Der Fluch der Dunkelgräfin. Simona Turini

Der Fluch der Dunkelgräfin - Simona Turini


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Zahlreiche seiner Kunstwerke lagerten in den Schränken und Truhen der Villa.

      Jemand anders hatte dieses Buch verfasst. Sie blätterte wieder zurück und begann nun endlich, die Geschichte dieses Fremden zu lesen.

      Ihr erschloss sich eine regelrechte Beichte. Mit seinem Weib hatte der Schreiber ein frommes Leben geführt, was der Herr ihnen gut lohnte; sie besaßen ein schönes Haus, fruchtbare Felder und viele Tiere. Ihre Knechte und Mägde behandelten sie gut, wie den Ersatz der Familie, nach der diese Bauern sich so sehr sehnten. Das Glück der Elternschaft widerfuhr ihnen erst spät, aber schließlich wurde die Bäuerin endlich schwanger.

      Die Geburt selbst war schwierig und dramatisch. Nach Stunden der Qual musste der Bauer um das Leben seiner Frau bangen. Um sie nicht zu verlieren, da er sie als die Liebe seines Lebens sah, beging er den Fehler, der ihrer aller Schicksal besiegeln sollte: Als alles Beten versagte, als die Frau immer schwächer und die Hebamme immer mutloser wurde, begab der Bauer sich an die Wegkreuzung hinter dem Haus, wo ein Wald begann, und rief die andere Macht um Hilfe.

      Sofia ahnte, wer diese andere Macht verkörpern mochte; dem Bauern erschien der Teufel und in seiner Verzweiflung versprach der Mann dem Wesen das Leben des ungeborenen Kindes für das der Frau:

      »Alles an dem Mann«, so stand da, »der plötzlich vor mir stand, war schwarz. Schwarz der fadenscheinige Frack, schwarz die speckig glänzende Hose, schwarz der Hut auf seinem schwarzen Haar, schwarz der dünne, klebrig aussehende Bart über seiner Oberlippe. Nur seine Augen, aus denen er mich spöttisch anblickte, waren hell, waren farblos.«

      Sofia stockte der Atem; zu sehr ähnelte die Beschreibung des Teufels in diesem Büchlein dem Besucher, der ihr an ihrem Geburtstag im Park begegnet war.

      Atemlos las sie weiter.

      »Es mag unfassbar klingen, dass ich bereit war, die Unschuld meiner Nachkommen aufzugeben, um mein Weib zu retten. Doch bitte, versteht meine Furcht: Sie zu verlieren bedeutete, alles zu verlieren. Das Kind jedoch, nun, ich kannte es ja nicht, hatte es niemals gesehen und musste nun annehmen, dass es auf seinem Weg in diese Welt nicht nur selbst versterben, sondern auch mein geliebtes Weib mit sich nehmen würde.«

      Der Teufel hielt Wort und als der Bauer nach Hause zurückkehrte, lebte die Frau – wie wundersamerweise auch das Kind.

      Solche Freude, so schloss der Bauer, konnte nicht von dem dunklen Herrn kommen, den er an der Kreuzung getroffen hatte. Das musste, so nahm er an, das Werk des einen Herrn sein, ein Eingreifen von Gott selbst, um sein Schäfchen nicht gänzlich auf dem Pfad der Verderbnis zu verlieren. Der Herrgott rettete die Familie und bescherte dem Bauern das Glück, das er sich immerzu ersehnt hatte.

      Um Ihn nicht weiterhin zu beleidigen – denn nichts anderes hatte er getan, das war dem Bauern wohl bewusst – beschloss er, alles Hab und Gut wegzugeben, um fortan in noch größerer Frömmigkeit zu leben. Er beichtete dem Priester, was er verbrochen hatte, spendete der Kirche seinen Besitz und zog mit Frau und Kind in ein ärmliches Haus mit wenig Land auf der anderen Seite des Waldes. So lebten sie in bescheidenem Glück auf ihrem Flecken Erde, der sie gerade so zu ernähren vermochte, und sahen ihrer kleinen Tochter zu, wie sie wuchs und gedieh.

      Als das Kind seinen dritten Geburtstag feierte, begann das Unglück. Das Wetter schlug um und besserte sich lange nicht, die Jahreszeiten schienen vollkommen verquer, die Früchte auf dem Feld ertranken und auch die einzige Kuh der Familie erkrankte und starb. So ging das jahrein, jahraus, drei elende Jahre lang und wurde immer schlimmer. Die Bauersleute taten alles, was in ihrer Macht stand, um das Blatt zu wenden.

      Vergebens.

      V

      Der Text aus dem kleinen Tagebuch hing Sofia noch lange nach. Während des Abendmahls, das ihr Bewacher mit ihr einnahm und das in drückendem Schweigen vollzogen wurde, dachte sie darüber nach, inwiefern die Erzählung, die sie gelesen hatte, mit dem merkwürdigen Traum in ihrer Geburtstagsnacht zu tun haben mochte. Zu sehr ähnelten sich die Szenen, als dass es sich um einen Zufall handeln konnte!

      An diesem Abend verzichtete sie auf ihr Bad. Der stumme Diener ihres Bewachers hatte sich umsonst damit geplagt, ihr warmes Wasser zu bereiten. Es war ihr einerlei, sollte der unheimliche Alte sich doch grämen. Sie begab sich früh zu Bett und freute sich fast, in den paar Stunden des Schlafes ihre Sorgen und jene neuen, verwirrenden Gedanken hinter sich zu lassen.

      Sie schwebte über einem endlosen Grün.

      Kurz wunderte sie sich, dass sie den saftigen Rasen unter ihren Füßen sehen, aber nicht spüren konnte, dann erkannte sie, dass sie wirklich und wahrhaftig schwebte.

      Ihr Kleid umschmeichelte die nackten Beine, feine Seide liebkoste ihre Haut. Das Gefühl war schöner als alles, was sie je hatte spüren dürfen. Sie lächelte, ein Lächeln, das sich mit jedem Schritt, den sie machte, vertiefte.

      Das Gras war von einem unwahrscheinlichen Grün, einem Grün jenseits dieser Welt. Das Blau des Himmels ebenso. Der Duft der Blumen, die Frische der Luft, der Gesang der Vögel – alles wirkte verstärkt und um ein Vielfaches wunderbarer, als sie es kannte.

      Sie war glücklich und fühlte sich frei.

      Ausgelassen warf sie den Kopf in den Nacken und lachte der Sonne entgegen, die warm ihre Wangen und Lippen streichelte. Die Arme ausgestreckt, das Gesicht gen Himmel gewandt, die Augen genüsslich geschlossen ließ sie sich treiben, schwebte eins mit sich und der Welt über die Ebene.

      Dann ein Schatten. In Erwartung des Anblicks einer weißen Wolke, eines Gebildes wie aus Watte, öffnete sie die Lider. Statt des friedvollen Bildes gewahrte sie eine schwarze Gewitterwolke, die sich rasch ausbreitete. Undurchdringliches Dunkel schob sich über das Blau. Ihr wurde kalt.

      Fröstelnd beobachtete sie, wie sich der Himmel zuzog, wie Blitze zuckten, erst in der Ferne, dann rasch näher kommend. Die Wiese, über der sie nach wie vor schwebte, wurde braun, dann grau, dann schwarz – wo eben noch Blumen zwischen Grashalmen geblüht hatten, warf nun ein Sumpf träge Blasen.

      Der Duft wich ekelerregendem Gestank. Sie versteifte sich, wollte irgendwie fliehen und zurückkehren in das Paradies, oder zumindest in die vertraute Welt ihres Gefängnisses. Stattdessen landete sie unsanft auf ihrem Hintern, mitten in der nunmehr grauen, trostlosen Ebene. Schmerz übermannte sie und hüllte ihren Körper und ihren Geist ein.

      Weinend blickte sie sich um, aber außer unendlich scheinendem Sumpf sah sie nichts. Nach einer Weile, die ihr drückend lang erschien, tauchte am Horizont eine Gestalt auf. Sie konnte den Schemen nur erkennen, weil er noch viel dunkler war als das umgebende Schwarz. Schnell wurde die Gestalt größer, näherte sich ihr raschen Schrittes, mit der Arroganz dessen, der alles sein Eigen nennen kann und dem nichts Furcht einjagt.

      Es war der dunkle Herr. Grinsend kam er zu ihr, reichte ihr eine kalte Hand und zog sie an sich. Eng an sich gepresst drehte er sie mehrfach im Kreis, bis ihr schwindlig wurde und sie verzweifelt um Erlösung bettelte.

      Er lachte nur, laut, dröhnend, falsch.

      »Kind«, flüsterte er in ihr Ohr. »Kind, du verstehst nicht: Deine Gefangenschaft dient einem höheren Ziel. Niemand springt so mit mir um, niemand betrügt mich – niemand soll es wagen, dem Lichtbringer einen faden Kuhhandel anzubieten. Du wirst es lernen, Kind, du wirst einsehen, dass ich nicht anders handeln konnte. Der schale Geschmack der Niederlage, ich habe ihn in ewigen Triumph verwandelt!«

      Damit ließ er sie los, sodass sie zu Boden stürzte, wo sie bewegungslos liegen blieb, Stunde um Stunde, ein gefühltes Leben lang.

      Keuchend und schwitzend fuhr sie in ihrem Bett auf, wieder einmal. Ein neuerlicher Albtraum, ein neuerliches Mysterium, das zu durchdringen sie nicht vermochte. Durfte sie nun nicht einmal mehr in der Nacht ein wenig Frieden genießen?

      Erschöpft sank sie zurück auf das Kissen, das feucht war von ihrem Schweiß, und zwang ihren Atem zur Ruhe.

      Der Schlaf wollte nicht zu ihr zurückkehren, obwohl es draußen noch dunkel war. Der Mond spendete ein wenig bleiches Licht, das ihr Zimmer schwach erhellte.

      Deine Gefangenschaft dient einem höheren


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