Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
hartes Prinzip“, stellte Ben Brighton fest. „Hasard, wir müssen es schaffen, den Tiger und seine vier Begleiter irgendwie zu befreien. Ich schlage vor, eine kleine Gruppe Männer versucht, hinüberzutauchen und …“
Weiter gelangte er nicht. Bill, der wieder den Ausguckposten im Großmars innehatte, schrie unversehens los: „Deck, wir haben was an Backbord! Das kann nur das Mädchen sein! Otonedjus Tochter!“
Hasard wirbelte herum, raste ein Stück nach achtern und beugte sich weit über das Schanzkleid. Sein Blick verharrte auf der schlanken, geschmeidigen Gestalt zwischen den treibenden Trümmern der explodierten Schiffe. Die langen, nassen Haare schmiegten sich anYairas Kopf, und die Ebenmäßigkeit und Weichheit ihrer Züge ließ fast vergessen, in welch verzweifelter Lage sie sich befand.
Sie wollte die „Isabella“ erreichen.
„Backbrassen!“ schrie der Seewolf. „Haltet den Kahn an, verdammt noch mal, ich hole das Mädchen selber!“
Im Nu hatte er sich die Kleider vom Leib gerissen, bis auf die Hose. Er hechtete außenbords, tauchte tief ein, brachte sich im warmen Seewasser in schräge Aufwärtsposition und stieß zu dem Mädchen hoch, deren Leib er jetzt gegen das funkelnde Sonnenlicht über dem Platz des Gefechts zu erkennen vermochte.
Wenig später hatte er sie bei den Schultern ergriffen und schleppte sie zur „Isabella“ hin ab, wo sie beide in Lee übergenommen werden konnten.
„Mein Vater“, stammelte das Mädchen immer wieder. „MeinVater, mein Vater – und Sotoro, der Tiger – wo sind wir nur?“ Sie bediente sich ihrer Muttersprache, des Spanischen oder gar des Englischen war sie nicht mächtig. Aber ein paar Vokabeln der malaiischen Sprache hatte Hasard bereits erlernt, und er verstand, was sie meinte.
Otonedju war mit dabeigewesen, als die Männer und das Mädchen von Bord der „Yaira“ aus die erste Galeone der Spanier geentert hatten. Hasard, dem dies erst jetzt richtig aufging, lief ein kalter Schauer über den Rücken. Wo der Tiger von Malakka inzwischen angelangt war, wußte er ja, aber gab es für den alten Otonedju noch Hoffnung?
Hasard ließ ein Zeichen zu den Prahos hinüber geben.
Einige Piratensegler ließen daraufhin von der viermastigen „Candia“ ab und steuerten mit dem Wind auf die „Isabella“ zu. Ihre Führer wollten sich mit Hasard verständigen.
Lucio do Velho nutzte die Gelegenheit aus. Im Nachlassen des Feindfeuers lief er mit seinem Flaggschiff nach Südwesten ab. Er mußte fliehen, wenn er die Haut retten wollte.
Die „Candia“ nahm die Überlebenden der übrigen Galeonen auf, die sich mit den Booten hatten retten können – auch die des zweiten Dreimasters, der weit nach Süden abgetrieben war und aufgegeben werden mußte, weil die Flammen inzwischen über den Toppen zusammenschlugen und das Schiff zum Sinken brachten.
Um die Mittagsstunde dieses Tages hatte die „Isabella VIII.“ auf der Jagd nach der „Candia“ mit rauhem Wind die Insel Kundur passiert und achteraus gelassen, die zu dem Kepulauan Riau, dem Riau-Archipel an der südöstlichen Einfahrt zur Straße von Malakka, zählte. Backbord voraus lag nun die Pulau Rangsang, die Insel Rangsang. Sie war ungefähr doppelt so groß wie Rempang. Unwillkürlich mußte Hasard daran denken, welche Schlachten der Tiger von Malakka wohl noch zu kämpfen hatte, bis er auch Rangsang dem Griff der Spanier entreißen konnte. Ein schwieriges Stück Arbeit, denn Rangsang lag unweit von Bengkalis.
Aber: Würde der Tiger jemals wieder kämpfen?
Die „Isabella“ war trotz ihrer Löcher in der Bordwand, des lädierten Schanzkleides, kaputter Rüsten und einer ziemlich ramponierten Heckgalerie nach wie vor vollauf seetüchtig. Ferris Tucker hatte die Lecks über der Wasserlinie mittlerweile notdürftig abgedichtet und auch festgestellt, daß die Galeone keinerlei Lecks unter der Wasserlinie aus dem Gefecht davongetragen hatte und von Wassereinbruch keine Rede sein konnte. Die in den Frachträumen gehäuften Kostbarkeiten aus vielen Raids lagen also nach wie vor im Trockenen.
Hasard hätte in dieser Hinsicht zufrieden sein können, aber er fühlte sich in einem anderen Punkt niedergeschlagen, fast entmutigt.
Die Rebellen von Malakka waren seine Freunde geworden, und sie hatten sich mit ihm gegen den spanischen Kriegsverband behauptet, nachdem der elende Portugiese, der das Flaggschiff führte, ganz offensichtlich die „Isabella“ identifiziert hatte.
Hasard litt mit den Malaien, die Verluste zu beklagen hatten. Und er fühlte sich verantwortlich für das, was geschehen war.
Sotoro in der Gewalt der Spanier, mit ihm vier seiner besten Kämpfer in Gefangenschaft! Otonedjus Leichnam war nach einiger Suche aus den Trümmern an der Schlachtstätte aufgelesen worden, mit kurzem, ergreifendem Zeremoniell hatte sein Stamm ihn beigesetzt.
Yaira, die wie durch ein Wunder nahezu unversehrt die Explosion überstanden hatte, war tränenlos geblieben, als sie ihren toten Vater erblickt hatte. Aber Hasard wußte, was in ihrem Inneren vorging. Vielleicht hatte nie ein Mensch innigere Rache geschworen, vielleicht verblaßte sogar Sotoros Haß gegen die Spanier neben Yairas Empfindungen.
Das weitere Fazit der Schlacht: vierzehn Männer von dem Praho „Yaira“, Otonedju nicht mitgerechnet, hatten ihr Leben gelassen.
Hasard hatte einem Praho-Führer, der wenigstens ein bißchen Spanisch konnte, verdeutlicht, was er vorhatte, dann hatte er mit der „Isabella“ die Nähe der Insel Rempang verlassen.
Dan O’Flynn war zur Verstärkung Bills, des Ausgucks, in den Vormars aufgeentert. Dan hatte immer noch die besten Augen an Bord der großen Galeone, aber herzaubern konnte auch er die „Candia“ nicht.
Der Viermaster war verschwunden.
Zu allem Überfluß zogen jetzt auch noch feine Nebelschwaden über die Wasseroberfläche. Sie drangen nach Hasards Auffassung von den sumpfigen, parasitenverseuchten Niederungen der Inseln aus herüber. Am Nachmittag würden sie sich verdichten.
Der Nebel der Mangrovensümpfe beeinträchtigte die Sicht immer mehr.
Hasard verspürte ein feines Brennen in der Blessur auf der rechten Schulter. Außer den Striemen, die Bulbas ihm beigebracht hatte, hatte er erstaunlicherweise keine Verwundung mehr davongetragen. Er wußte aber, daß er dem Portugiesen gefolgt wäre, selbst wenn er nicht mehr aufrecht hätte dastehen können.
Die „Isabella“ war in ihrem jetzigen Zustand durchaus in der Lage, wieder ein Gefecht einzugehen. Aber dazu mußte sie die „Candia“ erst einmal vor den Rohren haben.
Hasard blickte zu Yaira. Das Mädchen hatte sich vor der Five-Rail niedergelassen, kauerte mit umschlungenen Knien da und starrte gedankenverloren auf die Planken. Durch den spanisch sprechenden Praho-Führer hatte sie Hasard vor dem Verlassen Rempangs zu verstehen gegeben, daß es ihrer Meinung nach dem Tiger kein Glück gebracht hatte, den Dreimaster nach ihr zu taufen.
Ja, sie war überzeugt davon, daß dies ein schlechtes Omen gewesen war. Hasard hätte ihr gern das Gegenteil eingeredet, aber selbst wenn er sich mit ihr hätte verständigen können – es hätte keinen Zweck gehabt.
Hasard lehnte sich rücklings gegen das Backbordschanzkleid des Achterdecks, stützte die Hände auf, sah zu Ben, Ferris, Shane, Smoky und dem alten O’Flynn, die mit nicht sehr viel weniger düsteren Mienen in seiner Nähe verharrten.
„Der Viermaster ist ein solide gebautes und schnelles Schiff, das im Gefecht nicht groß angeknackst worden ist“, sagte der Seewolf. „Dank seines Vorsprungs und der großen Segelfläche, über die er verfügt, hat er uns auf Distanz halten können. Ich sage nicht abhängen – aber es kommt aufs gleiche heraus.“
„Bist du sicher, daß sein Kurs nach Bengkalis führt?“ erkundigte sich Ferris Tucker.
„Bengkalis ist die einzige spanische Niederlassung weit und breit. Ehrgeizig, wie er zu sein scheint, sucht der Portugiese dort Verstärkung. Vielleicht gelingt es ihm ja, einen neuen Verband zusammenzustellen.“
„Verrecken soll der Bastard“, stieß der alte O’Flynn aus. Um seinen