Dixieland-Kapellen wie The Squadronaires gingen im gleichen Maß zurück, wie der junge Rock’n’Roll die Tanzsäle eroberte. Cliff hieß die neue Bewegung gut, weil er laut Pete „alles mochte, was swingt“, obwohl seine Karriere direkt davon betroffen wurde. Vielleicht ahnte er, dass sein Sohn das musikalische Erbe der Familie weiterführen würde, und tröstete sich damit. Jedenfalls bekam Pete, der 1957 noch den Schock verdauen musste, dass zwölf Jahre nach ihm sein erster Bruder Paul geboren wurde, ab dieser Zeit alle Unterstützung der Eltern für eine eigene Laufbahn als Musiker. „Mein Vater war zu seiner Zeit im Grund ebenfalls ein Popstar. Er war ein hervorragender Musiker und ein faszinierender Mann. Ich bewunderte ihn und wollte­ so werden wie er“, sagte Pete. „Er unterstütze mich in allem, was ich tat.“­

      Cliff nahm seinen Ältesten oft mit zu Auftritten von Count Basie und anderen US-Stars und führte ihn später auch in die theoretischen Grundlagen der Musik ein – mit wenig Erfolg allerdings zunächst. Pete lernte nach eigenen Angaben erst Jahre später die Notenschrift, weil er seinem fixen Vater nicht folgen konnte.

      Im Winter 1956 kamen Bill Haley & The Comets nach London. Cliff ging mit Pete und dessen Freund hin. Es war Petes erstes Rock’n’Roll-Konzert, mit elfeinhalb Jahren. Ursprünglich hatte er seinem Vater nacheifern und Saxofon lernen wollen, aber nach diesem Erlebnis war klar, dass er unbedingt eine Gitarre haben musste: „Auch mein Vater hatte Gitarre gespielt, als er jung war, und mein Onkel Jack hatte vor dem Krieg für Kalamazoo“ – ein Ableger des Gitarrenherstellers Gibson – „Tonabnehmer entwickelt. Die Gitarre war also eine Art Familien­angelegenheit, obwohl sie damals noch ein anrüchiges Image hatte.“

      Zu Weihnachten bekam er die erste Gitarre geschenkt – von seiner Großmutter. Vater Cliff hatte sie ihm eigentlich zu Weihnachten kaufen wollen, aber was geschah? „Sie kaufte die Gitarre! Und zwar eins dieser unechten Dinger, die in spanischen Restaurants an der Wand hängen.“

      Pete war nur kurz begeistert. Er stellte sich vor dem Spiegel in Positur – bis er herausfand, dass man mit Großmutters Geschenk nichts zuwege brachte, was auch nur entfernt wie Bill Haley klang oder aussah.

      Das war eine weitere Enttäuschung im auch sonst frustrierenden Schuljahr 1957/1958. Erst war seine Nase um Längen stärker gewachsen als alle übrigen Körper­teile. Petes Eltern hatten beide ausgeprägte Nasen, doch im Gesicht des Sohns schienen sich ihre prominenten Zinken zu einem gewaltigen Rüssel zu vereinigen. Der sensible Junge war schon als Kind deswegen dauernd gehänselt worden,­ und jetzt musste er sich mit diesem Kainsmal an der Acton Grammar School gegen so raue Gesellen wie Roger Daltrey behaupten. Hausmeister „Mac“ erinnert sich: „Townshend war ein braver, ruhiger Junge. Er hing immer mit diesem Entwistle zusammen. Aber dieser Daltrey …“

      Dieser Entwistle, der ebenso wenig wie Pete aus einer normalen intakten Familie­ stammte und im Haus der Großmutter mütterlicherseits aufwuchs, hatte es als Kind gleichwohl ruhiger getroffen. Er spielte gern mit Ritterfiguren, baute Schlösser und Burgen in Bombentrichtern oder bastelte sich eine Rüstung aus ­Karton,­ um seiner Faszination für die Helden des Mittelalters nachgehen zu ­können. Seine Kinderzeichnungen waren sehr fantasievoll, sie zeigten freilich beunruhigend düstere­ Gestalten, Waffen, Skelette oder Verliese statt Feuerwehrautos, Tiere oder Blumenwiesen.

      Davon abgesehen entwickelte John mit Hilfe der Eltern sein unüberseh­bares Talent für Musik weiter. Mutter Queenie spielte Klavier, und der Vater, ein ordentlicher Trompeter, brachte John bald bei, dieses Instrument zu spielen, wenn er ihn besuchte.

      Mit sieben Jahren erhielt John eine klassische Ausbildung am Klavier; mit elf spielte er im Schulorchester Trompete, und ein Jahr später trat er einem renommierten Jugendorchester bei, das Musikern als Sprungbrett für eine ­akademische Laufbahn diente: „Da es dort einen Überschuss an Trompetern gab, wechselte ich zum Waldhorn. Das durchdringende Geräusch verschaffte mir ein gutes Gefühl in der Brust.“

      John Entwistle war im gleichen Jahr wie Pete an die Acton Grammar gekommen und berichtete darüber: „Pete war damals viel kleiner. Ich glaube, er ist gut zwanzig Zentimeter gewachsen, seitdem er die Schule verlassen hat. Er hatte einen guten Sinn für Humor. Also machte er bei unserer Witztruppe mit, Jungs, die den ganzen Tag zusammenhockten und Späße trieben. Im Grund wurde aus dieser Gruppe später unsere erste Band.“ Diese erste Band nannte sich The Confede­rates und war grottenschlecht, wie John abschätzig befand.

      Pete und er hatten den gleichen Musikgeschmack; sie mochten den sogenannten „Trad Jazz“, jene britische Ausprägung des Swing, die Cliffs Squadronaires populär gemacht hatte. Pete hatte seine deprimierenden Versuche auf der pseudospanischen Gitarre inzwischen eingestellt und war zum Banjo gewechselt, nachdem ihm ein Freund seines Vaters 1957 ein fünfsaitiges Mandolinenbanjo geschenkt hatte. Doch auch hier musste Pete erkennen, dass aller Anfang schwer ist: „Als John und Phil“ – der Klarinettist der Confederates – „fragten, ob ich mitmachen wollte, musste ich erst losrennen und mein Akkordbuch holen.“ Mit John an der Trompete und einem vierten Mitschüler, Chris Sherwin am Schlagzeug, intonierten The Confederates rustikales Liedgut wie „When The Saints Go Marching In“, bis John, der geförderte Musiker, die hoffnungslose Formation verließ, um in der nächst besseren Gruppe die Trompete zu übernehmen.

      Pete übte derweil hartnäckig weiter. Zeitweise gab es drei Banjospieler in der Band, und er wurde in seiner Position stark bedrängt. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit dem Schlagzeuger


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