Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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stark dieses Orgeln und Wüten sich noch entwikkelte?

      Hasard hatte seemännische Bücher, in denen ein Taifun als ein „heftiger, in der Chinesischen See vorherrschender Drehsturm“ beschrieben wurde. Das war eine geradezu milde Bezeichnung. „Taifung“, dieses Wort stammte aus dem Chinesischen und bedeutete soviel wie „großer Wind“. Aber auch das war nicht ausreichend, um die Wucht und Ungeheuerlichkeit eines solchen Wetters wiederzugeben.

      Ein Mann namens Coelius hatte es jüngst in einem schriftlichen Bericht bildhafter ausgedrückt: „Erschröckliche Ungestüme, die man Tifun nennt, die vierundzwanzig ganze Stunden währen.“

      Jawohl – sie konnten auf etwas gefaßt sein.

      Wie viele Minuten waren vergangen, fünf, zehn? Hasard wußte es nicht, und er grübelte auch nicht darüber nach. Taifun und Finsternis bildeten einen grausigen Verbund und fielen wie Monstren über das Schiff und seine Mannschaft her. Die Nacht war nicht mehr der traute Verbündete der Seewölfe, es war, als wäre man einem Verrat anheimgefallen.

      Hasard hatte die Sturmsegel setzen lassen. Während das Deck unter ihm schlingerte und er Mühe hatte. sich zu halten, blickte er immer wieder zu den Masten auf. Sie knackten und knirschten bedrohlich, und wenn die schweren Brecher gegen die „Isabella“ krachten, tönte es bis in die tiefsten Verbände, als müsse die Galeone jeden Augenblick zerbersten.

      „Hölle und Teufel!“ brüllte Ferris Tucker. „Gerade haben wir den Kahn so schön instand gesetzt — und jetzt das! Das nächste Mal rühren wir keinen Finger mehr für die Scheißlady, das kommt aufs selbe heraus.“

      Keiner lachte darüber. Alle hatten begriffen, welchen Ernst die Lage hatte. Es fiel auch keinem der Männer ein, noch länger über Old Donegal Daniel O’Flynn und dessen Unkerei herzuziehen. Bei der Annäherung an die „Sao Fernao“ hatte der Alte recht gehabt – es war eine Falle gewesen. Diesmal hatte er wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja, hatten sie denn wirklich ernsthaft angenommen, er gehöre zum alten Eisen und leide unter Verkalkung?

      „Ben!“ schrie der Seewolf. „Shane, Ferris, Ed!“

      „Sir?“ meldete sich der Profos aus der Gischt über der Kuhl. Auch Brighton, Tucker und der ehemalige Schmied von Arwenack-Castle antworteten.

      „Wir bringen achtern eine Trosse aus!“ brüllte Hasard gegen das Tosen des Taifuns an. „Alle verfügbaren Männer zu mir!“

      Wenig später fierten sie die armdicke Trosse durchs Hennegat ab und befestigten ihre Enden in einem tiefliegenden Raum des Achterkastells. Die Trosse bildete im Kielwasser der „Isabella“ eine riesige Schleife. Diesen Trick hatte Hasard von seinem Pflegevater John Killigrew gelernt, und er wandte ihn nicht zum erstenmal an. Schon mehrfach hatte die Trosse im Sturm den gewünschten Erfolg gezeitigt und dem Schiff mehr Stabilität und eine ruhigere Lage in den aufgewühlten Fluten verliehen.

      Nicht im Taifun.

      Kaum hatten Hasard und seine Helfer die Trosse nach allen Regeln der Kunst um die Balken des Achterkastells belegt, da wurden sie von einer unsichtbaren Kraft gepackt und durcheinandergeschleudert. Sie stießen sich die Köpfe, Gliedmaßen und Leiber, sie fluchten, was das Zeug hielt, aber an der Situation vermochten sie auch nichts zu ändern.

      Noch heftiger hatte der Taifun die große Galeone gepackt.

      Hasard rappelte sich als erster wieder auf und stürmte nach oben. Er wurde nach rechts gerissen, glitt auf den Stufen eines Niederganges aus und stürzte. Hätte er sich nicht blitzschnell mit den Händen abgestützt, wären ihm mindestens ein paar Beulen und Abschürfungen sicher gewesen.

      Er erhob sich wieder und taumelte nach oben. Der Weg glich dem Herumirren eines Stockbetrunkenen, eines Fallsüchtigen, der Seewolf konnte sich nicht dagegen wehren. Zu wild schlingerte die „Isabella“. Fast verzweifelt kämpfte er sich bis auf die Kuhl vor. Er hatte Glück, gleich eins der Manntaue zu fassen zu kriegen, sonst wäre er von einem eben über Deck rauschenden Brecher zweifellos erfaßt und außenbords gerissen worden.

      Ein rascher Blick in die Höhe zeigte ihm, daß die Sturmsegel in Fetzen hingen. Bedrohlich bogen sich die Maststengen im Wind. Beten, dachte Hasard, hier nutzt nur noch beten … Im selben Moment erklang auf dem Quarterdeck ein Schrei. Hasard setzte sich wieder in Bewegung. Er klomm einen glitschigen, steilen Hang hoch und hatte kaum noch ein Empfinden dafür, daß dies das Kuhldeck, dies sein Schiff war. Es brüllte, dröhnte und donnerte, unter ihm schien die „Isabella“ ein diabolisches Eigenleben zu entwickeln, und der Hang verwandelte sich in eine gefährliche, abschüssige Landschaft.

      Hasard klammerte sich wieder fest, rutschte am Manntau und erreichte mit den Füßen das Backbordschanzkleid. Hier und da sah er die Gestalten von Männern aus Schaum und Gischt auftauchen.

      „Räumt das Deck!“ schrie er ihnen zu. „Bringt euch in Sicherheit, verdammt noch mal! Es hat alles keinen Zweck mehr!“

      Mit verbissener Miene kletterte er den Niedergang zum Quarterdeck hoch. Im nachhinein war ihm später nicht mehr ganz klar, wie er das Ruderhaus erreicht hatte. Mehr kriechend als aufrecht dahinstolpernd gelangte er jedenfalls hin. Nur Pete Ballie konnte den Schrei ausgestoßen haben.

      Hasard fühlte, wie eine eisige Hand nach seinem Herzen griff.

      Das Ruderhaus war nur noch ein Trümmerhaufen. Ein besonders starker Brecher mußte es zermalmt haben, oder der elende, verfluchte Drehwind hatte an dieser Stelle solche Macht gehabt, daß er das Ruderhaus glatt zerfetzt hatte.

      Hasard räumte die Trümmer auseinander, er war wie besessen am Werk, riskierte, von Bord gespült zu werden, und bemerkte nicht, wie jetzt auch Ben, Ferris, Carberry und Smoky eintrafen, um ihm zu helfen.

      Sie legten Pete Ballie frei.

      Pete war immer noch festgebunden, das war sein Dilemma. Er lag unter dem zerborstenen Ruderrad begraben und stieß die unflätigsten Verwünschungen aus. Hasard zog sein Messer, zerschnitt das Haltetau und half seinem Rudergänger, aus der lebensgefährlichen Falle zu kriechen.

      „Hast du dir was gebrochen?“ schrie Ben Brighton.

      „Weiß ich nicht!“ brüllte Pete keuchend zurück.

      „Das mußt du doch wissen!“ schrie der Profos.

      „Ich hab mich noch nicht gefragt!“ rief Pete Ballie, und es klang verzweifelt.

      Dann leuchtete ihm ein, was für einen Witz er losgelassen hatte, und er lachte mit Hasard und den anderen. Ja, sie lachten, im mörderischsten Taifun wollten sie sich plötzlich ausschütten vor Lachen. Es war ein wildes, fast irrsinniges Lachen, das ihre Gefühle freilegte. Die Seewölfe heulten gegen das Orgeln der entfesselten Naturgewalten an, aber sie hatten keine Hoffnung mehr, aus dem Chaos zu entkommen.

      Sie arbeiteten sich auf Hasards Wink hin zum Niedergang und krochen auf die Kuhl hinunter. Das Quarterdeck war ein gefährlicher Platz, auf dem sie sich auf die Dauer nicht halten konnten. Die Kuhl bot kaum größere Chancen, den Hieben von Sturm und See zu trotzen, aber von dort aus gelangte man durchs Schott ins Achterkastell. Unter Deck lag die letzte Hoffnung. Sie hieß, nicht allein inmitten der Fluten zu ersaufen, sondern mit der „Isabella VIII.“, ihrer guten alten, vertrauten Lady mit dem verzierten Hintern.

      „Schockschwerenot!“ röhrte Carberrys Organ. „Wenn ich das hier heil überstehe, saufe ich eine Pulle Rum ohne abzusetzen aus.“

      „Und im Stehen!“ schrie Ferris Tucker.

      „Worauf du einen lassen kannst!“

      „Wie wär’s mit zwei Flaschen?“ rief Ben Brighton mit aller Macht – nur, um die aufsteigende Panik irgendwie zu bekämpfen. „Der Vorrat ist noch groß genug, wir brauchen ihn bloß zu plündern.“

      „Mister Brighton!“ brüllte der Profos. „Das ist undiszipliniertes Verhalten, verstanden? Das ist ja schon fast ein Aufruf zur …“

      Das Wort Meuterei blieb ihm in der Kehle stecken, denn er hatte einen Schwall Wasser in den Mund gekriegt. Prustend stieß er ihn wieder aus. Sie lagen auf Deck und


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