Seewölfe Paket 27. Roy Palmer
dieses Ungeheuers. Und es erklärte seine vorherige Abwesenheit. Er pflegte sich wohl privat zu verlustieren. Auch er hatte gesoffen. Seine Visage glühte, er schwankte etwas.
Die Schlampe war eingeschnappt und maulte herum. Vielleicht hatte ihr Beeveren einen Goldring versprochen, wenn sie ihm in der Nacht einen Bauchtanz vorführte oder nackt als Elfe herumhüpfte. Wie dem auch sei, die Nacht war zum Teufel, und das paßte ihr nicht.
Beeveren paßte auch einiges nicht, er brüllte sie an, sie schrie zurück, wobei ihr die Brüste vollends aus der Bluse rutschten, was den Melder zutiefst entzückte und zu Stielaugen veranlaßte – und schon reagierte Beeveren wie gehabt. Die Schlampe empfing wegen ungebührlichen Anschreiens eines Mijnheers eine schallende Ohrfeige, und der Melder wurde wegen ungebührlichen Anstierens nackter Brüste mit einem Tritt in den Hintern bestraft.
Die Schlampe kreischte hysterisch, der Melder schoß, Purzelbäume schlagend, davon. Weil Kreischen auch ungebührlich war, kassierte die Schlampe eine zweite Ohrfeige, dieses Mal auf die andere Wange. Dafür spuckte sie den Mijnheer an, und das hätte sie nicht tun dürfen. Sie flog im gestreckten Flug zurück ins Gebäude.
„Du meine Güte“, murmelte Hasard erschüttert.
Der Hackklotz namens Pieter Hendrik Beeveren marschierte über den Innenhof zum Tor und von dort auf die Blockhütte zu. Die Kerle wichen zurück, das heißt, sie traten aus dem Kinken. Sie kannten die explosive Unberechenbarkeit ihres Häuptlings.
Beeveren besichtigte das Innere der Hütte und konnte auch nur feststellen, daß sie leer war, wie nicht anders zu erwarten, denn schließlich hatten sich ja bestimmt mehr als vierzig Augenpaare von dieser Tatsache überzeugt.
Und es berührte doch merkwürdig, daß einer nach dem anderen und schließlich der Häuptling selbst das überprüfte, als hoffe er, die Entschwundenen könnten wie durch ein Wunder zurückgekehrt sein.
Es war dies ein Beispiel für menschliche Verhaltensweisen in Situationen, die von der Norm abwichen. Hasard war fast versucht, diese Kerle samt ihrem Oberschurken für Idioten zu halten. Es kam noch besser.
Beeveren tauchte wieder auf, bölkte seine Kerle an und wollte von denen wissen, wo die Weiber seien.
Ja, wenn die das nur wüßten! Sie hätten sich gefreut, es ihrem Häuptling sagen zu dürfen, aber leider, leider …
Ihr Häuptling teilte ihnen mit – brüllend versteht sich –, daß sie am Verschwinden der Weiber schuld seien, weil sie nicht aufgepaßt hätten, und dafür müßten sie eigentlich alle an die Rah gebaumelt werden – alle, verstanden?
Mit etwas Courage hätte man nun dem Hackklotz erwidern können, es empfehle sich nicht, gleich alle an die Rah zu knüpfen, denn was wollte der Pieter Hendrik Beeveren dann anstellen, wenn er mutterseelenallein war, bitte sehr!
Aber zu einer solchen Entgegnung raffte sich keiner auf. Auch fragte keiner, warum sie alle schuld seien, und wie sie besser hätten aufpassen sollen, wo doch die Hütte verriegelt und verrammelt gewesen war!
Sie schwiegen – dies allerdings in der weisen Einsicht, ihren Häuptling nicht unnötig zu reizen.
Ja, da war guter Rat teuer, obwohl im Grunde nur eine einzige Alternative blieb: nämlich nach den Verschwundenen zu suchen. Und das hätten sie längst tun sollen, statt abwechselnd in die Hütte zu stieren in der Erwartung, nun sei alles wieder gut und die Weiber hätten nur einen Spaß gemacht, als sie sich in Luft auflösten.
Doch endlich hatte einer die zündende Idee und erinnerte an jenen Kerl, der als erster davongestolpert war, um seinen Lüsten zu frönen.
Ja, wo war der denn?
Sie schauten sich um, und auch sein Name wurde gerufen.
Cornelis!
Cornelis meldete sich nicht. Er war abgängig. Sie hatten nur gesehen, daß er eine „der Huren“ aus der Hütte gezerrt und sie ins Dunkle geschleppt hatte.
„Wohin?“ brüllte Pieter Hendrik Beeveren.
Sie meinten, nach Osten, weg vom Hafen, aber das mochte keiner beschwören. Beeveren wurde schier wahnsinnig, denn das schien ihm der Schlüssel zu sein: Der „Hure“ war es gelungen, Cornelis zu überwältigen. Und dann hatte sie die anderen Weiber befreit!
Er ließ Fackeln holen. Die große Suche begann, er selbst leitete sie. Zu Hasards und Batutis Bedauern blieben zehn Kerle am Kastell zurück – zu viele für einen Handstreich.
Und da waren zwei Hunde aus einem Zwinger im Kastell gebracht worden – Bluthunde. Zwei Kerle hatten sie an der Leine und setzten sich an die Spitze der Horde, die in breiter Formation nach Osten losmarschierte.
Hasard und Batuti überprüften ihre Pistolen, denn das stand ja wohl fest: Irgendwann würden die Biester anhand der Witterung auf den Spuren merken, in welche Richtung sich die Flüchtigen gewandt hatten. Hasard traute diesen Hunden zu, daß sie in der Lage waren, die einmal aufgefaßte Spur bis zu den Schaluppen zu verfolgen.
Und dann war – wie hieß es doch? – Ende der Fahnenstange!
Batuti und er waren also gezwungen, sich den beiden Bluthunden zu stellen, wenn sie verhindern wollten, daß die Schaluppen entdeckt wurden.
Die Frage lautete, ob die Kerle nach Erkennen der Flüchtlingsspur die beiden Hunde von der Leine ließen oder festhielten und mit ihnen zusammen die Verfolgung aufnahmen. Batuti meinte, sie würden die Biester losrasen lassen, schließlich seien sie darauf abgerichtet, Flüchtlinge zu verfolgen, zu stellen und über sie herzufallen – mit abschließendem Biß in die Kehle.
„Gut“, sagte Hasard, „dann sollten wir jetzt einen Platz suchen, der uns die Sicherheit bietet, daß sie uns nicht anspringen, wir sie aber erschießen können.“
„Ein Baum“, meinte Batuti, „und besser wäre, nicht zu schießen – oder nur im äußersten Notfall –, sondern mit dem Entermesser zu kämpfen. Hieb oder Stich, das ist lautloser, Sir.“
„Da hast du recht, mein Alter. Dann mal los. Mir ist erst wohler, wenn ich auf einem Ast sitze.“
„Mir auch“, sagte Batuti und grinste.
Sie verließen ihren Beobachtungsposten und traten einen Eilmarsch an. Östlich des Hafens leuchteten die Punktfeuer der Fackeln. Deutlich war auch das Jaulen der Hunde zu hören. Da war etwas Blut in den Sand gesickert. Vielleicht hatten das ihre Nasen aufgenommen. Die Spur bis zum Kliff würden sie verfolgen. Dann war Schluß. Vielleicht war der Tote abgetrieben. Wenn nicht, würden sie ihn vermutlich bergen. Das konnte einen Zeitaufschub bedeuten.
Sie nahmen exakt denselben Weg wie beim Hinmarsch, denn auch Gary und Don Juan mit den Frauen hatten ihn benutzt. Die lieben Tierchen sollten um Himmels willen auf der Spur bleiben, damit man sich von ihnen befreien konnte.
Es war gut gewesen, daß Batuti und er zurückgeblieben waren. Sie hätten sonst nichts von der Existenz der Bluthunde gewußt, und irgendwann in der Nacht wäre das Theater losgegangen. Sicher, die Schaluppen lagen vor Anker, und die Hunde hätten es nie geschafft, an Bord zu gelangen. Aber sie hätten Krach geschlagen und wären natürlich erschossen worden.
So oder so, sie hätten mit den Schaluppen verschwinden müssen, denn es war damit zu rechnen, daß die Kerle die Schneise entdeckten, die von ihrem Rodungsplatz zu der Bucht führte. Soweit durfte es eben nicht kommen. Die Kerle durften erst gar nicht dahintersteigen, wo sie zu suchen hatten. Alles mußte für sie rätselhaft bleiben.
Hm, vielleicht war es auch gut, die beiden Hunde verschwinden zu lassen, wenn sie tot waren. Hasard erinnerte sich an eine Steilschlucht, die sie auf dem Hinmarsch passiert hatten. Das war noch zwischen den Plantagen und dem Rodungsplatz gewesen. Wenn sie die Biester dort hinunterwarfen, würde man sie nie mehr finden. Dorthin stieg kein Mensch ab.
Mal sehen.
Sie eilten an den Plantagen entlang und erreichten die Zone, wo der Dschungel begann. Batuti stoppte.
„Wir sollten sie möglichst frühzeitig abfangen“, sagte er