Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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neben der Jakobsleiter tauchte er auf und legte den Kopf in den Nakken.

      Auf der „Isabella“ rührte sich nichts. Der Seewolf wandte den Kopf und verfolgte den dunklen Schatten, der durchs Wasser glitt und sich zwei Sekunden später als Ferris Tucker entpuppte. Ed Carberry folgte, der Boston-Mann, Juan, Blacky und Smoky – und dann der Wikinger, der mit seinem triefenden Bartgestrüpp und dem unvermeidlichen Kupferhelm ein eher groteskes Bild abgab.

      Minuten später war die Gruppe komplett.

      Hasard enerte als erster auf, langsam und vorsichtig. Ein Blick zeigte ihm, daß Ed Carberry unmittelbar hinter ihm war, Batutis Morgenstern am Gürtel und ein breitklingiges Messer zwischen den Zähnen. Knapp unterhalb des Schanzkleides verharrte der Seewolf noch einmal und lauschte, dann schwang er sich geschmeidig wie eine Katze an Deck.

      Die Kuhl lag leer vor ihm.

      Oder nein, nicht völlig leer: im Schatten des Großmasts hockte eine Gestalt auf einer Taurolle und döste. Es war der weißhaarige Alte, den die Piraten Valerio nannten. Jetzt hob der Bursche mit einem verhaltenen Gähnen den

      Kopf – und vor Überraschung blieb ihm buchstäblich der Mund offenstehen.

      Drei Männer standen auf der Kuhl: der Seewolf, Ed Carberry und Ferris Tucker.

      Nummer vier, der Boston-Mann, schwang sich gerade über das Schanzkleid. Valerios Augen flakkerten auf. Er holte Luft und wollte schreien, doch da stand Philip Hasard Killigrew schon mit zwei, drei langen Sätzen vor ihm.

      Der Seewolf schlug kurz und trokken zu.

      Ehe Valerio auch nur einen Laut herausbrachte, hatte er das Gefühl, als fliege sein Kopf davon. Etwas schien tief in seinem Schädel zu explodieren, und dann wurde es so plötzlich dunkel um ihn, daß nicht einmal mehr der Schmerz sein Bewußtsein erreichte.

      Hasard fing die stürzende Gestalt ab und ließ sie lautlos auf die Taurolle gleiten.

      In den letzten Sekunden hatte er Geräusche registriert, die aus der Kombüse drangen. Geschirr klapperte. Offensichtlich nutzte da jemand die Gelegenheit, sich gründlich mit den Vorräten der „Isabella“ zu vergnügen.

      Hasard verständigte sich durch einen Blick mit Carberry und Tucker. Die drei Männer glitten auf das Schott zu, und im selben Augenblick wurde es von innen geöffnet.

      „Die Suppe ist …“ begann ein dürrer junger Mann mit engstehenden Augen.

      „Fertig, ja?“ fragte Hasard freundlich.

      Und bevor der Dürre wußte, wie ihm geschah, traf ihn ein Tritt unter das Kinn, der ihn rückwärts in die Kombüse beförderte.

      Hasard glitt hinterher und packte den Kerl am Kragen, ehe er sich auf die Herdplatte setzen und ein großes Geschrei veranstalten konnte. Der zweite Mann im Raum, Tomaso, wühlte gerade in dem Säckchen mit den getrockneten Früchten. Er kaute noch. Jetzt verschluckte er sich, lief rot an, würgte, hustete – und spuckte Rosinen aus, als sich Ed Carberrys harte Faust in seinen schwabbelnden Bauch bohrte.

      „Uuh!“ röchelte der dicke Tomaso. „Rcks!“ fügte er hinzu, als ein Haken unter sein Doppelkinn ihn wieder aufrichtete. Seine Augen verdrehten sich, er fiel wie ein nasser Sack zusammen und rührte sich nicht mehr.

      Der Kerl in Hasards Griff war nur wenige Sekunden bewußtlos gewesen.

      Jetzt begann er zu zappeln – und versteifte sich, als er wieder einigermaßen durchblickte. Der Seewolf starrte ihn an, und der Ausdruck in den eisblauen Augen ließ den Burschen wie Espenlaub zittern.

      „Wo sind die Gefangenen?“ fragte Hasard durch die Zähne. „Heraus mit der Sprache, oder ich stopfe dich eigenhändig ins Feuerloch!“

      „W-w-weg!“ stotterte der Dürre.

      „Wieso weg? Wo stecken die anderen? Wer ist außer euch noch an Bord?“

      Der Dürre starb fast.

      „N-n-nur V-v-valerio“, brachte er heraus. „Sie s-sind alle weg! An L-l-land! Den Sch-sch-schatz suchen.“

      Hasard atmete tief durch. Er wandte sich Carberry zu und mußte unwillkürlich grinsen.

      „Pech für dich, Ed“, sagte er trokken. „Du mußt dein Vergnügen noch etwas aufschieben.“

      Die Luft hallte wider von den kehligen, tremolierenden Schreien.

      Von einer Sekunde zur anderen schienen die braunhäutigen Krieger überall zu sein: im Dickicht, auf der Treppe, auf den riesigen Steinquadern des Tempelbauwerks. Drei, vier von den Piraten brachen schreiend im Pfeilhagel zusammen, und Dan und Batuti ließen blitzartig die goldene Statue fallen.

      Das Ding rollte über die Stufen und fegte ein halbes Dutzend Maya von den Füßen.

      „Weg!“ zischte Dan.

      Wie eine Katze sprang er die letzten Stufen hinunter, warf sich nach rechts in den Schatten zwischen Gestrüpp und Schlinggewächsen, und unmittelbar hinter ihm brach Batuti durch die Büsche.

      Die beiden waren gezwungen worden, die Piraten zu begleiten.

      Sie hatten nicht das leiseste Interesse daran, gegen die Maya zu kämpfen, die ja nur ihre Heiligtümer verteidigten. Der Bretone und seine Bande von goldgierigen Halunken mochten sehen, wie sie mit den Maya fertig wurden. Dan und Batuti dachten nicht daran, sich auf die Seite der Piraten zu stellen, und sie hatten nicht die geringsten Gewissensbisse, sich seitwärts in die Büsche zu schlagen.

      Nur daß es mit dem In-die-Büsche-schlagen nicht so klappte, wie sie sich das vorstellten.

      Die Büsche wimmelten nämlich von Maya-Kriegern. Die halbnackten braunhäutigen Männer mit den kühnen Gesichtern und den seltsamen zopfartigen Haartrachten bewegten sich geschickt wie Wildkatzen im Dickicht. Rechts und links von Batuti erklangen die kurzen, tremolierenden Rufe, als verständigten sich die Jäger über den Standort des Wildes. Als die beiden Flüchtenden wenig später eine winzige Lichtung erreichten, sahen sie sich zwei Dutzend braunhäutigen Kriegern gleichzeitig gegenüber.

      Dan und Batuti fanden nicht einmal Zeit zu überlegen, ob sie kämpfen oder besser versuchen sollten, sich irgendwie mit den Maya zu verständigen.

      Die braunhäutigen Krieger debattierten nicht erst, sie griffen an. Und sie wollten ihre Opfer lebend, das war an der Art zu sehen, wie sie ihre Speere als Schlagwaffen benutzten.

      Von allen Seiten stürzten sie sich auf die beiden Seewölfe.

      Zwei Dutzend Angreifer. Sie erhielten Verstärkung, immer mehr Krieger stürzten aus dem Dickicht. Dan kämpfte wie ein leibhaftiger Tornado, Batuti mähte mit seinen wie Dreschflegel wirbelnden Fäusten sieben, acht Gegner nieder, aber gegen die Lanzenschäfte, die gleich dutzendfach auf seinen schwarzen Krauskopf prasselten, war auch er machtlos.

      Ohnmächtig brach er zusammen.

      Dan ging mit fliegenden Fahnen unter und verlor ebenfalls das Bewußtsein.

      In den Augen der keuchenden, reichlich angeschlagenen Maya-Krieger dämmerte Bewunderung auf, als sie ihre Opfer endlich einsammeln konnten.

      Der schwarze Segler und die kleine Karavelle waren in die Bucht gelaufen, und die Seewölfe hatten ihre alte „Isabella“ wieder in Besitz genommen.

      Anstelle von Dan und Batuti hockten jetzt der alte Valerio, Tomaso und der Dürre gefesselt in der Vorpiek. Sie hatten bereitwillig alles erzählt, was die Seewölfe wissen wollten. An Widerstand dachten sie nicht. Denn die Tatsache, daß die Männer, die sie immer noch hilflos auf der Insel wähnten, so plötzlich über sie hergefallen waren, hatte die drei Piraten bis ins Mark getroffen.

      Bei den Seewölfen wollte kein rechter Jubel aufkommen.

      Noch nicht! Zuerst mußten sie Dan und Batuti finden. Und dazu brauchten sie die Hilfe des Maya, den sie vor den Spaniern gerettet und mit an Bord genommen hatten.

      Yuka stand neben Hasard, Ben Brighton, Siri-Tong und dem Wikinger auf dem Achterkastell.


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