Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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heraus. Sie plantschten, alberten und lachten, und nichts schien sie stören zu können.

      „Bei Odin“, hauchte Arne. „Bin ich wirklich wach?“

      „Ich kann dir ja eine ’runterhauen“, zischte Oleg. „Dann merkst du’s.“

      Muddi war rechts neben Thorfin Njal angelangt und starrte mit verzücktem Ausdruck auf die fünf Eingeborenenmädchen.

      „So was Leckeres“, murmelte er. „Richtig zum Vernaschen. Himmel, was haben wir doch für ein Glück.“ Den Blick, den Thorfin Njal ihm zuwarf, registrierte er nicht. „Wenn sie doch bloß mal ganz auftauchen würden“, fuhr er fort.

      „Muddi“, versetzte der Wikinger scharf. „Halt die Luft an. Du hast es hier nicht mit verwanzten Hafenhuren zu tun, verstanden?“

      „Aber ich – ich – wir haben schon lange keine Weiber mehr gehabt, verflixt noch mal.“

      „Vorsicht“, sagte Arne. „Nimm den Mund nicht zu voll, Kleiner. Wenn Thorfin Njal wild wird, ist alles zu spät, das weißt du.“

      „Man wird doch noch seinen Spaß haben dürfen“, sagte Muddi giftig.

      Der Boston-Mann glaubte die düsteren Wolken zu sehen, die sich in diesem Augenblick um Thorfin Njals Stirn zusammenzogen. O, sie erinnerten sich alle noch daran, wie eine Handvoll Amazonen ein paar Männer der „Isabella“ in eine Falle gelockt hatten. Aber nicht nur das war es – ein guter Seemann mußte sich auch zusammenreißen können und durfte erstens nicht jedem weiblichen Wesen nachhetzen, das ihm über den Weg lief. Zweitens hatte er zu berücksichtigen, daß auch „nackte Wilde“ ihre Würde und Ehre hatten.

      Siri-Tong und Thorfin Njal versuchten ständig, diese Grundsätze ihrer Besatzung einzuhämmern. Disziplin und Anständigkeit hingen ursächlich zusammen, und die Piraten auf dem schwarzen Segler sollten dies verinnerlichen, wie es auch die Seewölfe in ihren Bordkodex aufgenommen hatten.

      „Wer aus dem Rahmen fällt, den stauche ich zusammen“, drohte Thorfin Njal.

      Er hatte zu laut gesprochen, die Mädchen im Wasser hatten ihn gehört. Mit ängstlichen Rufen scharten sie sich zusammen, schwammen dann auf das gegenüberliegende Ufer des Teiches zu und schickten sich an, das Naß zu verlassen.

      Thorfin Njal setzte sich auf, drehte sich um und fuhr seine Leute an: „Kehrtmachen, und zwar dalli – mit dem Gesicht nach Süden. Wird’s bald?“

      Der Boston-Mann, der nach Thorfin Njal und Juan am meisten an Bord des schwarzen Seglers zu sagen hatte, folgte der Aufforderung widerspruchslos als erster. Die anderen drehten sich ebenfalls um. Auch Muddi. Vor Njals riesigen Fäusten hatte er nämlich enormen Respekt.

      Der Wikinger hörte es hinter sich im Gebüsch rascheln. Vorsichtig, als könne er jemanden stören, wandte er sich wieder um. Die nackten Mädchen waren soeben im Unterholz verschwunden. Er konnte gerade noch ein braunes Bein sehen, dann waren sie weg und hasteten davon, als säße ihnen der Teufel im Nacken.

      „Wir folgen ihnen“, sagte Thorfin Njal. Er erhob sich und las dabei seine Waffen vom Untergrund auf. „Aber in einigem Abstand. Wir marschieren ihren Spuren nach, sie werden uns zu ihrem Dorf führen. Ich will wissen, mit wie vielen Eingeborenen wir es hier zu tun haben.“

      „Wir es hier zu tun haben“, wiederholte der Stör. Im nächsten Augenblick vollführte er einen Satz nach vorn, denn Thorfin Njal hatte ihn in den Hintern getreten. Des Störs Pech war es, daß er sich schon wieder umdrehte. Er stolperte also nicht nach Süden, sondern nach Norden. Im Norden erstreckte sich der Teich. Der Stör rutschte prompt im Uferschlick aus und landete mit dem Hosenboden im flachen Wasser.

      Die anderen Männer stießen sich an und wollten sich vor Lachen ausschütten.

      Thorfin Njal grinste grimmig. „Nur zu“, sagte er. „Vielleicht haben wir bald nichts mehr zu lachen.“

      Hasard, Siri-Tong, Ed Carberry und ihre Begleiter hatten die Ankerbucht der Schiffe wieder erreicht. Der Profos hatte sich den Papagei in die Wamstasche gestopft, aber Sir John schlüpfte jetzt wieder daraus hervor und flog zur „Isabella“ hinüber.

      Dan O’Flynn begann aus dem Großmars zu signalisieren. Missjöh Buveur signalisierte ebenfalls, er gab Blinkzeichen mit einer Glasscherbe.

      „Also doch“, sagte der Seewolf. „Wir kriegen Besuch. Noch können wir das Schiff nicht sehen. Wahrscheinlich segelt es aus nördlicher Richtung heran.“

      „Ja, das signalisiert Dan uns gerade“, erwiderte Siri-Ton.

      Hasard spähte aus schmalen Augen zum Nordrand der Bucht. „Wir haben die Palmen im Blickfeld“, stellte er fest. „Erst auf unseren Schiffen können wir genau sehen, wer uns da auf den Leib rückt.“

      „Besetzt die Boote!“ rief Carberry. „Hopp-hopp, willig, willig, ihr Kakerlaken, oder ich zünde euch ein Feuerchen unterm Achtersteven an.“

      Die Männer stürzten zu den Booten, packten zu und schoben sie in die Brandung. Siri-Tong blickte nach Süden und stand einen Moment unschlüssig da.

      „Was ist, willst du auf Thorfin Njal und seine Gruppe warten?“ fragte Hasard. „Wer weiß, wo die inzwischen stecken.“

      Die Korsarin wandte sich wieder um. Sie hatte ihren Entschluß gefaßt. „Bill the Deadhead!“ rief sie.

      „Madame?“

      „Du läufst nach Süden und suchst Thorfin Njal und seine Gruppe. Wenn du sie gefunden hast, meldest du ihnen, was hier los ist. Sie sollen schleunigst zurückkehren.“

      „Aye, aye, Madame“, antwortete Billy und drehte auf dem Stiefelabsatz um und eilte davon. Er war ein großer, grobschlächtig wirkender Mann, auf den Verlaß war.

      Ein Boot ließen die Seewölfe und Siri-Ton auf dem Sandstrand zurück. Mit den drei anderen pullten sie durch die Brandung. Gischt stob hoch und hüllte ihre Gestalten ein. Höher bäumten sich die Wogen jetzt auf. Das lag an der Flut. Sie schien verhindern zu wollen, daß die schwarzhaarige Frau und die, Männer zu ihren Schiffen zurückkehrten.

      Siri-Tongs Boot wurde von einer Welle fast umgeworfen. Buchstäblich im letzten Augenblick stemmte die Korsarin, die auf der Heckducht kauerte, die Ruderpinne herum und drückte auf diese Weise das Gefährt aus der gefährlichen Gegendrift. Legten sich die Boote erst quer zur Wogenbewegung, mußten sie unweigerlich kentern.

      Die Männer begannen zu fluchen. Es kostete sie eine enorme Anstrengung, die Brandung zu überwinden und in ruhigeres Wasser zu pullen. Als sie die „Isabella“ und den schwarzen Viermaster endlich erreichten, warteten die an Bord Zurückgebliebenen schon voller Ungeduld auf sie.

      Jakobsleitern baumelten von den Bordwänden herab. Hasard enterte an der Spitze seines Trupps in aller Eile auf. Drüben auf dem schwarzen Schiff kletterte Siri-Tong gerade über das Schanzkleid der Kuhl und hastete zum Achterdeck, wo Juan sie erwartete.

      Hasard lief zu Ben Brighton. Ben stand neben dem Ruderhaus und blickte durch sein Spektiv nach Nordwesten.

      „Er hält weiter Kurs auf uns!“ rief Dan O’Flynn.

      „Ist es wirklich ein Dreimaster, wie Sir John gesagt hat?“ wollte Hasard von Ben Brighton wissen.

      Ben setzte den Kieker ab. „Ja. Eine große, prächtig gebaute Galeone. Sieh selbst.“ Er reichte ihm das Rohr.

      Hasard nahm es entgegen, stürmte mit zwei Sätzen zum Achterdeck hoch und stellte sich ans Backbordschanzkleid. Die „Isabella“ lag mit dem Vorsteven nach Norden vor Anker. Von seinem Platz aus konnte der Seewolf aus der Bucht bis zu den vier kleineren Inseln blicken, die der großen im Nordosten vorgelagert waren.

      Die Galeone war ein dunkler Schemen vor den Inselrücken und dem glutigen Sonnenball, der jetzt sehr tief über der See stand. Hasard war anfangs geblendet, gewöhnte sich dann aber rasch an das Licht.

      Die Galeone steuerte genau auf die Ankerbucht zu.

      „Wirklich ein


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