Beyoncé - Crazy in Love. Anna Pointer
alles daran, ihnen Auftritte als Vorgruppe vor etablierteren R&B-Gruppen zu besorgen.
Endlich begann sich sein Aufwand auszuzahlen: Sie wurden zu mehreren Vorsingen von Plattenfirmen eingeladen, unter anderem auch bei Elektra Records, wo sie Darryl Simmons kennenlernten. Grobkörnige Videoaufnahmen von dieser Vorführung zeigen die vier Mädchen in beigen Jeans und schwarzen Trägerhemdchen, wie sie eine hübsch choreografierte Tanznummer zu ihrem Song „Wide Open“ performen. Alles in allem klang ihr Gesang nun um einiges tighter, wodurch sie geschliffener und erwachsener wirkten.
Nachdem sie sich jahrelang hatten abrackern müssen, waren die Girls und Mathew absolut begeistert, als Darryl eine Schlüsselfigur bei Elektra, Sylvia Rhone, die bereits die extrem erfolgreichen En Vogue unter Vertrag genommen hatte, hinzuzog. So wie die meisten, die die Gruppe hörten, fand auch sie, dass Beyoncés Stimme hervorstach, und beauftragte Darryl, den Mädchen einen Vertrag zu geben – und Beyoncé ins Zentrum zu rücken.
Nur kurze Zeit später wurde die Band nach Atlanta geflogen, von wo aus Darryl arbeitete, und ins Studio geschickt, wo sie an den Gesangsspuren für ein Album arbeiten sollten. Sie waren gemeinsam mit Darryls Assistenten in einem kleinen Haus untergebracht. Der Trip verströmte das Flair eines Ferienlagers, allerdings verpassten die Mädchen auch viele Schultage. Da dies die Eltern beunruhigte, wurden Privatlehrer engagiert. Nach ein paar Monaten zeichnete sich jedoch eine Katastrophe ab. Es war noch kein Datum für die Veröffentlichung besprochen worden und es schien, als würde Elektra die Entscheidung auf die lange Bank schieben wollen. Schließlich flatterte ein Brief von einem hohen Tier beim Label ins Haus, der die Gruppe davon unterrichtete, dass man die Band fallen lassen würde. Das Magazin Essence berichtete, dass die Entscheidungsträger einen dramatischen Sinneswandel durchlaufen hätten und nun denken würden, dass die Mädchen „zu jung“ und „zu ungeschliffen“ seien, um den nächsten Schritt setzen zu können. Die Frustration darüber, vorzeitig abgesägt zu werden, saß tief, wie Beyoncé Jahre später der Zeitschrift Q anvertraute: „Wir dachten, dass die Welt untergehen würde.“ 2002, auf dem Zenit ihres globalen Erfolgslaufs angelangt, blickte Kelly augenzwinkernd zurück: „Ich hoffe, dass derjenige bei Elektra, der entschieden hat, uns in die Wüste zu schicken, die Grammy-Preisverleihung von 2000 mitverfolgt hat.“
Zurück in Houston motivierten die enttäuschenden Neuigkeiten Mathew zu einem drastischen Schritt. Er kündigte seinen hochdotierten Job, um sich als Manager nun ausschließlich um die Belange der Band kümmern zu können. „Der ausschlaggebende Moment war, als sie von Elektra fallen gelassen wurden“, sagte er. „Ich kündigte meinen Job, und alle dachten, ich hätte sie nicht mehr alle.“ Mathews Hingabe an seinen Beruf war bereits seit längerer Zeit dahingeschwunden. „Ich war 20 Jahre im Geschäftsleben gewesen und 18 davon waren phänomenal gewesen“, erzählte er in Empower. „Aber die letzten beiden Jahre fehlte mir die Leidenschaft und ich spürte, wie ich einen Wandel durchlief.“ Sein Beschluss, diese Welt hinter sich zu lassen, wurde ihm erleichtert, als bekannt wurde, dass seine Co-Managerin Andretta zusehends von ihrer Lupus-Erkrankung geschwächt wurde.
Er traf auch noch eine weitere einschneidende, für die Zukunft der Gruppe wegweisende Entscheidung. Da er fand, dass der Name „Girls Tyme“ zu jung klang, war es an der Zeit, die Band mithilfe eines anderen Namens neu zu erfinden. Unter den Vorschlägen fanden sich „Somethin’ Fresh“ und „Borderline“, aber nichts passte so recht – ebenso wenig wie „Cliché“ oder „Da Dolls“. Schließlich wurde „Destiny“ in die Runde geworfen, doch der Name war bereits vergeben. Letztlich einigte man sich auf „Destiny’s Child“. Beyoncé erklärte im Magazin Interview, wie es dazu gekommen sei: „Immer, wenn ich wegen etwas verwirrt bin, frage ich Gott, mir die Antworten auf meine Fragen zu schenken – und er tut es. So fanden wir unseren Namen – wir schlugen die Bibel auf und da stand das Wort ‚Destiny‘.“ LaTavia führte weiter aus: „Eines Tages wollte Beyoncés Mom gerade in der Bibel lesen und schlug sie auf, um eine Stelle im Buch Jesaja zu lesen. Da fiel ihr ein Foto von uns hinunter und an der Stelle, an der es landete, stand in fetten Lettern das Wort ‚Destiny‘. Wir spürten, dass Gott uns diesen Namen schickte, fanden aber heraus, dass bereits viele Gruppen so hießen, deswegen ergänzten wir noch ‚Child‘, um eine Art Wiedergeburt von ‚Destiny‘ anzudeuten.“
Obwohl jeder von ihrer neuen Ausrichtung begeistert war, hatte Mathews abrupter Ausstieg aus seinem Beruf auch ernsthafte Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Familie Knowles. Seine Opferbereitschaft für Beyoncés Sache war jedoch so groß, dass er und Tina gemeinsam beschlossen, das Haus der Familie zu verkaufen, um die finanzielle Belastung zu senken. „Wir übersiedelten vom Haus in ein Apartment“, erzählte Beyoncé. „Statt drei Autos hatten wir nun zuerst noch zwei, dann nur mehr eines.“ Tina war der Meinung, dass die Strapazen für die Familie nur schwer zu ertragen gewesen seien, wie sie in einem ehrlichen Interview mit CBS enthüllte: „Es war sehr stressig, weil wir zuerst zwei echt gute Einkommen hatten und dann nur mehr eines. Wir mussten uns mit weniger Wohnfläche begnügen, unsere Autos verkaufen. Es war eine echt schwere Zeit für uns.“ Wenig überraschend stellten viele Freunde des Ehepaars ihre Entscheidung in Frage und Tina gab zu: „Die Leute hielten uns für durchgeknallt, sie dachten wirklich, wir wären verrückt geworden.“
Die Schwierigkeiten nahmen vorerst kein Ende, als sich die Familie plötzlich mit steuerlichen Problemen konfrontiert sah. „Irgendwie begann alles auseinanderzufallen“, berichtete Tina im Rolling Stone. „Wir mussten unser Haus für viel weniger als das, was wir mit ausreichend Zeit dafür bekommen hätten, verkaufen. Es war sehr emotional, weil meine Kinder in diesem Haus aufgewachsen waren und sie nun überhaupt nicht glücklich waren.“ Als Mathew herausfand, dass der Vormieter ihres neuen Apartments im Badezimmer Selbstmord begangen hatte, machte das die chaotische Lage nicht gerade besser. LaTavia erinnerte sich später an die neuen Lebensumstände der Knowles: „Mathew und Tina teilten sich ein Zimmer und Beyoncé, ihre Schwester Solange und Kelly teilten sich das andere. Sie hatten zwei Einzelbetten mit einem Ausziehbett darunter. Rückblickend war das alles sicher sehr stressig für die Familie.“
Um zu etwas mehr Geld zu kommen, ließ Tina ihren Haarsalon länger offen, während Mathew sich für ein paar Monate verabschiedete, um eine Fortbildung in puncto Künstler-Management zu machen – womit er den Grundstein für seine eigene Multi-Millionen-Dollar-Firma, Music World Entertainment, legte. Mathews Entscheidung, seine Tochter und ihre Freundinnen als Manager zu betreuen, war inspiriert gewesen von einer Geschichte, die er über Berry Gordon, den Präsidenten von Motown Records, gehört hatte. Berry hatte unvorstellbaren Erfolg, indem er praktisch alle Geschäfte von seinem eigenen Studio in Detroit aus abwickelte – er managte seine Acts, nahm sie auf und veröffentlichte und vermarktete sie selbst. Er behielt die Fäden in der Hand. Er bemühte sich außerdem, seinen Künstlern zu zeigen, wie sie sich benehmen, kleiden und bewegen sollten. Tatsächlich erklärte er ihnen, wie sie Superstars werden würden.
Der Kampf, Beyoncés Karriere in Gang zu kriegen, war höchst beschwerlich und hatte zur Folge, dass Mathew und Tina sich eine Zeit lang trennten. Tina erzählte CBS: „Wir gingen damals auseinander, weil mir vorkam, dass er ein wenig zu besessen war. Ich hatte nie Zweifel daran, dass sich der Erfolg einstellen würde, aber ich sagte ihm, dass er nicht einfach so die Welt auf den Kopf stellen könnte, sich auf diese Sache stürzen und sich nicht länger um seine Familie kümmern könnte.“ Als sie im Rolling Stone noch detaillierter auf die damalige Situation einging, fügte sie noch hinzu: „Zum damaligen Zeitpunkt kamen wir einfach nicht miteinander aus. Ich hatte das Gefühl, dass Mathew besessen war und sich besser einen Job hätte suchen sollen … Es ging uns einfach elend.“
So wie für jedes Kind war auch für Beyoncé die Trennung ihrer Eltern ein traumatisches Erlebnis. Später sagte sie dazu: „Es war eine so schmerzhafte Zeit, dass ich viele Erinnerungen daran aus meinem Kopf gelöscht habe.“ Sie suchte Halt bei ihrer Kirchengemeinschaft und man sah sie oft in der St. John’s Kirche, wie sie weinend ins Gebet versunken war. Als ihr alles zu viel wurde, legte sie sich ein Mantra zu, das sie immer und immer wiederholte, um mit ihrer Situation zurechtzukommen: „Gott hat einen Plan und Gott hat alles unter Kontrolle.“ Es half ihr, sich zu beruhigen, und wurde zu einem Motto, das sie seitdem durch ihr Leben begleitet.
Ihr christlicher Glaube half ihr auch dabei, die gelegentlichen Höhen