Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
trieben ihre beiden Gefangenen über den Strand und stoppten ihre Schritte dicht am Wasser. Dann hantierte einer von ihnen mit Flint und Feuerstein, während ihn ein anderer mit seiner weiten Kutte gegen den Wind abschirmte. Bald brannte eine winzige Fackel, mit der er kreisende Bewegungen vollführte. Die Lichtzeichen wurden auf dem Schiff rasch beantwortet. Der Mönch warf daraufhin seine Fackel ins Wasser.
Kurze Zeit danach knirschte der Kiel eines Bootes im Sand. Es war mit einigen Gestalten besetzt, die nicht in Mönchskutten steckten. Sie gaben ihren Kumpanen am Strand durch Winkzeichen zu verstehen, daß sie an Bord kommen sollten.
„Was ist los?“ fragte ein bulliger Mann, nachdem man die Gefangenen ins Boot gebracht hatte. „Wo habt ihr denn die aufgegabelt?“
Der Kerl, der die Fackel entzündet hatte, winkte ab.
„Ein Liebespärchen, das wir beim Stelldichein am Strand überrascht haben“, erwiderte er. „Ist die Kleine nicht ein süßes Täubchen?“
Der Bullige, der auf der achteren Ducht hockte, nickte und warf der zitternden Margarida einen abschätzenden Blick zu.
„Sieht ganz danach aus“, meinte er. „Hoffentlich stellt sich bei Tageslicht nicht heraus, daß sie einen Buckel und Warzen hat.“
Die Kerle zeigten ein höhnisches Grinsen.
Niemand redete mehr, während das Boot zum Schiff zurückgepullt wurde. Es war mühsam, das Rauschen der Brandung mit der Stimme zu übertönen.
Felipes Gedanken wirbelten durcheinander. Er suchte immer noch fieberhaft nach einem Ausweg, der es ihm ermöglichte, mit Margarida zu fliehen. Doch das war reines Wunschdenken. Niemand konnte gefesselt und unter strenger Bewachung über Bord springen und davonschwimmen. Das wurde ihm um so klarer, je näher und bedrohlicher die Silhouette des Schiffes auf ihn zurückte.
Es handelte sich um eine Karavelle, die genauso schwarz war wie die Mönchskutten der Kerle.
Felipe und Margarida wurden an Bord gebracht und ohne Umschweife in die Vorpiek, den untersten und dunkelsten Raum des Schiffes, gesperrt. Quietschende Eisenriegel stellten klar, daß es aus diesem Gefängnis, in dem es nach Feuchtigkeit und Moder roch, kein Entrinnen gab.
Beim Betreten des Schiffes war Felipe aufgefallen, daß die Stückpforten geöffnet und auf jeder Seite vier Kanonen ausgerannt waren. Die Karavelle befand sich demnach im Zustand der Gefechtsbereitschaft. Zudem schienen es die Kapuzenmänner eilig zu haben. Kaum waren die Kerle mit ihren beiden Gefangenen an Bord, da wurde auch schon der Anker gehievt, und man setzte die Segel.
Das Schiff nahm bald Fahrt auf, das entging Felipe auch in der Vorpiek nicht. Und da der junge Fischer zwei und zwei zusammenzählen konnte, wurde ihm rasch klar, daß das nächtliche Treiben nur seinem Heimatdorf gelten konnte.
Die Kapuzenmänner gingen nach einer ganz bestimmten Taktik vor. Während sich ein Teil von ihnen auf dem Landweg an die kleine Fischersiedlung pirschte, würde die Karavelle in die Bucht segeln und das Feuer eröffnen.
Die Bewohner mußten sich in ihrem schwachen Widerstand logischerweise auf das fremde Schiff konzentrieren, und genau zu diesem Zeitpunkt würden ihnen die unheimlichen Mönche völlig überraschend von der Landseite her in den Rücken fallen.
Felipe wurde siedendheiß bei diesem Gedanken. Es gab niemanden, der die armen Fischer von Santa Maria warnen konnte. Sie waren dem heimtückischen Angriff dieser teuflischen Kerle wehrlos ausgeliefert. Reflexartig zerrte der junge Mann an seinen Fesseln, doch dann wurde ihm abermals die Aussichtslosigkeit seiner Lage bewußt.
Zunächst brauchte ihn Margarida. Sie hatte sich sofort, nachdem der Riegel vorgeschoben worden war, schutzsuchend an ihn gedrängt. Sie konnten sich in der Dunkelheit nicht sehen und wegen der Fesseln, die ihre Handgelenke umspannten, auch nicht ertasten. Dennoch vermittelte ihnen die körperliche Nähe zumindest ein bißchen das Gefühl der Geborgenheit.
„Was haben diese Männer mit uns vor, Felipe?“ fragte Margarida. Die erste Panik war verflogen, ihre Stimme klang zwar noch ängstlich, aber gefaßt.
Der junge Mann zuckte in der Dunkelheit mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, Margarida“, sagte er dann offen. „Wir beide haben für den Augenblick wohl nichts zu befürchten, aber ich sorge mich um unser Dorf …“
„Um das Dorf?“ unterbrach sie ihn entsetzt. „Bei Gott – das darf nicht wahr sein! Hoffentlich täuschst du dich.“ In der Aufregung hatte sie völlig vergessen, daß die düstere Schar der Kuttenträger ihren lautlosen Marsch zur Bucht fortgesetzt hatte.
Das Gesicht des Mannes verzog sich in der Dunkelheit zu einem bitteren Lächeln, als er seine linke Wange an Margaridas Haar schmiegte. Er wußte, daß er sich nicht täuschte, aber er wollte das Mädchen nicht weiter beunruhigen, deshalb schwieg er.
Die Zeit verrann, Felipe verlor in der muffigen Finsternis der Vorpiek jegliches Gefühl dafür. Er wußte nicht, ob eine oder zwei Stunden vergangen waren, als plötzlich Stimmen laut wurden und die Kanonen der Karavelle zu wummern begannen.
Das Gebälk ächzte bedrohlich, und das Schiff wurde bis in die letzten Verbände erschüttert. Das Rumpeln der Geschütze, die auf den Holzlafetten zurückrollten, war in ihrem feuchten Gefängnis deutlich wahrzunehmen.
Felipe krampfte sich das Herz zusammen. Der heimtückische Überfall auf Santa Maria, sein Heimatdorf, hatte begonnen – davon war er fest überzeugt.
Margarida begann zu schluchzen. Sie dachte an ihren Vater, ihre Mutter und an ihre Brüder. Sie alle lebten in Santa Maria. Was sollte aus ihnen werden?
„Gott im Himmel – hilf ihnen in dieser schweren Stunde“, murmelte sie.
4.
Die Nebelschwaden, die Old Donegal als „Leichentücher“ bezeichnet hatte, hingen immer noch dicht über der Wasserfläche. Der Wind aus Südost war schwächer geworden, dennoch hielt die Schebecke ihren Kurs. Philip Hasard Killigrew und seine Mannen dachten nicht daran, die Luvposition aufzugeben, die für ein Gefecht immer von Vorteil war.
Und gerade damit mußten die Seewölfe rechnen, seit sie trotz des Nebels eine dickbauchige Galeone gesichtet hatten. Wie es schien, handelte es sich um ein spanisches Kriegsschiff.
Die Galeone segelte schon eine Weile auf Parallelkurs, ohne daß besondere Absichten zu erkennen waren. Kaum war sie hinter einer Nebelwand verschwunden, tauchte sie wieder auf, als hätte sie die Schebecke gar nicht zur Kenntnis genommen.
Edwin Carberry verfolgte das Spiel mit völligem Unverständnis und ballte unternehmungslustig die Hände.
„Wollen wir unter spanischem Geleit nach England segeln?“ fragte er.
„Das könnte diese plumpe Seekuh gar nicht durchhalten“, meinte Old Donegal. „Wenn wir noch ein bißchen in die Segel pusten, laufen wir ihr glatt davon.“
Die Arwenacks waren durchaus nicht scharf darauf, sich schon wieder mit den Spaniern anzulegen. Aber wenn es erforderlich werden sollte, würden sie den Dons abermals zeigen, was die wendige Schebecke hergab.
Das Schiff war klar zum Gefecht.
Das narbige Gesicht Carberrys war voller Grimm.
„Wenn die Dons nur einen einzigen kleinen Mucks von sich geben“, sagte er, „werden wir ihren Kahn in einen Trümmerhaufen verwandeln.“
Der Seewolf ließ die fremde Galeone nicht aus den Augen. So entgingen ihm auch nicht die leichten Kursänderungen, die das Schiff plötzlich vorgenommen hatte, als es wieder hinter dichten Nebelschwaden auftauchte. Es war unverkennbar nach Backbord abgefallen und schien den Kurs der Schebecke kreuzen zu wollen.
Hasard lächelte über dieses Vorhaben der Spanier.
„Dazu sind sie nicht schnell genug“, sagte er zu Ben Brighton, der neben ihm stand. „Wir werden ihnen davonsegeln, und wenn der Nebel noch länger anhält,