Der Weg zur Promotion. Stephan Schmauke

Der Weg zur Promotion - Stephan Schmauke


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rufen – und welchen schöneren Anlass dafür kann es geben, als »Vollzug« zu melden und das Opus Magnum als PDF an die Doktormutter zu schicken? Außerdem galt es, die Präliminarien der mündlichen Prüfung zu besprechen und etwaige Termine zu koordinieren – und darüber hinaus hatte sie sich Gedanken um die Veröffentlichung des Textes zu machen.

      Nach dem mühevollen Abfassen einer Einleitung – die, wie alle Einleitungen, zugleich eine Einführung ins Thema und eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist, also eigentlich noch mal die ganze getane Arbeit in Zeitraffer wiederholt (dazu später mehr) – gab meine Freundin, sobald ihre Prüferin verlautbart hatte, dass es ihrerseits keine Änderungswünsche mehr gebe, das gesamte Textkonvolut an eine Lektorin, die Tippfehler und gelegentliche stilistische Nachlässigkeiten ausmerzte, die Zitate vereinheitlichte und ein Register anfertigte, sodass der Text nun als »satzfähig« gelten und Verhandlungen mit einem Wissenschaftsverlag aufgenommen werden konnten. Außerdem wurden noch zwei »maschinenschriftliche« Exemplare auf dem eigenen Laserdrucker ausgedruckt und in einem Copyshop geheftet, um sie, versehen mit einer Notiz zur eigenen Person sowie der Bemerkung, dass es sich hier um eine »Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde« (was denn auch sonst?) handle, nebst einer »eidesstattlichen Erklärung«, dass hier nicht gepfuscht worden sei, bei der Fakultät abgeliefert.

      Die Verhandlungen mit dem Verlag liefen gut. Man war sich relativ schnell einig über die Auflagenhöhe (niedriger dreistelliger Betrag) und Kosten (mittlerer vierstelliger Betrag), und der Verlag schickte das PDF nach einer kurzen Kontrolle weiter an die Setzerin – es handelte sich um einen der besseren Verlage, die ihren Autorinnen nicht auch noch die undankbare Aufgabe des Layoutens aufbrummen (was heute leider fast die Regel ist). Den »Waschzettel« (der Werbetext zum Buch, der kurz auf den Inhalt eingeht und ein paar biografische Schnipsel zur Verfasserin enthält) saugte sich eine Praktikantin aus den Fingern, und eine Designerin wurde mit der Covergestaltung beauftragt. Mit dem Verlagsvertrag in der Tasche konnte sich meine Freundin dann zur Prüfung anmelden (diesen Hinweis hatte sie von einer Sekretärin im Büro der Fakultät erhalten – keine Anmeldung zur Prüfung ohne unterschriebenen Verlagsvertrag!)

      Die Disputatio (das Prüfungsgespräch – je nach Fakultät gibt es noch eine größere mündliche Prüfung, das Rigorosum) verlief ohne Probleme, da das Promotionsverfahren ja schon von langer Hand initiiert worden war und nur Details zu einzelnen Thesen der Dissertation besprochen wurden. Das Abfragen allgemeiner Fachkenntnisse sparte man sich, es gab keinerlei Rivalitäten unter den Mitgliedern der Prüfungskommission, und niemand hatte die Absicht, aus Profilierungsgründen die Kandidatin in die Pfanne zu hauen. Alle waren froh, die Sache endlich abschließen zu können. Meine Freundin bekam eine Note, mit der alle »sehr gut leben« konnten, sowie eine Urkunde, die ihr die Erlaubnis bescheinigte, sich fortan »Dr. des.« (Dr. designatus, »für den Doktortitel vorgesehen«) nennen zu dürfen.

      Da der Buchsatz (heute sagt man auch oft Layout) relativ schnell geht, buchte der Verlag, nachdem meine Freundin schnell das »Imprimatur« (die Druckgenehmigung) erteilt hatte, »zeitnah« einen Termin bei der Druckerei, um das Buch noch vor Beginn der Buchmesse ausliefern zu können (Verlage sind generell an der Einhaltung des Produktionsplans interessiert, weil es immer »vor Beginn der Buchmesse« ist).

      Und während die ersten Bögen aus der Druckmaschine schossen, dachte sich meine Freundin, was sie denn jetzt zum Abschluss tun müsse, um den »echten« Doktortitel zu bekommen. »Dr. des.« oder »Doktor in spe« ist ja nichts Richtiges. Würde eine Email ausreichen, dass das Buch jetzt vorliege und man es in den Buchhandlungen kaufen könne? Oder müssten gedruckte Exemplare an die Fakultät geschickt werden? Und wenn ja: wie viele Exemplare? Um sich darüber Klarheit zu verschaffen, warf sie einen Blick in die Promotionsordnung ihrer Fakultät – zum ersten Mal seit vielen Jahren.

      Und was las sie da?

      Zum einen, dass der Titel erst mit der Aushändigung der Promotionsurkunde getragen werden dürfe. Ausgehändigt würden die Promotionsurkunden bei der einmal im Jahr stattfindenden »Feierlichen Promotion« (eine Festveranstaltung mit ein paar Takten Musik vom Universitätsorchester, bei der die Rektorin Feierliches und Besinnliches von sich gibt, bevor die frischgebackenen Doktorinnen der Reihe nach namentlich aufgerufen werden, um sich ihre Urkunde abzuholen; es gibt weder Häppchen noch Getränke, dafür kostet die Veranstaltung aber auch keinen Eintritt …). Der Termin der nächsten »Feierlichen Promotion« sei beim Sekretariat der Universität zu erfragen, werde aber auch in der Presse bekanntgemacht. Ausnahmen von dieser Regelung seien nicht vorgesehen. Zum andern bedürfe es einer schriftlichen Erklärung des Verlags, dass die Dissertation in einer Auflage von mindestens 200 Exemplaren vorliege und im Buchhandel käuflich zu erwerben sei. Und: Die Verlagsausgabe müsse textidentisch mit der Fakultätsausgabe sein, die zur Beantragung der Doktorprüfung eingereicht wurde. Inklusive Vorsatzblatt (also inklusive der oben erwähnten eidesstattlichen Erklärung).

      Dass sie den Termin für die jährliche »Feierliche Promotion« gerade um ein paar Wochen verpasst hatte, war nicht schlimm. Dann würde sie sich halt erst im nächsten Jahr Doktor ohne »des.« nennen können. Die erforderliche Erklärung seitens des Verlags war auch kein Problem (obwohl man über diese in der Promotionsordnung formulierte Bedingung schmunzelte, denn eigentlich müsste der Vertrag zwischen Autorin und Verlag ja als Beweis dafür, dass das Buch veröffentlicht wird, ausreichen). Wirklich schlimm war die Sache mit der Textidentität. Denn es ist bei gedruckten Dissertationen durchaus nicht mehr üblich, dass das Vorsatzblatt, das der Fakultät eingereicht werden muss, mitgedruckt wird. Dass ausgerechnet die für sie geltende Promotionsordnung (die inzwischen von neueren Promotionsordnungen abgelöst worden war, aber für ihr Promotionsverfahren eben immer noch galt) noch diesen altväterlichen Passus enthalten würde, wusste niemand. Man hätte eben mal reingucken sollen!

      Kurzzeitig überlegte meine Freundin, den Verlag zu bitten, die gesamte Auflage einzustampfen und mit dem Vorsatzblatt neu zu drucken. Aber das wäre teuer geworden, zu teuer für diese Lebensphase. Die Lösung war am Ende einfach: Man druckte 300 Exemplare der eidesstattlichen Erklärung aus und klebte sie per Hand in die Bücher ein, die sich glücklicherweise noch alle im Lager des Verlags befanden.

      Ein Jahr später nahm sie an der »Feierlichen Promotion« teil und hatte ihre Doktorurkunde in der Hand.

      Und was lernen wir aus dieser Anekdote?

      Besorgen sie sich frühzeitig die für ihr Promotionsverfahren gültige Promotionsordnung! Jede Fakultät hat eine eigene. Lesen Sie sie aufmerksam. Lassen Sie sich eventuell unverständliche Formulierungen erläutern. Nehmen Sie die Promotionsordnung später in ihrer Promotionszeit gelegentlich zur Hand, insbesondere, wenn es um die Koordinierung zeitlicher Abläufe vor und in der Prüfungsphase und um die Einreichungsbedingungen von Texten, Belegen, Zeugnissen, eidesstattlichen Erklärungen usw. geht. Und ganz wichtig: Lesen Sie sie noch einmal durch, bevor Sie Ihre Dissertation zum Druck geben!

      Das war bereits ein gedanklicher Ausflug an das Ende des Promotionsverfahrens, der Sie erst mal nicht weiter beunruhigen sollte. Kommen wir zum Abschluss des Kapitels zum Organisatorischen noch einmal auf den Anfang zurück.

      Sie haben sich entschieden zu promovieren. Sie haben Ihr Thema, Ihre Betreuerin und ihre Hochschule gefunden. Gut! Es bleibt nun nur noch die Frage zu klären, wovon Sie in den nächsten Jahren leben wollen.

       FINANZPLANUNG

      Sie haben ein Millionenvermögen geerbt, oder Ihre Eltern oder ihre Partnerin sind so reich und zugleich so spendabel, dass Sie sich um die Finanzierung Ihrer Promotion keine Gedanken machen müssen? Herzlichen Glückwunsch! Dann können Sie den Rest dieses Kapitels überschlagen.

      Alle anderen müssen sich wohl oder übel Gedanken über die Finanzierung der nächsten Jahre machen, die sie für ihre Promotion realistischerweise brauchen werden. Ich rede hier nicht von den geradezu reflexhaft genannten drei Jahren, die eine Promotion angeblich dauert. Diese Zahl ist eine Mystifikation, denn sie beziffert nicht die tatsächliche Dauer einer tatsächlichen Promotion, sondern die durchschnittliche Förderungsdauer (zwei Jahre plus 2 × 6 Monate


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