Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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breit und ungeschlacht. Etwas Karmesinrotes flatterte aufgeregt über dieser Erscheinung, und dann ertönte eine wohlbekannte Stimme: „Nicht schießen, ich bin’s.“

      „Mann o Mann“, sagte Shane.

      „Der macht mich schwach“, ächzte Matt Davies.

      Und Blacky richtete sich auf und sagte: „Fast hätte ich wirklich abgedrückt, Ed. Bist du denn des Teufels?“

      Hasard war auch aufgestanden und trat auf Carberry zu, der nun mit seinem vollständigen Trupp aus dem Gestrüpp stieg.

      „Was ist denn los, Profos? Habt ihr etwas entdeckt?“

      „Wir nicht, aber – ich – Augenblick, Sir.“ Carberry griff mit der Pranke in die Luft, so flink hätte ihm das keiner zugetraut. Er schnappte sich Sir John, den Papagei, und hielt ihn in der vorgestreckten Faust vor Hasard hin. „Los, sag deinen Spruch noch mal auf, du Geier.“

      „Feindschiff voraus“, krähte Sir John. „Obacht, Jungs – Galeone mit drei Masten.“

      „Ach, das ist doch nur einer von den Sätzen, die du ihm beigebracht hast“, wandte Ferris Tucker ein. „Wenn wir auf alles Rücksicht nehmen sollten, was das Federvieh von sich gibt …“

      Carberry stieß einen grollenden Laut aus. „Ferris, Sir John ist doch zur ‚Isabella‘ zurückgeflogen, als wir noch am Strand standen. Und jetzt ist er hergeflogen, hat mich gesucht, gefunden – das tat er nicht ohne triftigen Anlaß. Sir, ich bitte um Erlaubnis, zu den Schiffen laufen zu dürfen.“

      Hasard betrachtete den Aracanga. Der plapperte wieder etwas von Feindschiffen und Galeonen, und Hasard dachte daran, daß er ihnen schon mehrfach geholfen hatte.

      Warum alarmierten aber Ben Brighton und Juan die Landgänger nicht? Nun, sie hätten es nur durch einen Schuß tun können, und der hätte zweifellos auch den plötzlich auftauchenden Gegner aufmerksam werden lassen.

      „Wir kehren zur Bucht zurück“, entschied Hasard. „Alle.“

      3.

      Thorfin Njal und seine Männer hatten von diesen Vorgängen nichts verfolgen können. Sie befanden sich inzwischen am südlichsten Zipfel der Insel.

      Hier schloß ein sanfter, geschwungener Strand aus beinahe schneeweißem Sand das Land zur See hin ab. Donnernd türmten sich die Wogen auf, sie wuchsen und wuchsen, bis sie an ihrem Kämmen abzubrechen schienen und auf die Insel zurasten. Die schäumende Brandung leckte näher und näher auf die Erhöhung zu, auf der Thorfin Njal und die anderen neun standen. Die Flut hatte eingesetzt.

      „Bei Odin und allen Göttern“, sagte Eike. „Hier ist es so schön wie nirgendwo.“

      „Man kriegt Lust, ein Bad zu nehmen“, meinte Mike Kaibuk.

      „Bist du verrückt?“ Muddi blickte ihn entsetzt von der Seite an. „Ich bade nur einmal im Jahr, meistens zu Weihnachten.“

      „Das merkt man auch“, sagte Oleg und rümpfte die Nase.

      Thorfin Njal rückte sich den Kupferhelm zurecht, wandte sich dem Inselinneren zu und setzte den Marsch fort.

      „Schluß mit dem Palaver“, sagte er. „Beeilen wir uns. Wir haben noch ein gutes Stück Weg zurückzulegen, wenn wir dieses Eiland ausreichend erkunden wollen. Und ich will pünktlich wieder am Treffpunkt sein.“

      Beim Dahinschreiten stieß Pedro Oritz seinen Landsmann Diego Valeras mit dem Ellbogen an. „Bisher haben wir noch nichts entdeckt, das auf Menschen hindeutet. Glaubst du wirklich, daß hier Wilde hausen?“

      Diego blickte zu den Bergen hoch. Sehr einladend wirkten sie mit ihrem düsteren Gestein nicht. „Ich weiß nicht. Sie könnten uns entdeckt haben und sich dort oben versteckt halten.“

      Plötzlich vibrierte der Untergrund leicht, und die fünf Wikinger und die anderen fünf vom schwarzen Segler blieben abrupt stehen.

      „Verflucht, was war denn das?“ Der Stör blickte Eike, Arne und Oleg an, aber die schauten genauso ratlos drein.

      Der Boston-Mann, der zehnte Mann der Gruppe, sagte: „Ein Erdstoß. Erinnert ihr euch noch an die Inseln, auf denen sich O’Lear, der irische Pirat, verkrochen hatte?“

      „Die werde ich nie vergessen“, erwiderte Mike Kaibuk. „Junge, Junge, wie sich der Feuersee aus dem Krater ins Meer ergossen hat – das war ganz schön schaurig.“

      Der Boston-Mann wies mit dem Kopf zu den Bergen. „Da oben gibt es auch feuerspeiende Felsenlöcher.“

      „Ach du Schande“, sagte Arne. „Das scheint ja wirklich ein gastlicher Ort zu sein. Der Strand und die Palmen trügen.“

      „Nun macht euch doch nicht gleich die Hosen voll“, polterte Thorfin Njal los. „Was seid ihr denn für Kerle? Es ruckelt ein bißchen in der Erde, und schon fangt ihr an zu unken. Wißt ihr was? Wer Schiß hat, der kann meinetwegen zu den Booten zurückkehren.“

      „Der kann zu den Booten zurückkehren“; echote der Stör.

      Thorfin Njal war aber im Moment zu verbiestert, um darauf zu achten. Er stapfte stur geradeaus weiter, zerdrückte ein paar deftige Wikingerflüche auf den Lippen und konzentrierte sich im übrigen auf das Niedertrampeln von Gras und Sträuchern.

      Als er sich wieder umdrehte, stellte er fest, daß sie noch alle da waren: Eike, Arne, Oleg, der Stör, die beiden Portugiesen, Mike, Kaibuk, Muddi und der Boston-Mann. Da grinste Njal. Sind eben doch Kerle, dachte er.

      Das Dickicht verband sich übergangslos mit dem Unterholz eines Waldes. Die Bäume hatten eigenartige Formen und blaugrüne Blätter. Die Männer sahen diese Art zum erstenmal in ihrem Leben. Sie blieben stehen und betrachteten sie interessiert. An einem Baum mit besonders niedrigen Ästen kletterte der Boston-Mann empor.

      Plötzlich straffte sich seine Gestalt. Er verharrte und bedeutete den anderen, still zu sein. Eine Weile kauerte er so in der Krone des seltsamen Baumes, dann ließ er sich wieder nach unten gleiten und sagte zu den anderen: „Im Wald gibt es einen Bach oder einen Teich. Ich habe das Wasser glitzern sehen.“

      „Dann nichts wie hin“, entgegnete Thorfin Njal. „Wenn das Wasser nicht faulig schmeckt und nicht brackig ist, können wir damit unsere leeren Fässer und Schläuche auf den Schiffen füllen.“

      „Aber Vorsicht“, warnte der Boston-Mann. „Da hat sich was bewegt.“

      „Ein Tier?“ fragte Pedro Ortiz gedämpft.

      „Tiere oder Menschen.“

      „Haltet die Waffen bereit“, sagte Thorfin Njal. „Wir werden ja gleich sehen, mit wem wir es zu tun haben.“

      Sie bahnten sich einen Weg durchs Unterholz und waren bemüht, keine Geräusche zu verursachen. Etwas später erkannten sie alle die schillernden Silberkronen, die das Sonnenlicht den Wellen der Wasserstelle aufsetzte. Thorfin Njal blinzelte zwischen Gras und Büschen hindurch und schob sich auf allen vieren voran. Als er drei, vier Yards weitergerobbt war, stellte er fest, daß sie sich tatsächlich einem Teich näherten.

      Dann aber stockte er. Durch das feine Plätschern hindurch vernahm er gedämpfte Stimmen und hin und wieder ein Kichern. Er verhielt, legte Pistole und Schwert vor sich ab und bog die Halme behutsam mit den Händen auseinander.

      Tiere oder Menschen, das war jetzt keine Frage mehr. Geradezu überdeutlich hoben sich die Köpfe von fünf Mädchen aus dem Wasser ab. Sie hatten einen Kreis gebildet, waren bis über die Schultern eingetaucht und spielten mit irgend etwas, das wie ein Ball aussah.

      Das Ding entpuppte sich bei näherem Hinsehen als ausgehöhlte Melone. Vielleicht war es auch mehr ein Kürbis oder eine Kalebasse, so genau wußte der Wikinger das nicht. Er verschwendete auch keine weiteren Gedanken daran, denn der Anblick der fünf Mädchen nahm ihn voll und ganz in Anspruch.

      Ihre schwarzen Haare hingen naß bis auf die Schultern und umrahmten


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