Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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zu den Offizieren und den Gefangenen. „Soll der Hund doch verrecken! Wollen wir ihm etwa ein Gnadenbrot gewähren?“

      Do Velhos Stimme war schneidend. „Wer hat dich um deine Meinung befragt? Was hast du auf dem Achterdeck zu suchen? Verschwinde, oder ich lasse dich trotz deiner Verwundungen auspeitschen!“

      Hastig kehrte der Seemann auf die Kuhl zurück. Lucio do Velho wandte sich an die Autoritäten von Bengkalis. „Senores, ich bin sehr stolz darauf, den berüchtigten Tiger von Malakka gefaßt zu haben. Was nach seiner Aburteilung mit ihm zu geschehen hat, was auch das gerechte Schicksal seiner vier Spießgesellen sein wird, darüber gibt es keinerlei Diskussion. Doch bin ich der Ansicht, daß wir nicht voreilig handeln dürfen.“ Er blickte in die Runde und stellte zu seiner Genugtuung fest, daß man ihm nicht nur auf dem Schiff, sondern auch von der Pier aus gespannt lauschte. Wieder hatte er ein Publikum gefunden, und er legte nun all sein mimisches Können in die bühnenreife Rezitation, mit der er die Schlacht von Rempang schilderte.

      Am Ende sagte er: „Wenn dieser Malaie also ein gefürchteter Rebell ist, wie ich eben vernommen habe und wie auch in Manila gelegentlich erzählt wurde, so sollten wir ihn eingehend über seine Pläne aushorchen. Ich halte es für wahrscheinlich, daß seine Landsleute, die heil aus dem Gefecht hervorgegangen sind, mit ihrem Verbündeten, dem Seewolf, einen Schlag gegen die spanische Krone, gegen unsere Niederlassungen in Malakka und Sumatra durchführen. Etwas Großes kündigt sich an. Wir müssen dagegen gewappnet sein. Eben deswegen müssen wir um jeden Preis aus dem Tiger, der sogar spanisch spricht, herausholen, was er weiß. Des weiteren kann er uns Hinweise geben, wie wir den Spanienhasser und Schnapphahn Philip Hasard Killigrew am besten greifen können. Dies alles scheint mir von so fundamentaler Bedeutung zu sein, daß es ein Fehler wäre, den Tiger und seine vier Halunken vorschnell hinzurichten – oder gar Selbstjustiz zu üben.“

      Er hob sein Kinn ein wenig an und genoß die stumme Anerkennung, die man seinen Worten zollte. Er hatte flüchten müssen, aber die Tatsache, einen nicht minder gefährlichen Gegner wie den Tiger dingfest gesetzt zu haben, verlieh ihm wieder ungeheuren Auftrieb.

      Die Chancen, auch den Seewolf noch zur Strecke zu bringen, wuchsen wieder.

      „Wir sind einverstanden“, sagte der Stadtkommandant im Einvernehmen mit dem Hafenkapitän und den anderen Honoratioren, die inzwischen eingetroffen waren. „Die Stadtgarde wird die Gefangenen in den Kerker überführen, falls Sie keine Einwände haben, Comandante do Velho.“

      Nicht nur die Ergreifung Sotoros, auch die Sondervollmachten, die er vorgewiesen hatte, hatten Lucio do Velho zu einem derart hohen Ansehen verholfen, daß der Stadtkommandant ihn jetzt sogar um seine Erlaubnis für die Inhaftierung der Piraten ersuchte.

      „Ignazio!“ rief do Velho. „Laß die fünf Hundesöhne in Ketten legen, danach überantwortest du sie der Stadtgarde, verstanden?“

      „Si, Senor.“

      Auf der Pier entstand Bewegung, weil drei betreßte Männer sich mit hochmütigem Gebaren Durchlaß verschafften. Der Comandante Francisco Lozano und die beiden Kapitäne Rafael de Cubas und Raoul Souto Alonso erschienen verspätet, weil sie offiziell nicht über das Auftauchen der „Candia“ unterrichtet worden waren. Erst durch einen Zivilisten hatten sie erfahren, daß sich im Hafen etwas Bedeutungsvolles abzuspielen schien.

      Entsprechend konsterniert drängte Lozano das gemeine Volk auf der Pier beiseite, musterte das große, schwere Schiff, dem man die Spuren des Gefechts deutlich genug ansah, und betrat die Laufplanke.

      Beim Erreichen des Achterdecks der „Candia“ entnahm er dem Gespräch zwischen Stadtkommandant und Hafenkapitän, wen der portugiesische Kommandant da aus der See gezogen hatte und wie man mit Sotoro nun verfahren würde.

      Francisco Lozano trat auf do Velho und Escribano zu.

      „Interessant“, sagte er. „Wenn mir als Kommandant der Kriegskaravellen ‚San Rafael‘ und ‚Estremadura‘ eine Bemerkung gestattet ist – für uns ist das Verhör des Tigers von Malakka ebenfalls von größter Bedeutung. Wenn ich richtig unterrichtet bin, stammt dieser blutrünstige Pirat von der Landenge von Kra.“

      „Das ist richtig“, entgegnete Uwak, der Atjeh, als er von dem heranrükkenden Stadtkommandanten dazu aufgefordert wurde.

      „Kein Mann dürfte besser über Kra Bescheid wissen als der Tiger“, sagte Lozano mit einem verächtlichen Blick auf den bewußtlosen Sotoro. Zwei Männer, von Ignazio herbeikommandiert, legten dem Tiger vorsichtshalber Ketten an, ehe sie ihn abtransportierten.

      „Er könnte uns Aufschluß darüber geben, ob es noch mehr Diamantenminen auf dem Isthmus gibt“, fuhr Lozano gedämpft fort. „Die Eingeborenen hüten ihr Geheimnis mehr als ihre Gesundheit, aber es gibt Mittel, mit denen man jeden Kerl zum Sprechen bringt. So haben wir auch die Minen entdeckt, die uns jetzt eine ansehnliche Edelstein-Produktion auch aus diesem Teil der Welt sichern.“

      Nachdem er von dem Mißgeschick der Galeone „Santa Trinidad“ berichtet hatte, entgegnete Lucio do Velho: „Warum haben Sie heute früh nicht versucht, die Galeone zu heben oder wenigstens nach den Schatztruhen in ihren Frachträumen zu tauchen?“

      „Haben Sie den Nebel über der Bengkalis-Bucht nicht bemerkt, Senor?“

      „Selbstverständlich. Aber der dürfte Sie und Ihre Helfer nicht am Tauchen hindern.“

      „Senor“, versetzte Lozano mühselig beherrscht. „Es ist uns nicht gelungen, uns nah genug an die Korallenriffe heranzutasten, ohne Gefahr zu laufen, mit unseren Schiffen und Booten das gleiche Schicksal zu haben wie die ‚Santa Trinidad‘.“

      „Ich verstehe. Sie warten also auf besseres Wetter?“

      „Ja.“

      Do Velho musterte den Capitan. „Sie hätten mit ihren Galeonen besser navigieren sollen. Wenn es nicht gelingt, den Diamant-Schatz zu bergen, wird man Sie zur Rechenschaft ziehen.“

      „Das ist mir bekannt“, sagte de Cubas gepreßt. „Aber ich hätte gern erfahren, was Sie an meiner Stelle getan hätten, um das Unglück zu verhindern, Senor.“

      „In einer ähnlichen Situation würde ich es Ihnen beweisen. Das ist doch wohl nur eine Frage des seemännischen Geschicks.“

      Lozano sagte: „Was, zum Teufel, gehen Sie eigentlich unsere Angelegenheiten an, Comandante do Velho? Sind Sie etwa ein Sonderbeauftragter der Casa de Contratación?“

      „Nein, meine Aufgabe ist es, den Seewolf zu fassen.“

      „Dann unterlassen Sie gefälligst Ihre unpassenden Bemerkungen“, sagte Francisco Lozano, dessen Gemüt nunmehr auf das Äußerste gereizt war. Jeden Augenblick drohte er in Jähzorn auszubrechen.

      Do Velho betrachtete ihn so abfällig wie einen Eindringling, der auf der „Candia“ nichts zu suchen hatte. Dann besann er sich aber eines anderen. „Comandante Lozano“, erwiderte er ruhig und beherrscht. „Verzeihen Sie mir meine Offenheit. Unter hohen Offizieren werden wir uns schon verstehen, was meinen Sie? Lassen Sie mich nun eines vorschlagen. Ich rechne damit, daß sich der Seewolf auf meiner Spur befindet. Es wäre ratsam, mit einem neuen Verband auszulaufen und ihm eine Falle zu stellen. Auch im Nebel muß das möglich sein. Die einzigen Kriegsschiffe, die ich hier im Hafen gesehen habe, scheinen tatsächlich Ihre Karavellen zu sein …“

      „Was wollen Sie damit sagen?“

      „Daß Sie nach der ‚Santa Trinidad‘ heute doch nicht mehr forschen können, weil der Nebel sich nicht mehr lichtet. Stellen Sie daher Ihre Karavellen unter mein Kommando, bis wir den Seewolf, diesen Hund, aufgespürt haben.“

      Lozano lief im Gesicht dunkelrot an, und de Cubas und Raoul Souto Alonso, die ihn besser kannten als alle anderen Anwesenden, traten vorsichtshalber zwei Schritte zurück.

      „Nein!“ brüllte Francisco Lozano. „Niemals tue ich das, und wenn es mich den Kopf kostet! Gehen Sie zum Teufel, do Velho, Sie und Ihr elender Lobo del Mar! Ich unternehme heute nachmittag einen neuen Versuch am Riff, und wissen Sie, was Sie mich können?“

      Lucio


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