Seewölfe Paket 6. Roy Palmer
zu. De Galantes warf sich hin, fiel in einen Flammenherd und wälzte sich fluchend heraus. Er rollte bis zum Schanzkleid der Steuerbordseite und schlug mit den bloßen Händen auf das Feuer ein, das nach seiner Kleidung griff.
Das Geschoß war heran. Es entpuppte sich als eine Kadettenkugel. Mit einem Knall schlang sie sich um den Großmast und knickte ihn. Der Mast stand ohnehin in hellen Flammen und war bereits angeschlagen – jetzt neigte er sich nach Steuerbord und kippte mitsamt dem Rigg, dem laufenden und stehenden Gut als lodernde Fackel den Fluten entgegen.
De Galantes raffte sich hoch und lief um sein Leben. Er rannte, was seine Beine hergaben. Hinter ihm krachte die wabernde, glutige Last auf das Schanzkleid. Die Galeone krängte schwer nach Steuerbord, und de Galantes schrie in blanker Todesangst.
Etwas landete polternd auf dem Achterdeck – eine von Ferris Tukkers Höllenflaschen. Ein grellgelber Blitz und ein Donnerschlag verwandelten das Deck in ein wirbelndes Inferno.
Die Seewölfe zogen alle Register. Hasard hatte den Befehl gegeben, die Piratengaleone zu versenken.
Ciro de Galantes erreichte die Back. Er torkelte und stieß unverständliche Laute aus. Er sah kaum noch, wohin er sich wandte. In seinem Rücken war eine flammende, heiße Wand, die das Schiff verschlang. Er hatte nur noch den einen Wunsch: Fort, ins Wasser, nur weg von hier.
Er erklomm das Schanzkleid. Ein Drehbassenschuß heulte dünn auf die Galeone zu und wurde gewissermaßen das auslösende Signal für den Sprung des Spaniers.
Er stieß sich ab und sah die Fluten als düsteren Schlund auf sich zurasen. In seiner kopflosen Hast landete er nicht sehr günstig. Hart klatschte sein Leib in die Fluten, das Naß stob in sein Gesicht, fast öffnete er den Mund.
Er tauchte unter, ruderte mit Armen und Beinen, gewann Auftrieb und schoß wieder an die Oberfläche. Verzweifelt begann er zu schwimmen.
Molokai – nur die Insel konnte ihm noch Rettung bieten. Dort kannte er sich glänzend aus, dort konnte er in den Wäldern unterschlüpfen und sich vor diesen fremden Teufeln verstecken. Sein Kampfgeist und stolzes Selbstbewußtsein waren verschwunden. Die Ereignisse hatten ihn in eine der Urphasen seiner Instinkte zurückgeworfen, in ihm regierte jetzt nur noch der bloße Selbsterhaltungstrieb.
De Galantes blickte nicht zu der brennenden, sinkenden Galeone zurück. Er achtete auch nicht auf die gegnerischen Schiffe, die von beiden Seiten heranglitten und ihren Klammergriff schlossen.
Er dachte nur an Flucht.
Mehrere Explosionen erfolgten im Stakkato und gaben der Galeone den Rest.
„Das Feuer hat die Pulverdepots erreicht“, sagte der Seewolf. Er stand an der Five-Rail und verfolgte, wie das treibende Wrack auseinanderbrach. Ein Gluthauch wehte zur „Isabella“ herüber.
Rasch tauchten die letzten lodernden Teile des einst so stolzen und prunkvollen Schiffes in den Fluten unter.
„Beiboote abfieren!“ rief Hasard. „Da schwimmen hoch ein paar Piraten im Wasser. Wir nehmen sie gefangen. Ich will sehen, mit wem wir es zu tun hatten.“
„Weg mit den Zurrings!“ brüllte Carberry. „Schwenkt außenbords die Boote und fiert, ihr eingepökelten Heringe. Was bildet ihr euch ein? Daß ihr euch jetzt auf die faule Haut legen könnt, was, wie? Kommt in Gang, oder ich ziehe euch …“
„Geschenkt!“ schrie Blacky zurück. „Den Rest kannst du dir sparen, du Walroß!“
„Wie war das?“ Carberry rückte an.
„Blacky meint, wir sollen uns beeilen!“ rief Matt Davies zurück. „Sonst schaffen die Piraten es noch bis zur Insel und hauen ab, bevor wir sie erreichen.“
„Das sag ich ja“, dröhnte die Stimme des allgewaltigen Profos’.
Wenig später pullten die Männer den Flüchtenden nach – in vier Booten, denn auch Siri-Tong war mit dem schwarzen Segler zur Stelle und hatte zwei Boote bemannen lassen.
Die Korsarin war diesmal an Bord zurückgeblieben. Hasard indes stand aufrecht im Bug des vorderen Bootes und hielt Ausschau nach den letzten Piraten.
Sie holten sie ein. Verzweifelt suchten die Kerle im Wasser sich zu retten, aber sie waren schon zu erschöpft, um noch ausdauernd Widerstand leisten zu können.
„Nicht schießen!“ rief Hasard seinen Männern zu. „Und laßt auch die Säbel und Messer stecken, verstanden?“
„Aye, Sir“, antwortete Carberry, der das zweite „Isabella“-Boot steuerte. „Wir vergreifen uns doch nicht an Wehrlosen.“
Er bückte sich und schnappte sich einen Polynesier, der hastig Reißaus nehmen wollte. Der Bursche zappelte wie ein Fisch, aber Carberry ließ sich nicht beirren und zerrte ihn aus den Fluten, sobald er seine Beine zu packen kriegte.
Der Polynesier hatte hoch ein Messer und wollte damit zustechen. Carberry hieb nur einmal mit der rechten Pranke zu. Das Messer segelte in die See zurück, der Eingeborene jammerte und wedelte mit der schmerzenden Hand.
Hasard erblickte einen schwarzen Haarschopf Backbord voraus. Er gab seinen Männern einen Wink, und sie steuerten weiter nach links. Rasch schob sich das Boot auf den Mann im Wasser zu.
Als dieser die Verfolger bemerkte, tauchte er unter. Hasard versuchte zwar noch, ihn zu greifen, aber seine Hände faßten bereits ins Leere.
„Verdammt und zugenäht“, sagte er. „Ich habe keine Lust, hier Katz und Maus zu spielen.“
„Da ist er wieder!“ rief Shane, der die Ruderpinne bediente. „Rechts von uns! So ein raffinierter Hund!“
Hasard riß sich die Kleider vom Leib, bis, auf eine kurze Hose. Nur mit seinem Messer bewaffnet, stürzte er sich mit einem Kopfsprung in das Naß.
Der Schwarzhaarige tauchte vor ihm weg. Hasarf folgte ihm. Unter Wasser hätte auch Dan, der Mann mit den schärfsten Augen, nicht die Hand vor Augen erkennen können. Hier herrschte tintenschwarze Finsternis.
Hasard orientierte sich, so gut er konnte. Der Schwarzhaarige war ungefähr einen Yard vor ihm weggetaucht, aber als er an die Stelle geriet, war der Kerl verschwunden. Natürlich. Etwas anderes hatte Hasard auch nicht erwartet. Der Pirat fintierte, so gut er konnte.
Versuchsweise steuerte der Seewolf nach rechts – und hatte Glück. Er stieß mit dem Mann zusammen. Dieser begann sofort um sich zu schlagen und mit den Beinen zu strampeln. Das Wasser dämpfte aber die Wucht seiner Bewegungen.
Hasard ließ sich nicht irritieren. Er steckte ein paar Hiebe ein, trieb die Deckung des anderen auf, packte ihn mit beiden Händen und stieß ihn nach oben.
Gemeinsam tauchten sie auf. Sie japsten nach Luft. Hasard sah ein schwarzbärtiges, breites Gesicht vor sich, aber das Bemerkenswerteste in dieser Physiognomie waren die Augen. Sie waren groß und dunkel und loderten in unauslöschlichem Haß.
„Hasard, paß auf, er hat ein Messer!“ schrie Gary Andrews aus dem Boot.
Hasard war auf der Hut. Der Schwarzbart riß den Dolch hoch und wollte damit auf ihn einhacken. Aber er bremste ihn im Ansatz, drehte ihm den Arm um, daß das Messer wegfiel, ließ ihn blitzschnell wieder los, zog die rechte Faust hoch und knallte sie ihm unter das Kinn.
Da sank der Kerl zusammen.
Hasard fing ihn auf und schleppte ihn zum Boot ab. Shane dirigierte es näher heran, und dann streckten sich hilfreiche Hände dem Seewolf entgegen.
Er ließ zuerst den Gefangenen an Bord hieven.
„Fesselt ihn“, stieß er keuchend aus. „Sonst erleben wir noch eine Überraschung mit ihm.“
„Der Bursche ist gefährlich wie ein Sack voll Schlangen“, meinte Matt Davies. Und damit traf er genau den Nagel auf den Kopf.
Hasard klomm an Bord. Er betrachtete den Schwarzbärtigen und tastete ihn ab.
„Wollen wir eine Wette abschließen? Er ist der Kapitän der Piratengaleone“,