Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
werden jetzt so vorgehen“, sagte er. „Nehmt eins der Beiboote. Bemannt es. Do Velho, Sie leiten das Unternehmen. Goncalves, Sie führen unsere Leute zu der Stelle, an der die ‚Sao Paolo‘ vor Anker gelegen hat. Taucher sollen sich vergewissern, welche Version nun die richtige ist.“
Eine Stunde später war auch dies geschehen. Beinah triumphierend verkündete do Velho auf der „Bahia Blanca“ das Ergebnis seiner Nachforschungen. Er war selbst mitgetaucht, um Solidarität und Gründlichkeit hervorzukehren – und er hatte die „Sao Paolo“ auf dem Grund des Meeres ruhen sehen.
„Wir können sie nicht bergen“, erklärte er. „Nicht so. Wir benötigen mehr Schiffe und Spezialausrüstungen.“
Der Kommandant schüttelte den Kopf. „Nein. Ich plane nichts in der Richtung. Wir müssen den Seewolf fassen, das ist vordringlich.“
„Er ist noch auf der Insel“, stieß Goncalves hervor.
„Wir müssen landen!“ Vincenzo Cunhal schrie es.
„Wir schießen jeden nieder, der sich uns in den Weg stellt“, fügte Braga de Sor erbittert hinzu.
Ihre Ausrufe rangen Silvan da Odemira nur ein freudloses Lächeln ab.
„Nein“, sagte er noch einmal. „Sie irren sich, Senhores. Der Gegner Spaniens und Portugals, des Vereinigten Königreiches, ist fort. Ich ahne, wohin er unterwegs ist. Darum werden wir nicht auf Formosa landen, sondern unsere Fahrt unverzüglich fortsetzen. Ich weiß, ich weiß, das weicht erheblich von unserer ursprünglichen Order ab. Aber ich frage Sie, was ist wichtiger? Formosa zu besetzen und die Mönche zu unterwerfen – oder Killigrews schimpflichem Werk ein Ende zu setzen?“
Do Velho fand, daß der Kommandant Veranlagungen hatte, die ihm eine Karriere als Hofschauspieler gesichert hätten.
Ungefähr im gleichen Tonfall und mit derselben gedrechselten Ausdrucksweise antwortete er: „Wir müssen die Spur des Seewolfs wiederfinden, mi comandante. Das Unternehmen Formosa kann zweifellos warten.“
„Richtig, do Velho. Ich weiß, daß Sie zu den fähigsten Männern zählen, die die Armada von morgen vielleicht in einen entscheidenden Kampf gegen England führen. Wohin hat sich der Feind Ihrer Meinung nach gewandt?“
„Nach den Philippinen“, erwiderte do Velho, ohne zu überlegen.
„Absurd“, erwiderte Goncalves. „Er müßte ja wahnsinnig sein …“
„Er tut immer das, was man am wenigsten von ihm erwartet“, sagte Lucio do Velho gelassen. „Ich kann nur raten, an der Ostküste von Formosa entlangzusegeln. Ja, dort stoßen wir wieder auf die ‚Isabella‘, nicht auf der Westseite. Der Seewolf hat den einfacheren Weg gewählt. Er weiß, daß wir nicht von ihm ablassen.“
„Das ist genau meine Meinung“, pflichtete der Kommandant des Verbandes ihm bei, obwohl er ganz und gar nicht sicher gewesen war, welche Richtung er einschlagen solle. „Segel setzen!“ rief er dann. „Wir gehen auf Ostkurs, bis das Nordostkap erreicht ist.“
Lucio do Velho begab sich mit Vincenzo Cunhal zurück auf die „Bahia Blanca“. Dort sollte er auf da Odemiras Geheiß hin zunächst bleiben.
Do Velho verging nicht vor Haß gegen den Seewolf, er spürte die alte Kaltblütigkeit und Abgefeimtheit in sich zurückkehren. Das Verlangen, sich die Belohnung zu verdienen und auf der Karriereleiter aufzusteigen, stand weit über seinen Rachegefühlen gegen Philip Hasard Killigrew und dessen Crew.
Aus Berechnung war er zu einem der grimmigsten Seewolf-Hetzer geworden. Und noch etwas: Er sah sich vor der ehrenvollen Aufgabe, Manila vor dem Seewolf zu warnen und zu schützen. Silvan da Odemira überging er im Geist – er, do Velho, wollte alles daransetzen, möglicherweise vor der „Isabella“ in Manila zu sein und dort wieder eine Falle aufzubauen, eine neue, bessere Falle, aus der es kein Entrinnen mehr gab.
Ob es gelang, stand noch in den Sternen.
In einem aber war do Velho völlig überzeugt. Manila war das Ziel des Seewolfs. Er würde nicht daran vorbeisegeln. Niemals. Die Verlockung war zu groß. Ein Raid wie dieser mußte einen Mann von Killigrews Format reizen.
Noch am späten Nachmittag dieses Tages gelangten die „Bahia Blanca“ und die „Santa Luzia“ an die Ostküste von Formosa. Von der „Isabella VIII.“ war zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Mastspitze zu sehen, weder an der östlichen noch an der südlichen Kimm.
Die Stimmung an Bord der großen Galeone war grandios. Zwölf Flaschen waren bereits entkorkt und geleert worden, und von den Kuchen, die der Kutscher schon vor Formosa in der Kombüse gebacken hatte, war kein Krümel übriggeblieben. Ja, Arwenack und Sir John hatten sogar ihre liebe Not gehabt, etwas von dem Gebäck zu ergattern.
Jeff Bowie hatte inzwischen kein Fieber mehr, seine Wunde an der rechten Schulter verheilte schnell und bot laut Auskunft des Kutschers keinerlei Anlaß zu Bedenken. Al Conroys Gehirnerschütterung war schon gar nicht mehr der Rede wert.
Stenmark hinkte zwar noch mit seinem verwundeten rechten Bein, er hatte bei dem Gefecht gegen die Portugiesen Splitter abgekriegt. Aber er war im großen und ganzen wieder auf dem Damm. Bei den Ausbesserungen am Schiff hatte auch er tüchtig mitgeholfen.
Die Rippen, die er sich geprellt hatte, setzten Big Old Shane noch ein bißchen zu, aber er scherte sich den Teufel darum, bewegte sich, wie es ihm paßte, und trank Rum und Whisky.
Luke Morgan wurde immer wieder aufgezogen. Er hatte sich nämlich seines Kopfverbandes entledigt – und darunter glänzte eine wunderschöne Glatze. Der Kutscher hatte ihm zu totalem „Kahlschlag“ verholfen, weil er anders die Kratzer auf Lukes Schädel nicht hätte verarzten können. Luke ließ die Witze, die die Kameraden rissen, geduldig über sich ergehen, auch Carberrys Bemerkung, Will Thorne, der Segelmacher, könne ja versuchen, dem armen Luke ein paar Bündel Garn aufs Haupt zu nähen, damit Ersatz da wäre. Was sollte Luke sonst tun? Er seufzte und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche.
Matt Davies wischte sich die Lippen mit dem Handrücken ab. „Eine satte Weihnachtsfeier ist das. So gemütlich haben wir’s schon lange nicht mehr gehabt.“
„Jetzt fehlt uns nur noch ein Fettkloß wie Nathaniel Plymson, einer, den man ordentlich durch die Mangel drehen kann“, sagte Bob Grey grinsend. Er wandte den Kopf und blickte wie zufällig zu Bill, dem Schiffsjungen. Der zog sich vorsichtshalber ein Stück zurück und suchte die Nähe Carberrys.
Carberry war ein rauher Geselle, aber Bill pflegte er meistens väterlichbesorgt unter seine schützenden Fittiche zu nehmen, wenn jemand auf den Moses losging.
Sam Roskill, nach gut einer Flasche Rum leidlich angeheitert, vollführte eine wegwerfende Handbewegung. „Brauchen wir nicht. Wir amüsieren uns auch so prächtig. Ja, wenn uns ein gütiger Geist einen Schwung Weiber an Bord zaubern würde, wäre das was anderes. Ho, dann würden wir hier die Mäuse auf dem Tisch tanzen lassen und …“
„Es ist Weihnachten“, sagte der Kutscher. „Habt ihr das vergessen?“
„Na und?“ Sam war verblüfft.
„Kein Fest zum ’rumhuren“, erklärte Matt Davies. „Das meinst du doch, Kutscher, oder?“
„Mann“, sagte Sam Roskill. „Halt die Luft an und red kein dummes Zeug, Kutscher. Kaplan hättest du werden sollen, Bordapostel, das wäre das richtige für dich gewesen.“
Der Kutscher wollte aufbrausen, was eigentlich sonst nicht in seiner Art lag. Aber der Schnaps hatte auch sein Gemüt angeheizt. Luke Morgan schien unterdessen auch auf die Palme steigen zu wollen, denn er wurde schon wieder von Stenmark und Batuti wegen seiner Glatze durch den Kakao gezogen. Bis jetzt hatte er sich zusammengenommen, aber er konnte seinen Jähzorn nun nicht mehr bremsen.
Matt rieb sich die Hände. „Sehr gut, das gibt bestimmt gleich eine Keilerei. Was für eine schöne Feier.“
Old Donegal Daniel O’Flynn, der schon seit einiger Zeit mit seinen Krücken über die Kuhl stakte, blieb vor Matt stehen.
„Mal