Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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kennengelernt hatten.

      Die Männer trugen geflochtene Lendenschurze, die Frauen und Mädchen Baströcke und Kleidungsstücke, die die Brüste bedeckten. Thorfin Njal erkannte zwei von den fünf Mädchen wieder, die sie beim Baden in dem Teich gesehen hatten. Sie lächelten und schienen jetzt gar nicht mehr so große Angst zu haben.

      „Das sind aber freundliche Leute“, sagte Oleg. „Ja, haben die denn keine Angst, daß wir sie umbringen und ihre Hütten abbrennen? Ich versteh das alles nicht so recht.“

      „Ich werde es euch erklären“, antwortete jemand, aber es war nicht Thorfin Njal oder ein anderer Mann des Trupps.

      Der Sprecher schlüpfte aus dem Eingang der vordersten Hütte. Er trug einen Lendenschurz wie die anderen Männer des Stammes, und doch unterschied er sich ganz erheblich von ihnen.

      Er war ein Weißer.

      In reinstem Kastilisch sagte er: „Natürlich haben wir eure Ankunft beobachtet, aber wir dachten, ihr stecktet mit Ciro de Galantes unter einer Decke. Deswegen haben wir uns verborgen. Als dann die Späher gesehen haben, daß sich eins eurer Schiffe auf den Schuß hin gegen die Galeone von de Galantes gewandt hat, haben sie es mir sofort gemeldet. Da habe ich ihnen gesagt, daß wir von euch wahrscheinlich keine Feindseligkeiten zu erwarten haben, und daß sie euch einladen sollten hierher zu kommen.“

      „Das kapiere ich nicht ganz“, sagte Thorfin Njal in seinem holprigen Spanisch. „Wer bist du überhaupt?“

      „Mein Name ist Thoams Federmann.“ Er trat dicht vor den Wikinger hin und sah ihn eindringlich aus seinen blauen Augen an. „Ich bin ein Abkömmling der Welser. Aber du – du bist garantiert kein Spanier.“

      „Bei Odin“, stieß Thorfin grollend hervor. „Willst du mich beleidigen? Ich bin ein Nordmann.“

      „Ach so. Ein Wikinger, hier in Polynesien? Das ist ja ein richtiges Wunder.“

      „Und ein Deutscher?“ rief Njal. „Ist das nicht genauso merkwürdig?“

      Federmann nickte. „Wir können uns aber auch auf englisch unterhalten, wenn euch das lieber ist“, sagte er. Er streckte die Hand aus. „Meine Kameraden hier kennen die Geste nicht, die man bei uns anwendet, wenn man Freundschaft schließt. Sie verneigen sich nur. Ich kann jetzt bloß hoffen, Bundesgenossen in euch gefunden zu haben.“

      „Hältst du es mit den Spaniern?“ wollte Thorfin Njal wissen.

      „Ich bin unabhängig“, erwiderte Federmann ernst. „Ich bin ein neutraler, friedliebender Mensch, der hier gelernt hat, daß es eigentlich keinen Krieg zu geben braucht.“

      Da grinste der Wikinger von ganzem Herzen und drückte die Hand des Deutschen. Federmann verzog keine Miene, obwohl der Wikinger ihm fast die Finger zerquetschte.

      Er war ein schlanker, sehniger Mann, dieser Thomas Federmann, und seine Hand war nur halb so groß wie die des bulligen Wikingers. Trotzdem schien eine Menge Kraft in ihm zu stecken.

      „Willkommen“, sagte er. „Meine Freunde, die Polynesier, sind von jetzt an auch die euren.“

      Der Wikinger lachte. „Danke, es freut mich wirklich, solche Worte zu hören. Es ist schon lange her, daß wir bei Fremden einen solchen Empfang gehabt haben. Ich hätte dich viel zu fragen, Thomas, aber laß mich eines vorwegnehmen: Wer ist dieser Cira de Galantes?“

      „Ein spanischer Meuterer und Seeräuber“, entgegnete Federmann. „Er hat seinen Schlupfwinkel auf Oahu, einer der nördlichen Nachbarinseln. Es ist ihm gelungen, die dort ansässigen Eingeborenen für seine verbrecherischen Ziele zu gewinnen. Sie fahren mit ihm auf der großen Galeone, und schon seit einiger Zeit schleichen sie um unsere Insel herum, um auch uns zu unterjochen.“

      „Wie nennt ihr diese Insel?“ erkundigte sich Mike Kaibuk.

      „In der Sprache der Polynesier heißt sie Hawaii.“

      „Klingt schön“, meinte der Stör.

      „Halt den Rand“, sagte Thorfin Njal. „Merkst du nicht, daß sich was zusammenbraut? Dieser de Galantes hat sich an unsere Ankerbucht ’rangepirscht und uns ein Ding vor den Bug gesetzt, wenn ich richtig verstanden habe. Wir stehen kurz vor dem Kampf, und da redest du von Schönheiten.“

      Plötzlich fuhren sie alle herum, denn jemand stürzte durchs Unterholz auf die Lichtung. Es waren die beiden Portugiesen – und Bill the Deadhead.

      „Wir haben uns unterwegs getroffen!“ rief Diego Valeras. „Bill ist von Siri-Tong losgeschickt worden, damit er uns unterrichtet. Vor der Bucht ist ein fremdes Schiff aufgetaucht und …“

      „Das wissen wir schon“, erwiderte Thorfin Njal. „Der Bursche hat einen Warnschuß abgegeben – und dann?“

      „Hasard ist ihm nach“, sagte Bill the Deadhead. „Soviel habe ich noch gesehen.“

      „Und die Rote Korsarin?“ fragte der Boston-Mann.

      „Liegt mit dem schwarzen Schiff in der Bucht, wartet auf uns und hält den Seewölfen den Rücken frei“, erwiderte Bill.

      „Das halte ich nicht für sehr taktisch“, wandte Thomas Federmann ein. „De Galantes ist gut armiert und wird eure Freunde in eine Falle lokken.“

      „Also“, erklärte Oleg, „weißt du überhaupt, wer Hasard ist? Du wirst noch staunen. Man nennt ihn den Seewolf, aber in Wirklichkeit heißt er Philip Hasard Killigrew. Er ist bei den Killigrews in Cornwall aufgewachsen, doch sein wirklicher Vater war ein Malteserritter – Godefroy von Manteuffel.“

      Jetzt war Federmann wirklich überrascht. Er öffnete weit die Augen und wußte nicht, was er sagen sollte. von Manteuffel? Das war ja ein deutscher Name!

      Plötzlich wehte wieder Donnergrollen heran. Thorfin Njal stieß einen Fluch aus. Die Polynesierfrauen schauten ihn verwundert an, aber sie verstanden ja nicht, was er da von sich gab.

      Das Wummern wiederholte sich und schien plötzlich überall Echos zu finden. Nein, es war nicht die Erde, die bebte – die Geräusche drangen von der See herüber, zwar nur schwach, weil das meiste vom Wind davongetragen wurde, aber Thorfin Njal wußte auch so gut genug, was das zu bedeuten hatte.

      „Hölle und Teufel“, stieß er hervor. „Jetzt wird es aber Zeit, daß wir an Bord des schwarzen Seglers zurückkehren. Los, Männer, nichts wie zur Bucht! Thomas Federmann, wir sehen uns später wieder!“

      Er drehte sich um und stürmte los. Die anderen liefen hinter ihm her, aber plötzlich waren sie nicht mehr elf Weiße, sondern zwölf. Thomas Federmann hatte sich ihnen angeschlossen. Und die Polynesier-Männer hasteten an ihnen vorbei und winkten aufgeregt.

      „Wir kennen eine Abkürzung zum Westufer!“ rief Federmann.

      Die „Isabella“ war noch ein Stück weitergesegelt, weiter an dem schwarzen Felsenufer der Insel entlang, das sich wie eine drohende Mauer hochtürmte.

      Hasard hatte unablässig Ausschau gehalten und vor allen Dingen auch einen Blick nach Backbord achtern geworfen – und nur deshalb sichtete er die geheimnisvolle Galeone wieder, bevor es für ihn zu spät war.

      Sie schob sich plötzlich aus einer Felsenbucht hervor.

      Diese Bucht lag so ideal hinter einer Gesteinsnase versteckt, daß man sie erst einsehen konnte, wenn man sie passiert hatte. Sie war groß genug, um zwei nebeneinanderliegenden Schiffen Platz zu bieten, und die Felsen ragten so hoch auf, daß das Mastwerk völlig verdeckt wurde.

      Der Kapitän der Galeone hatte das Kunststück vollbracht, sich den Seewölfen zu entziehen, hineinzulavieren und sein Schiff zu wenden. Nur eine fähige Besatzung, die außerdem die Inselwelt bis ins letzte Detail kannte, war in der Lage, ein solches Manöver so schnell und geschickt zu vollziehen.

      „Achtung!“ rief Hasard. „Wir haben die Kerle Backbord achteraus!“

      Diesmal war er wacher als sein Ausguck. Dan fuhr im Großmars herum und kriegte regelrechte Stielaugen.


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