Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
und unsereiner würde nicht mal die Füße drin baden.“
Bruder Antonio nickte stolz. „So ist es, und warum sollten sie nicht ebenso scharf auf unseren besonderen Segen sein? Der hat im Vergleich zu unserem Elixier weder einen widerlichen Geschmack, noch stinkt er nach Knoblauch. Ich finde, wir sollten uns das ernsthaft überlegen.“
„Klar“, entgegnete Fernandez. „Ein gutes Geschäft ist allemal willkommen. Am besten, wir überlassen es Rodrigo, auf den Marktplätzen einige zündende Reden über die Wirksamkeit unserer ‚heiligen Dienste‘ vom Stapel zu lassen. Der Bursche hat was los, und die Leute lauschen wie gebannt, wenn er seine frommen Sprüche losläßt.“
Antonio Gonzales nickte zustimmend und bedachte den erwähnten Rodrigo, der gerade die Kuhl überquerte, mit einem kurzen Blick. Der Mann war groß und ausgesprochen dürr, deshalb wurde er meist nur „Sensenmann“ genannt. Er verstand es wie kein anderer, die Zuhörer zu fesseln. Rodrigo Sanchez konnte nahezu alles verkaufen, weil er stets die richtigen Worte fand.
O ja, Bruder Antonio war stolz auf seine Mannen. Dabei war es gerade der bunt zusammengewürfelte Haufen, der – wenn man einmal von den Mönchskutten absah – die „São Pedro“ als das kennzeichnete, was sie tatsächlich war: ein Piratenschiff.
Seit mehr als zwei Jahren verließen die Schnapphähne immer wieder auf der Karavelle ihren Schlupfwinkel, um Beute zu schlagen. Seit dieser Zeit war Gonzales der Kapitän des Schiffes.
Früher war es im Besitz eines französischen Kaufmanns gewesen, der als Geizkragen verschrien war. Deshalb hatte Gonzales, der die meuternde Mannschaft hinter sich wußte, ihm bei passender Gelegenheit ein Messer in den Rücken gestoßen.
Erst eine Weile danach war ihm – getreu dem alten Seeräubermotto „Tarnen und Täuschen“ – die Idee eingefallen, ein „Kloster“ zu gründen und mitsamt seinen Kumpanen unter den Deckmantel der Mönchskutte zu schlüpfen.
Antonio Gonzales prüfte mit einem raschen Blick den Stand der Sonne, dann wandte er sich abermals dem kleinen und stämmigen Fernandez zu.
„Vielleicht solltest du dich darum kümmern, daß unsere Hühnerschar in der Vorpiek was zwischen die Zähne kriegt, Miguel.“
Fernandez legte die Stirn in Falten.
„Jetzt schon?“ fragte er. „Willst du unseren gesamten Proviant an die Weiber verfüttern?“
„Das nicht unbedingt“, erwiderte Gonzales grinsend. „Aber wenn wir uns nicht selbst das Geschäft verderben wollen, müssen wir darauf achten, daß die hübschen Täubchen nicht vom Fleisch fallen. Du weißt, daß Abdullah nicht nur nach Aussehen, sondern auch nach dem Gewicht der Ware zahlt. Die Barbaresken lieben nun mal üppige Weiber, daran können wir nichts ändern.“
Über Fernandez’ Gesicht huschte ein spöttischer Zug.
„Klar, du hast recht“, sagte er. „So gesehen, sollten wir die Vögelchen sogar noch ein wenig mästen, damit sie was auf die Waage bringen.“
Die beiden Schnapphähne sprachen von den dreizehn jungen Mädchen, die sie in die Vorpiek gesperrt hatten. Sie alle waren bei dem heimtückischen Überfall auf das an der Atlantikküste gelegene Fischerdorf Santa Maria erbeutet worden.
Zu ihnen gehörte Margarida, die sie zusammen mit dem jungen Burschen namens Felipe am nächtlichen Strand überrascht hatten.
Mädchenhandel – das war der Hauptgeschäftszweig der falschen Mönche. In Gegenden, in denen man sie nicht kannte, überfielen sie entlegene Fischerdörfer, plünderten sie aus und entführten Mädchen und junge Frauen, um sie dann an die Barbaresken zu verkaufen. Vor allem Abdullah, der Algerier, zahlte gute Preise für junge und frische Ware, die er seinerseits an der nordafrikanischen Küste weiterverkaufte.
„Sag dem Koch, er soll die fettesten Sardinen zubereiten“, fuhr Antonio Gonzales fort. „Das mag fürs erste reichen. Wenn wir in unserem Unterschlupf sind, kriegen die Weiber nur noch Himmelsspeck. Das Zeug schmeckt gut und sorgt für runde Hüften.“
„Himmelsspeck“ nannte man beliebte Zuckerbäckereien aus Mandeln, Feigen, Honig, Zucker, Eiern und Gewürzen. Sie schmeckten in der Tat himmlisch und sorgten, wenn man sie reichlich genoß, für die erwünschte Gewichtszunahme.
„Ich sage Ricardo Bescheid“, entgegnete Fernandez. „Abdullah wird seine Freude an den gemästeten Täubchen haben. Was aber hast du mit dem jungen Burschen vor? Hätten wir ihn nicht besser gleich über Bord werfen sollen?“
Gonzales winkte ab.
„Er ist uns mehr oder weniger durch Zufall ins Netz gegangen. Wenn wir ihn schon durchfüttern, dann soll er auch was dafür tun. Er kann beispielsweise die Dreckarbeiten übernehmen und außerdem Rodrigo bei der Herstellung des Lebenselixiers helfen. Falls wir ihn nicht mehr brauchen, können wir ihn immer noch beseitigen oder an Abdullah verkaufen. Der Bursche scheint gesund und kräftig zu sein und dürfte auf einem afrikanischen Sklavenmarkt rasch einen Käufer finden.“
Damit war auch Felipes Schicksal vorerst besiegelt.
Um die fernere Zukunft dachte der junge Fischer aus Santa Maria jedoch nicht nach, dazu war er viel zu sehr mit der Gegenwart beschäftigt.
Nach dem nächtlichen Überfall auf sein Heimatdorf hatte man die verschleppten Mädchen zu Margarida in die Vorpiek gesperrt, er aber war in die Segellast umquartiert worden. Der Raum war klein und eng, die stickige, abgestandene Luft erschwerte das Atmen.
Felipe hockte auf einem wirren Haufen von Tauwerk und Tuch. Da es in der Kammer stockfinster war, mußte er sich ganz auf seinen Tastsinn verlassen. Die Fesseln waren ihm zwar abgenommen worden, aber das war kaum von Nutzen für ihn. Irgendwelche Werkzeuge gab es nicht.
Die Piraten hatten die Holzkiste mit den entsprechenden Utensilien wohlweislich herausgeholt, bevor sie ihn in den muffigen Raum gestoßen hatten. Es war unmöglich, das Schott von innen zu öffnen, dafür sorgte der schwere Eisenriegel, den man draußen vorgeschoben hatte.
Zunächst hatten Felipes Gedanken ausschließlich Margarida und den anderen Mädchen gegolten. Sie hatten laut geweint, als sie von den Schnapphähnen mit Zoten und höhnischen Bemerkungen in die Vorpiek getrieben worden waren.
Seine lauten Verwünschungen und Fausthiebe gegen das dicke Holz des Schotts waren von den Teufelsmönchen nicht zur Kenntnis genommen worden. Ohnmächtig vor Wut und Hilflosigkeit hatte er sich schließlich auf das ertastete Tauwerk sinken lassen und dumpf vor sich hin gebrütet.
Welche Pläne hegten diese Verbrecher? Der junge Fischer wurde halb wahnsinnig bei dem Gedanken, daß die Kerle Margarida irgend etwas zuleide tun könnten.
Und was war mit den übrigen Bewohnern von Santa Maria geschehen? Sicherlich hatte es bei dem heimtückischen Überfall Tote und Verwundete gegeben. Was war aus seiner Familie geworden – aus seinen Eltern und Geschwistern? Und wohin segelte die Piratenkaravelle?
Felipe hielt es nicht mehr aus auf dem Tauwerk. Er erhob sich und begann erneut, sich durch den dunklen Raum zu tasten. Er klopfte die Wände ab und wühlte in den offenbar recht unordentlich aufgeschichteten Tauen und in einem Stapel von Segeltuch, aber da gab es nichts, was ihm als Waffe hätte dienen können – nicht einmal einen Belegnagel oder eine Holzlatte.
Schließlich ließ er ein dünnes Stück Tau durch die Hände gleiten. Es war geschmeidiger und beweglicher als die vielen dicken Seile. Er legte es griffbereit neben sich, als er sich wieder auf seinem alten Sitzplatz niederließ.
Das nervtötende Warten und Grübeln begann aufs neue. Die Luft in Felipes Gefängnis wurde immer stickiger, ein heftiges Knurren seines Magens erinnerte ihn daran, daß er seit vielen Stunden nichts mehr gegessen hatte.
Nicht einmal einen Schluck Wasser hatte man ihm bis jetzt zu trinken gegeben. Er dachte wieder an Margarida und die anderen. Was taten sie? Hatte man wenigstens sie mit Essen und Trinken versorgt?
Die Zeit verging, die Stunden schienen nicht enden zu wollen. Außer dem Rauschen und Plätschern des Wassers, das von den Bordwänden