Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
den Kameraden und den Frauen war.
„Ich schlage vor, Gary und Juan bringen die Ladys jetzt zu den Schaluppen“, sagte er. „Batuti und ich bleiben noch, um weiter zu beobachten. Einverstanden?“
„Du denkst an die anderen Gefangenen?“ fragte Don Juan.
„Ja. Vielleicht ergibt sich eine Chance.“
„Sie sind im Kastell eingeschlossen, offenbar in einem Kellergewölbe“, sagte Don Juan. „Ich habe versucht, die Ladys zu befragen. Mehr wissen sie nicht. Sie sind zu kurz hier.“
„Schon zu lange“, sagte Hasard grimmig. „Macht euch auf die Socken.“
„Und wenn bei euch etwas schiefgeht?“
„Dann betet für uns ein Vaterunser“, knurrte Hasard. „Mann, ich werde nervös. Das hat alles zu gut geklappt, jetzt laß uns hier nicht lange herumpalavern.“
„Paßt auf euch auf“, sagte Don Juan. Und dann zogen sie ab.
„Wenn der mal redet, dann redet er“, murmelte Hasard und spähte zum Innenhof.
Da konnte es einem schlecht werden. Sie fraßen wie die Schweine, und sie grunzten auch dazu, zwischendurch wurde gerülpst, dann war wieder das Schmatzen zu hören. Das Fett tropfte ihnen in die verwilderten Bärte und von dort in die schmutzigen Hemden. Und sie knurrten sich an, wenn einer dem anderen ein besonders schönes Stück vor der Nase wegsäbelte, was der andere selbst hatte haben wollen. Mit dem Schnaps spülten sie nach, und sie soffen unheimliche Mengen.
„Hast du irgendwo einen Posten gesehen?“ fragte Hasard.
Batuti schüttelte den Kopf. „Sie sind ziemlich sorglos – können sie auch sein, wenn man an die paar Soldaten in Davao denkt. Das ist doch der nächste spanische Posten im Umkreis von etwa hundertfünfzig Meilen. Und da sind nur ganze zwei Schaluppen stationiert.“
„Hm, wundert mich, daß sie Davao noch nicht ausgehoben haben“, meinte Hasard.
„Die stören sie doch nicht“, sagte Batuti.
Das war eine simple Erklärung, und sie stimmte wahrscheinlich. Trotzdem war die Sorglosigkeit der Holländer unverständlich, vor allem angesichts der Tatsache, daß sie vier Schaluppen verloren hatten und von ihrem Holzfällerlager südlich von Davao vertrieben worden waren. Aber das reichte wohl nicht, ihr Überlegenheitsgefühl zu erschüttern.
Im Vergleich zur Karibik herrschten in der indonesischen Inselwelt keine eindeutigen Machtverhältnisse. Wer hier eigentlich über wen regierte, das wußte Hasard nicht. Aber weder Spanier noch Portugiesen oder Holländer spielten hier eine dominierende Rolle. Hasard wußte nur, daß sie da und dort Verträge mit mächtigen Häuptlingen oder „Fürsten“ abgeschlossen hatten, die ihnen gewisse Handelsfreiheiten erlaubten, speziell beim Gewürzhandel, aber damit hatte es sich auch.
Dennoch, die blutigen Auseinandersetzungen waren programmiert, sobald diese Weißen ihre anmaßende Art hervorkehrten, wie es diese Bande dort unten bereits praktizierte. Bisher hatten die Kerle nur einfach Glück gehabt, daß ihnen noch niemand entgegengetreten war. Dadurch waren sie übermütig geworden.
Batuti stieß Hasard an. Da unten im Innenhof tat sich wieder etwas. Einer der Kerle hatte sich erhoben und torkelte in Richtung Tor. Was er vorhatte, war eindeutig, denn auch sein Abmarsch wurde von Grölen und zotigen Bemerkungen begleitet.
Aber noch zwei andere Kerle fühlten sich animiert und setzten sich in Marsch. Sie hatten es ziemlich eilig. In ihren trunkenen Hirnen spukte offenbar die Weisheit: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Oder sie gönnten dem anderen nicht den Vortritt.
Noch im Tor hatten sie zu dem anderen aufgeschlossen, und einer stellte ihm ein Bein, indem er mit dem Fuß hakte. Der Kerl fiel platt auf die Nase und brüllte wutentbrannt. Die beiden Verfolger zogen johlend an ihm vorbei.
Die Kerle auf den Kisten im Innenhof brüllten noch lauter und fanden alles furchtbar lustig, obwohl die Situation weder lustig noch spaßig, sondern einfach widerwärtig und entwürdigend war.
Sie feuerten den gestürzten Kerl an, aber den hatte ja eh der Zorn gepackt, daß er „feige von hinten“ zu Fall gebracht worden war. Er schaffte es, sich aufzurappeln und im Spurt die anderen zu erreichen. Den einen legte er ebenfalls mit Fußhaken um, dem anderen sprang er ins Kreuz wie ein Affe und prallte mit ihm zu Boden.
Die Keilerei wollten sich die Kerle im Innenhof nicht entgehen lassen, und so strömten sie johlend hinterher, schwenkten ihre Flaschen und wieherten.
Der Fußgehakte hatte sich inzwischen über die beiden Kumpane geworfen, und es war nicht mehr ersichtlich, wer jetzt gegen wen kämpfte, ihm die Haare ausriß, die Fäuste in die Visage drosch oder die Kehle zudrückte.
Die drei Kerle wälzten sich fluchend, brüllend, tretend und schlagend über- und untereinander, und die anderen tanzten im Kreis um sie herum, eine lärmende Horde von trunkenen Verrückten, von denen sich allerdings zwei jetzt heimlich davonstahlen und Kurs auf die Blockhütte nahmen.
„Es wird spannend“, sagte Hasard.
Batuti nickte, deutete jedoch zum Innenhof, der nunmehr geräumt war. „Wir könnten eindringen!“
Eine tollkühne Idee, aber Hasard verwarf sie sofort wieder. Sobald die Kerle feststellten, daß die Hütte leer war, würde der Teufel los sein, und das nicht zu knapp. Das Risiko war zu groß, und er schüttelte den Kopf.
„Zu gefährlich“, sagte er.
Die beiden Kerle hebelten den Querbalken in die Waagerechte und stürzten in die Hütte. Niemand hatte etwas bemerkt. Die Kerle johlten und tanzten weiter und amüsierten sich über die Schlägerei, die ständig neue brutale Aspekte bot.
Ihren Lärm überboten jedoch die beiden, die jetzt aus der Hütte schossen und brüllten, als stünde der Weltuntergang bevor.
Es war zu übersetzen.
„Die Weiber sind nicht mehr da!“
„Abgehauen, diese Huren!“
Der Lärm brach jäh ab, die Stille wirkte beängstigend.
Die Kerle hatten sich umgedreht und glotzten zur Hütte. Sie standen da, als seien sie alle gleichzeitig mit ihren dumpfen Schädeln vierkant gegen eine Mauer geprallt. Sie wackelten und wankten auch, aber das war eine Folge ihrer maßlosen Sauferei.
Im ersten Moment begriffen sie überhaupt nichts – die drei Schläger erst recht nicht. Der eine kniete mit gesenktem Kopf und ließ das Blut aus seiner Nase laufen. Der andere lag auf dem Rücken und litt an Bewußtseinsstörungen, und der dritte saß auf dem Hintern und polkte an einem Vorderzahn herum, der, von einer Faust getroffen, wackelte.
Dieser dritte bemerkte die Stille und nuschelte: „Wasch isch losch?“
„Die Dreckshuren sind verschwunden!“ brüllte einer der beiden Kerle vor der Hütte.
Erst diese dritte Wiederholung brachte die Kerle in Bewegung. Wie eine Brandungswelle stürmten sie vor, drängend, boxend und puffend, und sie brachen fast die Hütte auseinander.
Das Ergebnis, was die beiden anderen gemeldet hatten, blieb sich gleich. Sie konnten die Hütte auf den Kopf stellen – die acht gefangenen Badjao-Frauen waren spurlos verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Dabei war alles verschlossen gewesen.
Ja, da war’s vorbei mit der Lustigkeit. Die ersten Flüche wurden laut, Ratlosigkeit herrschte, Vermutungen wurden angestellt, ein paar begannen die anderen Hütten und Schuppen zu durchsuchen. Es konnte nicht wahr sein, so was gab’s einfach nicht. Solche primitiven Eingeborenenweiber waren doch viel zu dumm, um zu fliehen!
Einer lief ins Kastell zurück.
Jawohl – Hasard hatte ihn bisher vermißt und sich darüber gewundert. Der Häuptling dieser wüsten Horde war bei dem Sauf- und Freßgelage nicht dabeigewesen. Aber jetzt tauchte er aus dem Turmgebäude auf – Pieter Hendrik Beeveren. Marten de Groot hatte diesen Namen genannt, als er vom Kutscher