Beyoncé - Crazy in Love. Anna Pointer
Verpflichtungen helfen sollte, und ermutigten sie außerdem, an der Schule Tanzstunden zu nehmen. Diese Stunden waren schließlich der erste Schritt auf ihrem Weg zum Superstar, da ihre Lehrerin, Darlette Johnson, ihr Potenzial erkannte. Beyoncé kann sich noch genau an den Tag erinnern, als Darlette sie singen hörte. In einem Fernsehinterview sagte sie: „Sie meinte bloß: ‚Baby, sing für mich. Ich habe dich da drüben zu diesem Song singen gehört. Also sing mal für mich.‘ Das tat ich dann auch und sie sagte: ‚Du kannst ja richtig gut singen.‘ Sie sagte, ich solle bei einer Talentshow auftreten, und ich verliebte mich in die Bühne. Ich verdanke ihr sehr viel.“ Darlette erinnert sich so: „Ich wusste, dass sie ein Star war. Ich wusste es einfach. Sie war noch im Tanzstudio und war die letzte im Raum. Ich sang einen Song ziemlich falsch und sie beendete ihn für mich – und traf dabei genau den Ton. Deshalb sagte ich: ‚Sing ihn noch einmal.‘ Sie war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Ihre Eltern kamen, um sie abzuholen. Ich sagte ihnen: ‚Sie kann singen! Sie kann richtig gut singen!‘ Ich ließ sie bei ein paar Tanz- und Gesangswettbewerben antreten, und der Rest ist Geschichte. Als ich sie zum ersten Mal singen hörte, wusste ich bereits, dass sie etwas Besonderes war.“
Es war auch Darlette, die Beyoncé ermutigte, an einer Schulaufführung teilzunehmen und dabei John Lennons „Imagine“ zu singen. Sie war gerade erst sieben Jahre alt und so eingeschüchtert von dem Gedanken, vor einem Publikum zu singen, dass sie vor Angst fast erstarrte. Sie fürchtete sich davor, dass sie nicht in der Lage sein würde zu sprechen – geschweige denn zu singen! Aber sobald die Musik einsetzte, entspannten sich ihre Nerven wie von Zauberhand. „Ich hatte eine Heidenangst und wollte es nicht mehr tun, aber Darlette sagte: ‚Komm schon, Baby, raus mit dir.‘ Ich erinnere mich, wie ich rausging und mich fürchtete, bis die Musik einsetzte. Ich weiß nicht, was da vor sich ging. Auf einmal war ich anders.“
Beyoncé hatte ganz einfach ihre Stimme gefunden, und sie war so süß wie Honig. Neben ihr verblassten alle anderen teilnehmenden Kinder, die mitunter schon 15, 16 Jahre alt waren. Das Publikum würdigte sie mit stehenden Ovationen. „Ich beschloss, dass die ganze Welt meine Bühne sein würde“, sagte sie. „Ich fühlte mich nur wohl, wenn ich sang oder tanzte. Ich wollte Performerin werden. Bis ich zu performen begann, war ich ein schüchternes Mädchen gewesen.“
Als ihre Eltern sie bei der Talentshow mit so viel Inbrunst und Selbstvertrauen „Imagine“ singen hörten, wurde auch ihnen klar, über was für ein außergewöhnliches Talent ihre Tochter verfügte. Mathew sagte gegenüber dem Magazin Billboard: „Ihre Mutter und ich sahen uns an: ‚Das kann doch nicht unsere Beyoncé sein, denn die ist schüchtern und still.‘ Wir kannten uns nicht mehr aus. Wir waren gekommen, um sie zu unterstützen, aber auf der Bühne war sie plötzlich eine ganz andere Person als die Beyoncé, die wir als ihre Eltern kannten.“ Tina meinte dazu auf CBS: „Auf der Bühne wurde sie lebendig und hatte Selbstvertrauen. Ich dachte mir: ‚Wer ist das denn?‘ Das war eigentlich der Anfang von allem. Wir ermutigten sie dabei, weil dadurch ihre Persönlichkeit zur Geltung kam.“ Beyoncé selbst erklärte in Billboard, wie sehr sich ihre Welt veränderte, als sie ihre Stimme entdeckte: „Ich ließ mich fallen, wenn ich auf der Bühne war. Es war die angenehmste Zeit für mich. Die Bühne war ein Ort, an dem ich nicht scheu sein konnte.“
Sie hatte ihre Berufung gefunden, und ihre ganze Familie wurde davon mitgerissen. Mathew und Tina meldeten sie für ungefähr 30 Talentwettbewerbe an. Ein paar dieser Veranstaltungen waren zum Teil Talentshow und zum Teil Schönheitswettbewerb – ein Aspekt, der ihr nicht sonderlich behagte, da sie sich von Natur aus eher burschikos gab. Allerdings kam sie mittlerweile mit ihrem Selbstbild zurecht und gewann jeden dieser Wettbewerbe. Die Ablagen in ihrem Zimmer ächzten nun unter der Last der glänzenden Trophäen. „Sie wurde nie Zweite, immer nur Erste“, erinnerte sich Mathew voller Stolz. Wie sie später so eloquent in der Tageszeitung USA Today zu Protokoll gab, musste sie sich nicht einmal anstrengen: „Alles, was ich je gemacht habe, ist ganz natürlich gekommen. An meiner ersten Talentshow nahm ich mit fünf Jahren teil. Songs schrieb ich dann mit neun … Es steckte einfach in mir drin. Ich denke, wenn man für gewisse Dinge wie geboren ist und man die Dinge einfach im Herzen hat, warum sollte man das dann nicht so stark wie möglich ausleben?“
Der elektrifizierende Augenblick, als sie ihren ersten landesweit ausgetragenen Wettbewerb in einem Houstoner Veranstaltungssaal für sich entscheiden konnte, kam schließlich 1988. Er lieferte die Initialzündung zu ihrem weiteren Leben. Veranstalter des Wettbewerbs war People’s Family Workshop, eine prominente Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Kunst in Houston zu fördern. In der Kategorie „Baby Junior Talent“ – die Altersklasse für Siebenjährige und noch Jüngere – zu gewinnen, war eine enorme Leistung, doch Beyoncé nahm das gelassen zur Kenntnis. Die alten Videoaufnahmen ihrer Dankesrede zeigen, wie ihr kleines Gesicht gerade so über das Podium ragt. Sie spricht mit ihrem starken texanischen Akzent: „Ich möchte mich bei den Juroren dafür bedanken, dass sie sich für mich entschieden haben, und bei meinen Eltern, die ich sehr liebhabe. Ich liebe euch, Houston!“ Diese finalen Worte wurden begleitet vom bereits erwähnten Kusshändchen, das sie wie ein routinierter Profi ins Auditorium warf.
Als sie im Jahr darauf für den Gastauftritt zum selben Wettbewerb zurückkehrte, berichtete die Präsentatorin der Show dem Publikum von der beeindruckenden Leistung, die Beyoncé im Vorjahr abgeliefert hatte. „Jedes Mal, wenn ich ihren Namen sagte, brandete Applaus auf“, sagte sie. Als Beyoncé schließlich die Bühne betrat, war sie kaum mehr als das Kind, das zwölf Monate zuvor auf der Bühne gestanden hat, zu erkennen. Sie sang „Home“, eine alles andere als leichte Nummer aus dem Musical The Wiz, und trug ein von der Hauptfigur Dorothy beeinflusstes Outfit bestehend aus einem blauen Trägerrock über einer weißen Bluse mit Puffärmeln. Sie war geschminkt, trug glitzernde Ohrringe und ihre Haare waren glänzend und gelockt. Ihr Look und ihr Gesang ließen sie wie einen jungen Star erscheinen. Sie wirbelte über die Bühne, ohne dabei auch nur eine Note nicht zu treffen.
Obwohl ihr Talent für sich selbst sprach, hielten Mathew und Tina es für eine gute Idee, für ihre Tochter einen professionellen Gesangslehrer anzuheuern, um sicherzustellen, dass ihre Stimme richtig geschult würde. 1989 wandten sie sich also an einen Mann namens David Lee Brewer, einen international auftretenden Operntenor, der mit der Houston Ebony Opera zusammenarbeitete und nun auch Privatstunden gab. Wenig überraschend versetzte Beyoncé, deren Stimme als Mezzosopran – eine mittlere Stimmlage und die herkömmliche bei Frauen – eingestuft wurde, ihren neuen Gesangslehrer in Erstaunen. „Beyoncé war ein achtjähriger Engel, als wir uns zum ersten Mal trafen“, vermerkt David auf seiner Website. Tina bat ihn, ihrer Tochter beim Singen zuzuhören. Dieser Bitte kam David ein paar Tage später gerne nach. „Dieses kleine Mädchen in einem Rüschenkleid und dazu passenden Söckchen holte langsam Luft und öffnete dann den Mund, um loszulegen. Was sie nun entfesselte, war einer der beeindruckendsten Klänge, den ich je von einem Kind zu hören bekommen hatte. Irgendetwas dabei ergriff mich und ließ mich nicht mehr los. Der Sound erinnerte an geschmolzenes Gold, sie hatte ein ganz besonderes Timbre. Außerdem besaß Beyoncé anscheinend eine angeborene körperliche Verbindung zur Musik. Das hier war mehr als nur eine Stimme, dachte ich, es war eine Seele.“
Irgendwann zog David sogar in das Apartment über der Garage der Familie und mit seiner Unterstützung erhielt Beyoncés Stimme noch einen zusätzlichen Schliff. Ihre Eltern kauften ihr eine Karaoke-Maschine, mit deren Hilfe sie nun versuchte, die Leistungen ihrer Vorbilder aus dem R&B-Genre zu toppen. „Karaoke machte mir viel Spaß“, erzählte sie dem Guardian. „Ich verbrachte den ganzen Tag damit, nahm mich zu den Songs anderer auf und schrieb gelegentlich die Texte ein wenig um.“
Aber als sie schließlich regelmäßiger bei Talentshows aufzutreten begann, benötigte sie etwas, das ihr dabei half, mit ihrem Lampenfieber, das sie seit jeher vor jedem Auftritt plagte, umzugehen. Und so entstand ihr Alter Ego – Sasha Fierce. Dabei handelt es sich um eine imaginäre Figur, die das Kommando übernahm, wann immer Beyoncé in der Öffentlichkeit sang. Sasha war eine mutige, unbeirrbare Persönlichkeit mit einer kräftigen Stimme, die auch gegen die herbste Kritik immun war. Ihre Cousine Angie ließ sich den Namen einfallen und Beyoncé bekannte in einem TV-Interview