Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
auf. „He?“
„Ich sage, du sollst es nicht berufen.“
„Wie denn – was denn?“
„Hähne, die tagsüber krähen, holt am Abend der Fuchs.“
Matt grinste. „Es geht doch auf den Abend zu …“
„Egal. Man soll nie so übermütig sein.“
„Verdirb mir nicht den Spaß am Fest, Mann“, sagte Matt Davies drohend. „Das ist unfair, Donegal. Klopf deine Sprüche woanders, meinetwegen beim Kutscher oder beim Moses. Aber laß mich mit deiner Unkerei in Ruhe.“
„Spiel dich nicht so auf, Matt Davies“, fauchte der Alte. „Sonst schnall ich mein Holzbein ab und laß es auf deinem Rücken tanzen.“
Matt, der keiner Rauferei aus dem Weg ging, stand vom Rand der Kuhlgräting auf. „Dann mal los. Knüppel aus dem Sack. Wollen doch mal sehen, wie weit du kommst, Old Hinkebein.“
„Paß auf, wie du sprichst, du einarmiger Hurenbock“, zischte Donegal.
Carberry war zur Stelle und hieb dem Alten auf die Schulter, daß es dröhnte. Erstaunlich war, daß O’Flynn trotzdem das Gleichgewicht hielt und nicht einmal zusammenzuckte.
„Los, alter Nörgelpott!“ grölte der Profos. „Wir reißen ein Faß auf, daß die ‚Isabella‘ wackelt.“ Er zog O’Flynn mit sich fort, und die Angelegenheit verlief im Sande.
Carberry ging mit dem alten Donegal zum Seewolf aufs Quarterdeck, blieb stehen und sagte. „Sir, es ist besser, wenn wir die Rum- und Whiskyvorräte jetzt unter Verschluß nehmen. Das Ganze artet sonst in ein Besäufnis aus.“ Er selbst war stocknüchtern, obwohl er mindestens eine Viertelgallone Whisky in seinen Rachen gekippt hatte. Er konnte wüste Mengen vertragen.
„Gut“, entgegnete der Seewolf. „Der Kutscher und Will Thorne sollen das übernehmen und die noch vollen Flaschen wegschaffen. Ed, du überwachst das Ganze, damit es kein Hickhack gibt.“ Hasard lächelte. Er fand die Angelegenheit amüsant, wußte gleichzeitig aber auch, wie gefährlich sie sich entwickeln konnte.
Old O’Flynn atmete auf. „Endlich mal einer, der zur Vernunft kommt. Ich sage ja, bald haben wir nichts mehr zu lachen, ob ihr’s nun glauben wollt oder nicht.“ Mit der rechten Krücke wies er nach Nordosten.
Hasard und der Profos blickten in die angegebene Richtung und sahen, was sich über dem Horizont zusammenbraute. Schwarze und graue Wolkengebilde schoben sich klumpenförmig ineinander und türmten sich auf.
„Solange der Wind aus Nordwesten bläst, brauchen wir uns keine grauen Haare wachsen zu lassen“, sagte Carberry. „Wir haben gute Fahrt drauf und segeln dem Wetter mühelos davon.“
„Der Wind springt bald um“, orakelte der Alte.
„Hör auf …“
„Wir kriegen was aufs Haupt. Ich schwöre euch, diesmal packt uns ein Taifun.“ Old Donegal konnte es nun mal nicht lassen.
Ed Carberry stieg wieder auf die Kuhl hinunter und kümmerte sich um die „Trockenlegung“ der Crew. Ganz ohne Komplikationen lief das nicht ab. Bob Grey merkte, wie der Kutscher heimlich eine ungeköpfte Flasche Rum wegschaffen wollte.
Er protestierte lautstark, und als der Profos drohend anrückte, erklärte er: „Wir brauchen doch noch was, um Lukes Glatze zu begießen. Wie sollen da sonst jemals wieder Haare sprießen?“
Carberry griff hart durch und verschaffte sich wieder den erforderlichen Respekt. Anders ging es nun mal nicht. Dies war eine Meute salzgewässerter Rauhbeine, kein frommer Verein wie Sun Los Klosterschüler. Die Beachcombers hatten sich schon lange nicht mehr richtig ausgetobt, und da war es nicht gerade einfach, sie wieder an die Kandare zu kriegen.
Am besten kam Dan O’Flynn bei der Sache weg. Er hockte im Großmars und hatte die ihm zugeteilte, zumutbare. Ration Rum noch nicht halb verkonsumiert – obwohl er Arwenack, den Schimpansen, an der Schluckerei teilhaben ließ. Kein Profos erschien, um die beiden um ihren Schnaps zu bringen. Und so tranken sie seelenruhig und ganz gemächlich weiter, während unten auf Deck die Crew bereits lange Gesichter hatte.
Dans Vater hatte unterdessen das Ruderhaus aufgesucht und belästigte den Rudergänger Pete Ballie mit seiner Schwarzmalerei. Pete ließ es über sich ergehen. Er gab auf Old Donegals Gerede genausowenig wie die anderen.
Nur Hasard stand inzwischen am Schanzkleid des Hecks und spähte nach Nordosten. So ganz aus der Luft gegriffen war O’Flynns düstere Vorausschau nicht. Er wußte sie nur nicht glaubhaft vorzutragen.
Die Windrichtung konnte sehr schnell wechseln, gerade hier. Mehrfach waren die Seewölfe vor den Tücken der Chinesischen See gewarnt worden, zuletzt von Sun Lo. Hasard unterschätzte diese gutgemeinten Hinweise nicht, und es tat ihm jetzt, am Spätnachmittag, fast leid, der Mannschaft einen zünftigen Umtrunk gestattet zu haben.
In ihrer Euphorie neigten sie eher dazu, alles zu bagatellisieren. Mit einem Wetterumschwung rechneten sie nicht. Dazu war die Ausgelassenheit auf Deck noch viel zu groß.
Aber irgendwo hört der Spaß bekanntlich immer auf. Er endete irgendwo zwischen Formosa und den Batan-Inseln, die Luzon im Norden vorgelagert waren. In der Dämmerung schralte der Wind. Er pfiff nun tatsächlich aus Nordosten – und die See wurde kabbelig. Die „Isabella“ begann in der See zu schwanken und zu taumeln, und das Wetter verschlechterte sich von Minute zu Minute. Es wurde zunehmend kälter. Im Einfallen der Dunkelheit heulte ein fast eisiger Wind in den Luvwanten und Pardunen der „Isabella“, ein Sturm, wie er schneidender nicht über den Nordatlantik hätte toben können.
Die Galeone wurde geschüttelt, sie tauchte in immer tiefere Wogentäler. Ein schwerer Sturm rollte von Nordosten an und setzte das Schiff gefangen, aber er schien seinen Höhepunkt bei weitem noch nicht erreicht zu haben.
Ja, der alte O’Flynn behielt wirklich recht.
Die „Isabella“ geriet in einen höllischen, vernichtenden Taifun.
6.
Plötzlich war die Crew stocknüchtern. Alle die abfälligen, verächtlichen Kommentare wie „Wir haben schon ganz andere Stürme abgeritten“ blieben den Männern im Hals stecken. Denn daß dieses Wetter nicht mit alldem zu vergleichen war, was sie bisher erlebt hatten, wurde ihnen schnell klar. Illusionen schufen sie sich nicht, dazu waren sie zu erfahren. So schnell abklingen, wie es herangerast war, würde dieses Sturmtosen ganz gewiß nicht.
Dan O’Flynn auf seinem luftigen Posten hatte sich von der leeren Rumflasche getrennt, und jetzt schickte er sich an, den Großmars zu verlassen. Wild schwang der Hauptmast, Dan hatte Mühe, sich festzuklammern. Er kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen darum, nicht in die See geschleudert zu werden.
Arwenack hatte ähnliche Schwierigkeiten. Er enterte klagend in den Leewanten ab. Dan hangelte dicht über ihm. Er war um die Nasenspitze herum bleich geworden. Fast hätte er den richtigen Augenblick, die letzte Chance versäumt, den Großmars zu verlassen. Jedes weitere Zögern hätte ihn den Kopf gekostet, denn im Taifun hielt sich höchstens noch ein Wunderwesen, das mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet war, in dem verdammten Großmars.
Aufatmend erreichte Dan die Kuhl. Er half mit, die Manntaue zu spannen. Carberrys Gebrüll klang in diesen Sekunden richtig anheimelnd. Dan war froh, mit heiler Haut davongekommen zu sein. Der Rum, der eben noch seinen Geist sanft umnebelt hatte, verflog wie ein Dunsthauch unter der Sonnenglut.
Der Seewolf hatte mitgeholfen, Pete Ballie im Ruderhaus festzubinden. Jetzt hangelte er an den Manntauen übers Quarterdeck.
Er stieg zu Dan auf die Kuhl hinunter und rief ihm zu: „Keine Insel in Sicht, nicht wahr, Dan?“
„Keine. Sonst hätte ich es dir gemeldet.“
„Natürlich. Wir müssen uns durchboxen!“
„Ja!“ rief Ben Brighton, der oben an der Five-Rail