Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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sollten sie so rasch wie möglich loswerden“, sagte er, „denn wir müssen damit rechnen, daß sie Verstärkung erhalten. Wenn das der Fall ist, haben wir gleich wieder eine ganze Meute am Hals.“

      Die Arwenacks behielten stur ihren Kurs bei, um die Fahrt nicht zu verlangsamen. Der Seewolf wechselte einige kurze Worte mit Al Conroy und gab dann Pete Ballie, dem Rudergänger, die letzten Anweisungen. Die Mannen an den Geschützen bliesen in die Glut der Holzkohlenbecken, um die Ergiebigkeit ihrer Feuerquellen zu bewahren.

      Hasard hob immer wieder das Spektiv ans Auge und blickte zu der Galeone hinüber.

      „Es handelt sich unverkennbar um eine Kriegsgaleone“, sagte er, „da bin ich mir völlig sicher. Die Kanonen sind ausgerannt, es kann nicht schaden, wenn wir ihnen zuvorkommen.“

      „Von mir aus kann das Tänzchen beginnen, Sir“, ließ sich Carberry vernehmen. „Ein Strauß Feuerblumen ist für diese Rübenschweine immer ein angemessenes Geschenk.“

      Auch Old Donegal wurde kribbelig.

      „Ed hat völlig recht“, erklärte er. „In meiner Drehbasse blühen lauter Vergißmeinicht, und er hat die dazugehörigen Sumpfdotterblumen im Rohr.“

      Die Schebecke lief voller Fahrt, in Kürze würde sie an der schwerfälligen Galeone vorbeisegeln.

      Das schienen die Spanier um jeden Preis verhindern zu wollen. Kaum waren sie auf Schußweite heran, und die Nebelfetzen gewährten wieder etwas Sicht – da stachen an der Backbordseite der Kriegsgaleone grelle Feuerzungen in die Nacht. Ein dumpfes Brüllen folgte, dann war nur noch das Aufschäumen von Wasserfontänen zu hören, und zwar noch ein ganzes Stück vor dem Bug der Schebecke.

      „Sie waren etwas zu voreilig“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich ist ihnen bewußt geworden, daß wir in der Lage sind, ihnen einfach davonzusegeln, und das wollten sie verhindern.“

      „So ist es“, bestätigte Ben Brighton. „Aber mit dieser Art Hektik können sie keinen Kampf gewinnen.“

      Der Seewolf warf einen letzten Blick durch das Spektiv.

      „Und jetzt, Gentlemen, sind wir an der Reihe.“ Er wandte sich an den Stückmeister. „Al – Steuerbordgeschütz Feuer frei!“

      Die brennenden Lunten senkten sich auf die Zündkanäle der Culverinen, und Sekunden später entluden sich die schweren Geschütze mit ungeheurem Donner. Sechs riesige Feuerblumen blühten an den Mündungen auf und stießen der spanischen Galeone die siebzehn Pfund schweren Eisenkugeln mit höllischer Wucht entgegen.

      Die Schebecke bäumte sich wie von einer unsichtbaren Faust geschüttelt auf, dann fingen die Brooktaue die zurückgleitenden Kanonen auf.

      Bei den Dons war im Handumdrehen der Teufel los. Das Splittern und Bersten von Holz war deutlich zu hören, und ebenso das nachfolgende Gebrüll.

      Der Seewolf riß den Kieker ans Auge.

      „Etwas Genaues ist nicht zu erkennen“, sagte er. „Aber der Wuhling nach haben wir ihnen einige prächtige Schrammen verpaßt.“

      Sein nächster Befehl galt den Männern an den Drehbassen.

      „Und jetzt die Vergißmeinicht und Sumpfdotterblumen!“ rief er.

      Smoky, Jack Finnegan, Carberry und Old O’Flynn reagierten sofort.

      Noch bevor sich weitere Nebelschwaden vor die Kriegsgaleone schoben, begannen die schwenkbaren Geschütze vorn und achtern zu dröhnen. Und mitten in das Wummern hinein ertönte der Kampfruf der Seewölfe.

      Mehr war nicht nötig.

      Die leichte und wendige Schebecke war jetzt platt vor dem Wind an der Galeone vorbeigesegelt, und wie es schien, hatten die Dons zur Zeit anderes zu tun, als an die Verfolgung fremder Schiffe zu denken.

      „Sie suchen jetzt nach den passenden Vasen für unsere Blumensträuße“, spottete Al Conroy.

      Kurze Zeit später verschwand die Schebecke hinter dem grauen Dunst der „Leichentücher“. Die Gefahr war gebannt, von seiten der Kriegsgaleone hatten die Arwenacks nichts mehr zu befürchten. Dennoch vergaßen sie keinen Augenblick, daß der Golf von Cádiz „ein heißes Pflaster“ für sie war.

      Der Nebel begann sich bei Tagesanbruch aufzulösen. Die aufsteigende Sonne zerriß auch noch den letzten Rest des grauen Dunstes. Der Wind hatte gedreht und wehte aus südlicher Richtung.

      Die Schebecke behielt ihren Kurs bei und segelte über Steuerbordbug liegend am Cabo de São Vicente, der weit in den Atlantik hineinragenden Südspitze Portugals, vorbei.

      Die kabbelige Wasserfläche bot in der Morgensonne einen friedlichen Anblick. Philip und Hasard junior, die Zwillingssöhne des Seewolfs, waren in den Ausguck aufgeentert und behielten die Umgebung im Auge. Aber es gab nichts zu melden, weit und breit war kein fremdes Schiff zu sehen.

      Die Arwenacks hatten nichts gegen einen ruhigen Morgen einzuwenden, zumal die Kojen während der vergangenen Nacht ohnehin meist leer geblieben waren.

      Während der Kutscher und Mac Pellew noch in der Kombüse arbeiteten, um das Frühstück zuzubereiten, schlich sich Paddy Rogers nach achtern. Er fand den Seewolf bei Gary Andrews, der Pete Ballie als Rudergänger abgelöst hatte.

      „Was ist, Paddy?“ fragte Hasard.

      Der bullige Kerl starrte verlegen auf die Planken.

      „Es – es ist jetzt hell genug, Sir“, sagte er. „Wenn ich vielleicht mal einen Blick in den Spiegel werfen könnte …“

      „Dem steht nichts im Wege, Paddy“, erwiderte Hasard und bemühte sich, ein Lachen zu unterdrücken. „Das Glas liegt bei den Seekarten. Aber wenn du mich fragst – jetzt, bei Tageslicht, ist von Schlitzaugen nichts zu sehen. Der gute Ed hat bestimmt gewaltig übertrieben.“

      Wenig später hielt Paddy den kleinen Spiegel in der Hand und starrte mit zusammengekniffenen Augen hinein.

      „Ich – ich weiß nicht“, stotterte er, „wie ein Chinese sehe ich zwar nicht aus, aber meine Klüsen sind doch ganz schön langgezogen.“

      Jetzt lachte Hasard.

      „Kein Wunder, wenn du sie so zusammenkneifst, als würdest du in die Sonne sehen. Du mußt deine Gesichtszüge entspannen und ganz locker in den Spiegel schauen.“

      Paddy gab sich große Mühe, schnitt zur Lockerung einige Grimassen, rümpfte die prächtige Knollennase und machte dann erneut die Probe aufs Exempel.

      „Tatsächlich!“ rief er verblüfft. „Die Schlitzaugen sind verschwunden. Richtig schöne, runde Klüsen habe ich jetzt. Du hattest recht, Sir, man darf die Dinger nicht so eng zusammenkneifen.“ Paddy fühlte sich von drückenden Lasten befreit, als er Hasard den Spiegel zurückgab. „Und wenn Mister Carberry jetzt noch mal behauptet, ich hätte Schlitzaugen, dann flechte ich ihm einen Chinesenzopf.“

      Als Paddy zum Vorschiff zurückkehrte, fühlte er sich wie neugeboren. Er rollte kräftig die Augen und versuchte immer wieder, durch Mund- und Nasenbewegungen die Gesichtszüge zu entspannen.

      Das allein war Grund genug für den Profos, der auf einer Taurolle hockte und Sir John, dem Bordpapagei, den Kopf kraulte, seinerseits die Klüsen zusammenzukneifen.

      „Was hast du denn für einen Blick drauf, he?“ fragte er Paddy.

      „Auf jeden Fall keinen chinesischen“, erwiderte Paddy spitz. „Schau doch mal meine Klüsen an, Mister Carberry. Was du das siehst, sind prächtige runde Kulleraugen – so rund wie Kanonenkugeln. Und wenn du jetzt mal einen Blick in den Spiegel werfen würdest, könntest du leicht feststellen, wer von uns beiden Schlitzaugen hat.“

      Paddy hob den Kopf und setzte seinen Weg fort. Dabei schien es ihn ungeheuer zu beflügeln, daß er sich bei den Gelbmännern im fernen Osten weder mit Schlitzaugen noch mit irgendwelchen Zöpfen angesteckt hatte.

      Der Profos knurrte etwas von „Rundklüsen“ und „wilden Gesichtszuckungen“


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