Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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die Karavelle recht deutlich zu erkennen war. Wie ein scheues, verängstigtes Tier floh sie vor dem Gegner.

      Hasard hätte sie einholen und vernichten können. Aber bei aller Wut auf Sabreras und seine Gefolgschaft – das entsprach ganz und gar nicht seinem Stil. Fairneß war immer noch das oberste Gebot, das er sich gesetzt hatte und rigoros einhielt.

      „Deck!“ rief Dan plötzlich. „Da sind wieder Schatten, rund zwei Meilen voraus. Ich sehe noch nichts Genaues, aber ich nehme stark an, es sind Schiffe.“

      „Jetzt geht’s gleich rund“, sagte Carberry. Aber ganz so enthusiastisch wie vor dem ersten Gefecht klang sein Spruch diesmal nicht.

      5.

      Aurelio de Vargas, der Kapitän der „Santa Margarita“ und Kommandant des Kriegsschiffverbandes, stand mit Sabreras und dem Ersten Offizier Lopez Mangusto auf dem Achterdeck der „Esperanza“. Von hier aus leitete er nach Sabreras’ Anweisungen den Einsatz seiner letzten Schiffe. Die „Santa Margarita“ würde vielleicht nie wieder auf See zurückkehren, denn ihre Wiederherstellung nahm mehr Material und Zeit in Anspruch, als rentabel war.

      So lag sie in dem natürlichen Hafen und wartete darauf, abgewrackt zu werden, während der Restverband ausgelaufen war, um den Seewolf zu stellen.

      Der Restverband. Das waren außer der „Esperanza“ nur noch die eine, mäßig armierte Smaragd-Galeone und zwei Karavellen, von denen Sabreras die eine, zweimastige, nach. Süden geschickt hatte, als sie den ersten Kanonendonner vernommen hatten.

      Dieser Aufklärer und die andere Dreimast-Karavelle waren reine Kriegssegler. Die „Esperanza“ als Flaggschiff des Transportverbandes verfügte auch über zwanzig Kanonen – Culverinen, Demi-Culverinen und Minions, die sie zu einem vollwertigen Mitstreiter im Kampf machten. „Esperanza“ bedeutete Hoffnung, bislang hatte dieser optimistische Name ihrer Trägerin nichts Nachteiliges eingebracht.

      Zehn Seemeilen nordwestlich querab ihrer Ankerbucht lagen die drei Schiffe mit aufgegeiten Segeln. Die „Esperanza“ befand sich im Zentrum und die zweite Galeone und die Dreimast-Karavelle hatten im Abstand von jeweils einer halben Seemeile an Backbord und Steuerbord von ihr verhalten. Sabreras hatte hier gestoppt, als der Gefechtslärm von Süden herangerollt war.

      Die Schiffe lagen mit dem Bug im Wind. Der warme Südwind umfächelte die Vorsteven.

      Sabreras verließ das Achterdeck und suchte die Back auf.

      „Falls es diesen wahnsinnigen Narren gelingt, unsere Patrouille zu schlagen, müssen sie hier vorbei“, sagte er im Dahinmarschieren. „Und dann gnade ihnen Gott.“

      De Vargas hielt sich rechts neben ihm. „Das will ich auch hoffen“, erwiderte er. „Wir müssen den Schatz zurückerobern. Für die spanische Krone.“

      „Es lebe der König“, murmelte Lopez Mangusto, der hinter ihnen schritt. Es klang aber nicht richtig überzeugt.

      Als sie allein auf der Back standen, blickte Sabreras sie mit verbissener Miene an. „Hört doch mit der Komödie auf. De Vargas, du warst vor Mangusto Erster Offizier auf diesem Schiff, aber ich habe beim Gouverneur von Panama erreicht, daß du zum Kriegsschiff-Kommandanten befördert wurdest. Und ich habe dich neben Mangusto zu meinem engsten Vertrauten ernannt – aber doch nicht so einfach aus heiterem Himmel. Ich baue auf dich, Aurelio. Es hängt maßgeblich von dir ab, ob wir diesen Killigrew und das schwarzhaarige Weib erledigen.“

      „Du kannst dich auf mich verlassen“, antwortete de Vargas.

      „Es ist doch nur in unserem Interesse, die Schiffe dieser Halunken zu kapern“, fügte Mangusto hinzu. „Sonst gehen wir leer aus. Ein für allemal. Auf Galapagos gibt es doch auch nichts mehr für uns zu holen, wenn ich richtig verstanden habe.“

      „Hidduk, dieser rote Hundesohn“, stieß Sabreras erbittert aus. „Er hat uns verraten und die Steine dem Seewolf übergeben. Aber das wird er mir büßen. Ich töte nicht nur ihn und die drei Krieger, die bei ihm sind. Ich schicke auch eine Strafexpedition nach San Cristóbal, sobald ich kann.“

      „Du willst seinen Stamm niedermetzeln?“ fragte Mangusto. Auch er duzte den Kommandanten, wenn sie unter sich waren. Nur vor den anderen Offizieren und der Mannschaft bedienten sie sich des reservierteren „Sie“, um nicht an Autorität zu verlieren.

      „Ich schwöre, daß ich es tun werde“, sagte Sabreras.

      Über ihnen erscholl ein Ruf. Der Mann, den Sabreras als Fockmastausguck in den Vormars hinaufgeschickt hatte, meldete: „Die Karavelle! Sie kehrt zurück. Ich sehe sie Steuerbord voraus segeln!“

      De Vargas hatte das Spektiv ans Auge gehoben. „Der Kapitän gibt Lichtsignale. Verdammt – das darf nicht wahr sein.“

      „Was, zum Teufel, ist jetzt wieder los?“ Sabreras entriß seinem Ersten das Fernrohr und schaute selbst hindurch.

      De Vargas fluchte. „Der Dreierverband, unsere Patrouille – er ist beinahe zusammengeschossen worden und brennt. Der Seewolf und die Rote Korsarin haben zwei große Schiffe, und sie halten auf uns zu.“

      „Feuer im Süden!“ schrie der Mann im Vormars.

      „Du Narr, das siehst du jetzt erst?“ rief Lopez Mangusto. „Das sind unsere Galeone und die beiden Karavellen.“

      „Die halten auf uns zu!“ brüllte der Ausguck.

      „Das heißt, der Feind segelt vor den brennenden Schiffen und hinter der Zweimast-Karavelle“, stieß de Vargas ziemlich verdattert hervor.

      Sabreras wirbelte herum. „Nach Westen abfallen, am Wind bleiben! Wir bieten ihnen einen heißen Empfang!“

      De Vargas entzifferte die nächste Meldung der Zweimast-Karavelle. „Eine schlanke, große Galeone mit drei Masten und ein schwarzer Viermaster in ihrem Kielwasser!“ schrie er. „Mangusto, die Männer sollen zu unserer zweiten Galeone und der Dreimast-Karavelle signalisieren, daß sie ebenfalls manövrieren und dem Feind die Breitseiten zeigen.“

      „Si, Senor“, erwiderte Mangusto. Der sarkastische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Von de Vargas nahm er nicht gern Befehle entgegen. Überhaupt hätte er ihn gern ausgebootet, denn er wäre gern Kommandant des Kriegsschiff-Konvois geworden.

      Da er aber einsah, daß Widerrede in diesem kritischen Augenblick wenig Sinn hatte, hastete er auf die Kuhl der „Esperanza“ hinunter und sorgte dafür, daß die Zeichen an die Nachbarschiffe weitergegeben wurden.

      „Sie kommen!“ schrie der Mann im Vormars. Seine Stimme überschlug sich fast. „Sie sind dicht hinter der zweimastigen Karavelle – por Dios, was für riesige Schiffe, Comandante!“

      „Der Hund übertreibt“, zischte Sabreras.

      „Ich kann sie jetzt auch sehen“, meinte de Vargas, der das Spektiv die ganze Zeit über nicht abgesetzt hatte. „Es sind wirklich ausgesprochen große Segler. Ich nehme an, daß sie überragend bestückt sind. Kein Wunder, daß sie unseren Dreier-Verband außer Gefecht gesetzt haben. Überhaupt – mit der Patrouille brauchen wir nicht mehr zu rechnen. Bis die Mannschaften den Brand gelöscht haben und wieder kampfbereit sind, ist hier bereits alles entschieden.“

      „Wir haben vier vollwertige Schiffe!“ schrie Sabreras ihn an. „Vier! Doppelt so viele wie El Lobo del Mar! Wir werden ihn zerreißen; diesen elenden Bastard!“

      „Natürlich“, entgegnete Aurelio de Vargas, aber es klang nicht sehr überzeugt. Seine Skepsis wuchs von Minute zu Minute.

      Die Zweimast-Karavelle staffelte nach Nordwesten ab und gesellte sich zu der zweiten Transport-Galeone. Die Schiffe hatten ihr Manöver fast beendet und gingen auf Steuerbordbug liegend mit Backbordhalsen an den Wind. Sie hatten jeweils nur Großsegel und Fock gesetzt, und auch die lateinergetakelte Zweimast-Karavelle nahm jetzt Segelfläche weg. Sie dümpelten nur dahin und entboten den anrückenden Feinden ihre vollen Backbordbreitseiten.

      „Auf was warten wir?“


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