Sherlock Holmes und die Tigerin von Eschnapur. Philip José Farmer

Sherlock Holmes und die Tigerin von Eschnapur - Philip José Farmer


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sie besonders«, sagte Ms. Sterling amüsiert. Auch heute war sie eine wahre Zierde in einem luftigen weißen Sommerkleid mit einem ausladenden Hut, dessen Krempe einem Sombrero gerecht geworden wäre. »Sie weiß, dass Sie ihr das Leben gerettet haben, Doktor. Nicht so schüchtern.«

      Holmes, der hinter Frau und Tiger in den Salon trat, weidete sich an meinem Unbehagen ob eines riesigen Tigers, der mit mir kuscheln wollte. »Watson und schüchtern? Das wäre mir neu«, kommentierte er sonnig.

      Ich tätschelte Sophie bange den Kopf – diese Schmusekatze war mir dann doch etwas zu exotisch und wild.

      »Komm, Sophie, lass den heldenhaften Doktor Luft holen«, sagte Ms. Sterling und zog leicht an der Leine. Tigerfell rieb ein letztes Mal über mein Kinn und meine Wange, dann ließ Sophie von mir ab und setzte sich hin, womit sie immer noch von beachtlicher Größe war. Der Blick ihrer grünen Augen verharrte zudem weiterhin gierig auf mir.

      »Sie verlassen London?«, fragte Holmes indes.

      »Woher wissen Sie das schon wieder, Mr. Holmes?« Die schöne Ms. Sterling legte den Kopf leicht zur Seite. »Nicht, dass es mich noch groß überrascht nach all dem …«

      »Sie würden sich kaum den Zorn Ihrer Mitmenschen zuziehen und nach der Panik neulich mit Ihrem Tiger spazieren gehen, wenn Sie vorhätten, noch länger in der Stadt zu bleiben. Zu viel Aufsehen und Ärger.«

      »Meiner Tante geht es wieder besser«, antwortete Ms. Sterling. »Philipps und seine Gattin zu entlassen, war das Beste, was ich tun konnte. Um an ihren Erbanteil im Testament zu kommen, haben Sie meiner Tante seit Längerem kleine Dosen Gift ins Essen gemischt, genau wie Sie vermutet haben, Mr. Holmes.« Davon hörte ich zum ersten Mal, aber Holmes hatte bekanntlich seine Wege und Mittel. »Seit sie weg sind, findet Tante Betsy von Tag zu Tag mehr zu alter Form zurück. Sie wird uns alle überleben, wenn das so weitergeht. Sie will mich sogar in Eschnapur besuchen, sobald sicher ist, dass ihr Zustand dauerhaft stabil bleibt. Ich bin Ihnen beiden also in mehr als einer Hinsicht zu Dank verpflichtet.«

      »London wird Sie vermissen«, sagte Holmes charmant – er konnte, wenn er nur wollte. »Sie haben Farbe und Leben hierhergebracht. Du natürlich auch, Sophie.«

      Ohne Reue oder Bedauern sagte Ms. Sterling: »Wir gehören einfach nicht hierher.« Sie verstummte kurz und blickte auf Sophie und zugleich durch den Tiger hindurch. »Ich habe schon gepackt. Heute Nachmittag läuft unser Schiff aus.«

      Wir verabschiedeten uns. Jeder bekam eine Umarmung, weit angenehmer als eine Tigerliebkosung, und ich musste Sophie noch einmal ausgiebig streicheln und tätscheln – sowohl Ms. Sterling, die ob meines Unwohlseins breit grinste, als auch Holmes, der alte Sadist, bestanden darauf.

      Kaum dass Ms. Sterling und Sophie gegangen waren und den Schreien nach weitere Passanten auf der Straße erschreckten, erschien eine verstörte Mrs. Hudson in 221B.

      »War das gerade ein Tiger unten im Flur?«, fragte sie mit an die Brust gelegter Faust.

      »Ein Tiger? Mrs. Hudson, ich bitte Sie«, sagte Holmes sanft. »Da sind Sie wohl kurz eingenickt und hatten einen Albtraum.«

      »So muss es gewesen sein«, murmelte Mrs. Hudson und ließ sich von meinem Freund nach unten in ihre Wohnung führen.

      »Sie überraschen mich immer wieder, alter Knabe«, sagte Holmes, sobald er zurück war, derweil ich mit einem Handtuch aus dem Bad trat, wo ich mir Tiger von Händen und Gesicht gewaschen hatte. Ms. Sterlings Duft hätte gern noch eine Weile an mir haften bleiben können.

      »Wie meinen Sie das, Holmes?«

      »Nun.« Der Detektiv stopfte seine Pfeife mit dem Tabak vom Vortag, den er in einem einsamen persischen Pantoffel aufbewahrte, wie meine treuen Leser wissen – der Tabak roch fast so schlimm wie der Atem eines Tigers. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so einen Moment wie eben ungenutzt verstreichen lassen. Selbst ich habe erkannt, dass Ms. Sterling sich geradezu nach einer schmeichelhaften Bemerkung Ihrerseits sehnte, als Sie klagte, sie gehöre nicht hierher. Womöglich hoffte Sie sogar darauf, Sie würden sie und Sophie nach Eschnapur begleiten. Der Watson, den ich kenne, hätte die richtigen Worte für dieses schöne Wesen gefunden.«

      »Ich habe vom Orient für mein Leben genug«, sagte ich lahm und fuhr mir verlegen über den Schnurrbart. »Außerdem ist es nicht so leicht, mit über 400 Pfund Tiger auf dem Schoß ein geistreicher Kavalier zu sein.«

      »Hm.« Holmes entzündete ein Streichholz. »Ich bin erstaunt, dass es überhaupt etwas gibt, das Sie davon abhalten könnte, einer Frau süße Worte zuzuflüstern, Watson. Aber anscheinend hat Ihnen die Tigerin von Eschnapur Ihre Grenzen aufgezeigt.«

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