Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
Ansteckung zu befürchten?“
„Das verneint der Kutscher.“
„Schöne Bescherung“, murmelte Hasard. „Wie heißt der Kerl eigentlich?“
„Marten de Groot. Carberry hat ihn gefragt.“
„De Groot, das paßt ja, denn klein ist er nicht. Hm“, Hasard runzelte die Stirn, „sag mal, habe ich ihn gestern mit dem Degen zu ruppig behandelt?“
„Er verdiente seine Lektion. Wenn das Fieber schon in ihm drinsteckte, konntest du das ja nicht wissen. Mir fiel nur auf, daß er ziemlich schnell fertig war, so fertig, daß ihm schon der Degen zu schwer war.“
„Wer ist jetzt bei ihm?“
„Deine Söhne und Mac kümmern sich um ihn.“
„Na gut, ich schaue ihn mir nachher mal an.“ Hasard spähte zu dem Einschnitt, in dem Don Juans Schaluppe verschwunden war.
Sie tauchte wieder auf. Don Juan hob den rechten Arm und stieß ihn auf und nieder. Dann deutete er zurück zu dem Einschnitt.
Hasard zeigte klar und sagte: „Es klappt also. Don Juan hat ein Plätzchen gefunden. Fragt sich nur, wie wir uns bei der Windabdeckung da reinmogeln.“
„Mit viel Fahrt anlaufen, soweit es geht, und dann aufschießen“, schlug Ben Brighton vor. „Sollten wir verhungern, müssen wir diese Tante an die beiden Jollen hängen und sie reinschleppen.“
„Dann mal los“, sagte Hasard.
Die Segel fielen aus dem Gei, die „Santa Barbara“ drehte mit backen Vorsegeln nach Backbord, die Segel wurden beigeholt, und die Galeone nahm Fahrt auf. Pete Ballie am Ruder steuerte den Einschnitt an.
Don Juan, die Hände am Mund, rief: „Die Einfahrt ist breit genug, Wassertiefe in Ordnung, hinten ist eine große Bucht!“
„Danke!“ rief Hasard. „Schaffen wir’s beim Aufschießen bis in die Bucht?“
„Müßte klappen!“
Die „Santa Barbara“ rauschte mit guter Fahrt halbwinds über Backbordbug auf die Einfahrt zu. Die Grenze, wo der Abdeckungsbereich begann, war auf dem Wasser deutlich zu sehen – es war dort ruhiger.
„Ed!“ rief Hasard zur Kuhl hinunter. „Wenn Pete in den Wind dreht, bitte Rahen anbrassen und dann lebend brassen!“
„Aye, Sir!“
„Lebend brassen“ bedeutete in diesem Fall, die Rahen in Längsschiffrichtung zu holen, so daß sich auch die Segel im Wind befanden und die auslaufende Fahrt nicht abbremsten.
Pete Ballie brauchte keine Ruderkommandos. Er war erfahren genug, selbständig zu handeln. Fast sanft legte er Ruder, als die „Santa Barbara“ die Grenze der Abdeckung erreichte – sanft deswegen, um nicht durch Hartruderlage die Fahrt zu vermindern. Die „Santa Barbara“ luvte an.
Carberrys Stimme röhrte über Deck, freundlich wie immer, versteht sich. Das heißt, er griff wieder voll in die Kiste, sprach die Arwenacks als „verlauste, verpennte und plattfüßige Seegurken“ an und drohte mit Strafen, die zwar die reinsten Horrorgeschichten waren, aber nichtsdestotrotz allgemeine Heiterkeit erregten.
Denn „den triefäugigen Luke Morgan mittels Spill in Kabellänge zu ziehen und künftig als Ankertrosse zu benutzen“, war schlicht ein Unding und völliger Nonsens.
Als die Rahen bereits lebend gebraßt waren, glitt die „Santa Barbara“ durch die kanalartige Einfahrt, die in West-Ost-Richtung lag und nur in ihrem letzten Teil etwas nach Norden schwenkte. Die ganze Einfahrt hatte eine Länge von etwa dreißig Yards, dann öffnete sich eine weite Bucht.
Sie war von einem Sandstrand umgrenzt, hinter dem felsige, zum Teil zerklüftete Wände aufragten. Aus diesen Wänden schoß im Nordwesten ein Wasserfall – offenbar in eine Felswanne, von der aus das Wasser als Bach in die Bucht floß.
Das Wasser! Es war kristallklar und glatt wie ein Spiegel. Man konnte bis auf den Grund sehen. Schwärme buntfarbener Fische stoben davon, als sie den herannahenden dunklen Rumpfschatten bemerkten. Auch Krebse verholten sich schleunigst.
Carberry rumorte bereits mit ein paar Mannen auf der Back herum, um den Buganker klarzumachen. Platz zum Ankern für alle drei Schiffe war genug vorhanden. Hasard entschied sich für die Südseite der Bucht und wählte eine Position, die von See her beim Vorbeisegeln nicht eingesehen werden konnte.
Bei auslaufender Fahrt wurde der Anker gesetzt. Die Trosse spulte sich ab. Carberry beugte sich weit über den Steuerbordkranbalken und verfolgte den fallenden Anker. Der verschwand bis zur Hälfte des Schaftes in einem Wald von Tang, Algen und Seegras und kantete um den Stock. Die Trosse ruckte ein bißchen ein.
Carberry stierte.
„Hat er gefaßt?“ fragte Smoky ungeduldig.
„Weiß ich nicht.“ Carberry stierte weiter.
„Soll ich die Trossen belegen?“
„Wart’s ab!“
Smoky begann zu nölen. „Mann, dauert das! Soll ich hier vielleicht anwachsen …“
„Halt’s Maul!“ zischte Carberry. „Bin ich Jesus? Scheiß-Ankermanöver – Schiff steht, Trosse hängt durch.“
„Steht nicht steif?“
„Nein!“ brüllte Carberry. „Steht nicht steif, hängt durch! Mach mich nicht schwach! Holt mal durch, aber sinnig!“
Die drei Mannen an der Ankertrosse, Smoky vorneweg, holten durch. Die Trosse lief um eine mächtige Decksklampe.
„Stopp!“ brüllte Carberry.
„Und jetzt? Hängt sie immer noch durch …“
„Bei dir häng’ ich gleich was durch!“ böllerte Carberry. „Dämliche Fragerei, verdammte!“
„Was ist los, Ed?“ Hasard war auf der Back aufgetaucht. „Hast du Probleme?“
„Ich weiß nicht, ob der verdammte Anker gefaßt hat!“ schnaubte Carberry. „Schiff steht, kein Pups Wind, Anker ist umgekantet, aber ob er sich eingegraben hat, kannst du in dem Gemüse dort unten nicht sehen – so was von Ankerei hab’ ich noch nicht erlebt.“
„Na“, sagte Hasard gemütlich, „wieviel Trosse habt ihr gesteckt?“
„Zehn Faden.“
„Das reicht bei der absoluten Windstille hier. Belegt die Trosse. Wir haben hier guten Ankergrund. Sollte – möglicherweise durch Strömung – Zug auf die Trosse kommen, gräbt sich der Anker eh ein. Keine Sorge. Aber ein Ankerposten muß aufziehen und die Trosse immer wieder kontrollieren. Wir liegen derart geschützt, daß ein Vertreiben nahezu ausgeschlossen ist. Aufpassen müssen wir trotzdem.“
„Aye, Sir. Sollen wir die beiden Jollen aussetzen?“
„Ich bitte darum.“ Hasard kehrte zum Achterdeck zurück.
Auch die beiden Schaluppen waren in der Nähe der „Santa Barbara“ vor Anker gegangen. Sie lagen gewissermaßen kreuz und quer – wie es Schiffe vor Anker tun, wenn tatsächlich kein Hauch Wind weht. Überall wurden die Segel aufgepackt. Don Juan und Dan O’Flynn setzten zur „Santa Barbara“ über. Die Sonne war inzwischen aufgegangen.
5.
Es war nur eine kurze Besprechung. Sie konnten bis zum Dunkelwerden nicht mehr unternehmen, als die Nachbarinseln drüben im Westen zu beobachten. Leider lag die Sarangani-Insel nicht östlich querab von der Balut-Insel, sondern etwas nördlicher, so daß sie von ihrer Insel aus den Stützpunkt der Holländer an der Südküste nicht sehen würden. Aber vielleicht entdeckten sie doch etwas, das für ihre weiteren Planungen wichtig war.
Mit Proviant und Spektiven bewaffnet setzten Hasard,