Beyoncé - Crazy in Love. Anna Pointer
ging mir das sehr zu Herzen. Ich stand unter Stress, weil ich wusste, dass die Band durchdrehte. Ich konnte nicht mehr schlafen und ich bekam einen Ausschlag im Gesicht. Eines Tages in der Kirche weinte ich und mit einem Mal ließ ich einfach alles los. Es war, als würde Gott sagen: ‚Überlasse es einfach mir.‘ Der ganze Druck fiel von mir ab … Nachher war ich 20 Minuten lang im Reinen mit allem. Als würde ich schweben.“
Obwohl sie die Trennung ihrer Eltern sehr bekümmerte, wurde sie dadurch nur noch entschlossener, für Destiny’s Child die Anerkennung, nach der sie sich so sehnten, zu erringen. Ein Trip nach San Francisco, wo sie 1996 ein paar Demos aufnehmen wollten, läutete schließlich ihren finalen Durchbruch ein. Nachdem sie die Tapes an Dutzende einflussreiche Personen verschickt hatten, meldete sich bei ihnen ein Musiker namens D’wayne Wiggins aus Oakland, Kalifornien, dem das Gehörte zusagte, was ihn schließlich dazu veranlasste, die Band im Handumdrehen für seine Firma, Grass Roots Entertainment, unter Vertrag zu nehmen. In einem späteren Interview mit der Website von Soul Train sprach er über die so wichtige Entscheidung, der Band eine Chance zu geben: „Die größte Erfahrung meines Lebens in Bezug auf das Geschäft war es, Destiny’s Child unter Vertrag zu nehmen und sie zu entwickeln. Diese jungen Ladys waren ein paar erwachsene Damen in den Körpern von jungen Mädchen. Sie waren fokussiert und hatten Weitblick.“
Als Teil seines Investments in die Band ließ D’wayne sie in ein Haus mit sechs Schlafzimmern in Oakland in der Nähe seines Studios einziehen, um ihnen damit zu ermöglichen, ihre Musik zu schreiben und aufzunehmen. Erneut war Schule kein Thema und Privatlehrer kamen ins Spiel, damit sie ihren Stundenplan um die Musik herum arrangieren konnten.
Beyoncé blühte in dieser Umgebung auf und es gelang ihr, D’wayne schwer zu beeindrucken. „Ich kann mich daran erinnern, dass ich gerade den Gesang arrangierte und Beyoncé hinterm Mikro stand. Ich schlug ihr eine Harmonie vor und sie antwortete darauf mit einer Vielzahl von Harmonien und Melodien, die mich umhauten. Sie tanzte und warf ihre Haare herum, als würde sie gerade ein Konzert geben.“ Er fügte hinzu: „Ich war für die Produktion zuständig und ich war ein Fan. Es war eine wunderbare Erfahrung, die Familie kennenzulernen – Tina, Mathew und Solange –, und ich spürte das Vertrauen und den Respekt. Ich dachte mir stets: ‚Wow, sie vertrauen mir ihre Kinder an, damit ich nach ihnen sehe und sie produziere und mich außerdem darum kümmere, dass ihr Unterricht nicht auf der Strecke bleibt.‘“
Obwohl D’wayne sich darum kümmerte, dass Beyoncé brav lernte, hat sie nie ihren Highschool-Abschluss gemacht, da die Band ihr Leben beherrschte. Dennoch war das nur ein geringer Preis für das, was ihr noch bevorstand. Da das Interesse, das D’wayne der Gruppe entgegenbrachte, ihnen noch mehr Credibility verlieh, flogen Destiny’s Child 1997 nach New York, um erneut für Terese LaBarbera Whites vorzusingen, die immer noch für Columbia Records, wo auch Bruce Springsteen, Michael Jackson und Mariah Carey unter Vertrag standen, tätig war. Wie Beyoncé später in Soul Survivors, der Autobiografie von Destiny’s Child, zugab, war das ihre letzte Chance, und sie konnten es sich einfach nicht leisten, sie noch einmal ungenutzt zu lassen.
Es verhieß eigentlich nichts Gutes, dass der Konferenzraum, der für das Vorsingen zur Verfügung gestellt wurde, nicht groß genug für die Begleitmusiker und ihre Instrumente war, was zur Folge hatte, dass die vier Mädchen sich auf die einschüchternde Herausforderung einlassen mussten, a cappella zu singen. Es gelang ihnen jedoch zum Glück, perfekte Versionen von Bill Withers’ „Ain’t No Sunshine“ sowie ihres eigenen Tracks „Are You Ready?“ abzuliefern. Allerdings ließ Teresa die Mädchen in puncto Feedback erst einmal im Dunkeln. Sie reisten zurück nach Houston und hatten keinen Schimmer, wie es nun weitergehen würde. In Wahrheit aber war Teresa ganz hin und weg, wie sie viele Jahre später betonte: „Beyoncé ist eine unglaubliche Künstlerin, Songschreiberin, Produzentin und Performerin – sie hat einfach alles drauf. Ich kenne sie bereits seit ihrer Kindheit und habe ihr dabei zugesehen, wie sie zu der legendären musikalischen Urgewalt, die sie heute ist, heranreifte. Ich weiß nicht, ob es irgendetwas Cooleres gibt.“
Die quälend langen Wochen des Wartens hatten zur Folge, dass Beyoncé und die Mädchen an nicht viel anderes denken konnten. Die Nachricht, dass ihnen Columbia einen Vertrag anbieten wollte, ereilte die Mädchen nicht ganz unpassenderweise in Tinas Haarsalon. Tina hatte den Brief der Plattenfirma neckisch in einen Umschlag mit dem Logo eines lokalen Diners namens Luby’s gesteckt. Als Beyoncé ihn nun in die Hand gedrückt bekam, ging sie davon aus, dass es sich bloß um einen Essensgutschein handeln würde. Als sie den Inhalt des Umschlags durchlas, verschlug es ihr beinahe den Atem und erst recht die Sprache. „Wir fingen an, zu schreien und zu weinen, mitten im Salon“, erinnerte sie sich in Soul Survivors. Die Damen unter den Trockenhauben sahen uns an, als ob wir verrückt wären, weil sie nicht hören konnten, warum wir so schrien. Wir liefen durch den Laden, sprangen auf und ab, hielten den Vertrag in die Luft, damit ihn alle Kundinnen sehen konnten.“
Ganz anders als damals mit Elektra sollte es von dem Moment an, in dem sie auf der gepunkteten Linie unterschrieben, so richtig losgehen. Da sie nach so vielen Tagen in diversen Studios schon etliche Songs geschrieben hatten, konnte sich die Band sofort an die Arbeit an ihrer ersten Veröffentlichung machen. „Killing Time“ war eine Ballade, die schließlich auf dem Soundtrack des Films Men in Black landete und im Juli 1997 herauskam.
Mit Yvette Noel-Schure wurde der Gruppe von Columbia auch ihre erste Presseagentin zugeteilt. Sie sollte vor allem später eine wichtige Rolle im Team um Beyoncé spielen. Yvette erinnerte sich gegenüber Out an ihr erstes Treffen mit der Sängerin: „Ich sah eine sehr akribische 14-Jährige. In diesem Alter schon so abgeklärt zu sein … ich erinnere mich, dass ich sagte, dass das genau mein Projekt sei und ich mit diesen Mädchen die beste Zeit meines Lebens haben würde.“ Sie sagte außerdem: „Das ist es, an das ich mich für immer bezüglich Beyoncé erinnern werde: Sie hört einem genau zu. Sie sieht dir in die Augen, wenn sie mit dir spricht … Damals sagte sie noch andauernd ‚Ja, Ma’am, ja, Ma’am‘ zu mir, aber sie sah mir dabei immer geradewegs in die Augen. Es schien, als würde sie dabei nie zwinkern. Sie hörte einem zu … ich erkannte ihren Mut. Bis heute ist es dasselbe, wenn man mit ihr spricht. Ich sage immer zu ihr: ‚Wow, du machst das immer noch.‘“
Sie begannen mit der Arbeit an ihrem Debütalbum, das unter dem Namen Destiny’s Child herauskommen sollte, und ein Datum für die Veröffentlichung wurde ins Auge gefasst. Im Wissen, dass Image alles war, instruierte Teresa ihr Team, sich auf die Suche nach geeigneten Tracks zu machen, die die Band nicht zu „girliehaft“ oder infantil rüberkommen lassen würden. Auch Mathew war es ein Anliegen, dass die Girls nicht als Teenager-Band wahrgenommen würden, weshalb sie monatelang vortäuschten, zwei Jahre älter zu sein. Als sie von Black Beat 1998 nach ihrem Alter gefragt wurde, antwortete Beyoncé: „Wir wissen es nicht! Ich scherze nur. Eigentlich sind wir Teenager. Der einzige Grund, weshalb wir es nicht sagen, ist, dass sich ältere Leute nicht so für uns interessieren würden, wenn sie herausfänden, wie alt wir sind. Unsere Musik ist abwechslungsreich und älteren Menschen könnte sie auch gefallen, weshalb wir uns lieber nicht in eine Schublade stecken lassen möchten.“
Eine der ersten Nummern, die sie aufnahmen, „No, No, No“, war ursprünglich als erste Single vorgesehen, wurde aber schließlich als zu langsam befunden. Der angesehene Rapper Wyclef Jean von den Fugees wurde daraufhin damit beauftragt, einen schneidigeren Sound zu garantieren, was dazu führte, dass der mittlerweile in „No, No, No Part 2“ umbenannte Song Anfang 1998 Platz drei in den amerikanischen Charts sowie Platin erreichte. In Großbritannien landete der Song auf Nummer fünf und in Kanada auf Platz sieben. Ganz schön beeindruckend für eine brandneue Gruppe, die sich in einem heiß umkämpften Genre betätigte. Beyoncé erzählte später eine heitere Anekdote davon, wie sie die Single zum ersten Mal im Radio hörte, als sie gerade mit Kelly und ihrer Schwester Solange im Auto unterwegs war. Nachdem sie angehalten hatten, sprangen die beiden Bandmitglieder aus dem Wagen und fingen an, um das Fahrzeug herumzulaufen, während sie ihren Song mitsangen. Solange war zuerst ganz verwirrt, wie sich Beyoncé erinnerte: „Aber dann ließ sie ihre Tasche und ihre Bücher fallen und schloss sich uns an. Es war ein echt cooles Erlebnis.“
Gleichzeitig bedeutete der lang herbeigesehnte Umschwung auch, dass der Druck, der auf Beyoncés Eltern lastete, nachließ. Dies führte dazu, dass sie sich versöhnten