Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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      Die Seewölfe hatten die Segel für kurze Zeit wieder gesetzt, aber jetzt hingen sie erneut im Gei, denn die „Isabella“ lag mit dem Vorsteven im Wind.

      Sie hatte das Manöver eher vollendet als die feindliche Galeone – und das geriet jetzt zu einem unschätzbaren Vorteil.

      „Feuer!“ schrie Hasard.

      Rotgelbe Schlitze zerteilten vor der Bordwand der „Isabella“ den herabsinkenden Vorhang der Nacht. Blakender Rauch zog wieder in dicken Schwaden übers Oberdeck und brachte die Männer zum Husten.

      Shane und Batuti sandten unablässig Brandpfeile zu der gegnerischen Galeone hinüber. Plötzlich stand die Takelung des stolzen, prunkvollen Dreimasters in hellen Flammen. Plötzlich barst der Fockmast nach Backbord weg, knickte ab und stürzte, in zwei Teile zerbrochen, außenbords. Gellende Schreie wehten zur „Isabella“ herüber, aber sie nötigten Hasard und seinen Freunden kein Mitleid ab.

      „Sie haben es ja nicht anders gewollt“, murmelte Hasard. „Sie haben uns den Hinterhalt gelegt, aber dabei haben sie nicht bedacht, daß wir die Luvposition gewinnen und beibehalten könnten.“

      Ja, er keilte die fremde Galeone zwischen Luv und Legerwall ein. Rasch hatten die Seewölfe wieder die Segel gesetzt, und die „Isabella“ fiel ab, wandte sich südwärts und halste, um dem Widersacher von neuem die Backbordbreitseite zu präsentieren.

      Zwar feuerten die Gegner mit den zwölf Geschützen ihrer Backbordbatterie zurück. Aber ihr Kampfgeist hatte inzwischen manches eingebüßt, und das wirkte sich empfindlich auf die Zielsicherheit aus. Manche Kugeln saßen jetzt zu niedrig, sie rissen nur rauschende Fontänen vor der „Isabella“ hoch. Andere wieder waren zu hoch gezielt und rasten flach über das Oberdeck weg.

      In diesem bedrohlichen Moment lagen Hasard und die Crew wieder auf den Bäuchen und schützten die Köpfe mit den Händen. Sie hatten sich „platt wie die Flundern“ gemacht, wie der Profos das nannte.

      Der Großmars kriegte einen Stoß ab, aber er bebte nur. Die Siebzehnpfünder-Kugel, die ihn gestreift hatte, flog zur anderen Seite hin in die Dunkelheit hinaus, ohne weiteren Schaden anzurichten.

      Zwei Geschosse knallten in die Bordwand der „Isabella“. Sie veranstalteten einen Höllenlärm und schienen den ganzen unteren Schiffsleib aufzutreiben. Old O’Flynn, Ben Brighton und Ferris Tucker fluchten zusammen. Der rothaarige Schiffszimmermann sauste nach unten, um den Bauch des Schiffes zu inspizieren.

      Hasard eilte ihm nach. Er turnte die Niedergänge zu den Frachträumen hinab, arbeitete sich im Stockdunkeln bis zu dem mittleren vor und sah seinen Schiffszimmermann schließlich vor einem riesig wirkenden Loch in der Bordwand stehen.

      „Das sieht nur so wüst aus!“ schrie Ferris. „Aber wir haben noch Glück, daß die Treffer nicht unterhalb der Wasserlinie liegen. Ich dichte das Leck jetzt notdürftig ab.“

      „Paß auf, daß die Lumpenhunde dir kein Loch in den Balg blasen“, sagte der Seewolf. „Ich schicke dir noch Bill zum Helfen hinunter, dann wirst du mit der Reparatur schneller fertig.“

      „Danke, Sir!“ brüllte Tucker gegen das Wummern und Grollen der Kanonen an.

      Hasard kehrte ans Oberdeck zurück, kommandierte Bill in den Frachtraum ab und hastete dann zum Achterdeck, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen.

      Das Feindschiff war inzwischen auch wieder abgefallen und hatte die Steuerbordkanonen abgefeuert. Nennenswerte Treffer waren diesmal auf der „Isabella“ nicht zu registrieren – von einem Loch im Großmarssegel abgesehen. Einer der geggnerischen Geschützführer hatte wohl Big Old Shane aus dem Großmars schießen wollen, um das mörderische Pfeilfeuer abzuwenden.

      Aber Shane und Dan O’Flynn lachten nur höhnisch. „Da müßt ihr früher aufstehen, ihr Bastarde!“ rief Dan. „Uns kann keiner was anhaben, merkt euch das.“

      Das war natürlich maßlos übertrieben, aber es gab die Stimmung wieder, die jetzt plötzlich unter den Seewölfen herrschte.

      Die große Galeone der Gegner lief nach Nordwesten ab. Sie war eine schwimmende Feuerlohe, von der fast unausgesetzt das Schreien der Verwundeten herüberdrang.

      „Wir segeln auf Parallelkurs mit“, entschied Hasard, als er neben Ben und Old Donegal stehenblieb. „Ich will sehen, was der Schurke vorhat. Verholt er sich wirklich? Oder hofft er auf Verstärkung?“

      „Woher soll die wohl kommen?“ meinte der alte O’Flynn. „Falls er hier irgendwo Verbündete hätte, wären die doch längst aufgetaucht.“

      „Trotzdem – wir müssen nach wie vor höllisch auf der Hut sein“, erwiderte der Seewolf. „Ich traue diesem Kapitän dort nicht über den Weg, auch dann nicht, wenn er untergeht. Ich sage euch, er ist einer der ausgekochtesten Halunken, denen wir je begegnet sind.“

      Er wußte nicht, wie recht er hatte. Eine drastische Bestätigung sollten seine Worte allerdings erst sehr viel später erfahren – als keiner mehr daran dachte.

      5.

      Thomas Federmann hatte Thorfin Njal und die anderen Siri-Tong-Piraten auf das schwarze Schiff begleitet. Die Polynesier, die als Führer durch das Inseldickicht fungiert hatten, waren am Strand zurückgeblieben.

      Das Boot wäre in der starken Brandung beinahe gekentert, und Thorfin Njal hatte Mord und Bein gewettert und dem Stör eine schallende Ohrfeige verpaßt, obwohl der genausoviel oder so wenig wie die anderen dafür konnte.

      Dann ihr Eintreffen auf dem schwarzen Segler – Federmann hatte sich vor Siri-Tong ein bißchen geschämt, weil er doch nur den Lendenschurz trug. Die Rote Korsarin hatte seine Gegenwart aber kaum zur Kenntnis genommen. Nur flüchtig hatte sie auf Thorfin Njals Erklärungen über das Dorf und dessen Bewohner hin genickt.

      Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Gefecht. Grollend wälzte sich der Kampflärm über die See. Siri-Tong hielt mit dem Spektiv Ausschau, konnte aber nicht mehr erkennen als einen rötlichen Schimmer über dem Platz, an dem das Gefecht der beiden Galeonen augenscheinlich stattfand.

      „Missjöh Buveur!“ brüllte Thorfin Njal zum Vormars hinauf. „Verfluchter Saufsack, siehst du denn nicht, wie der Kampf verläuft?“

      Der Franzose, diesmal weniger schwerhörig, rief zurück: „Nein, wir haben die nördliche Nachbarinsel genau davor! Da kann ich auch nichts dran ändern.“

      „Nein“, sagte Siri-Tong. „Aber ich halte es hier in der Bucht nicht länger aus. Hasard soll von mir denken, was er will, oder soll mir eigenmächtiges Handeln vorwerfen – wir laufen aus.“

      „Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mitfahre, Madame?“ sagte Thomas Federmann.

      Siri-Tong streifte seine Gestalt mit einem raschen Seitenblick. „Wie? Nein, natürlich nicht.“ Sie eilte nach vorn an die Five-Rail, legte die Hände auf die Leiste der hölzernen Balustrade. „Wir gehen ankerauf und stoßen so schnell wie möglich zur „Isabella“ vor. Wenn Hasard Hilfe braucht, erscheinen wir vielleicht gerade noch rechtzeitig!“

      Die Crew antwortete mit einem Kampfruf.

      Kurz darauf glitt das schwarze Schiff mit vollen Segeln aus der Bucht, nahm Nordkurs und hielt auf die Insel im Norden zu.

      Thomas Federmann stand in der Nähe von Siri-Tong, und auch der Wikinger war wieder zu ihnen getreten. Staunend ließ der Deutsche seinen Blick über die vier Masten mit den schwarzen Segeln wandern, betrachtete die Aufbauten und verfolgte die Mannschaft bei ihren emsigen Vorkehrungen.

      „So ein Schiff habe ich noch nie gesehen“, gestand er. „Ich glaube nicht, daß es in Europa gebaut worden ist. Auch nicht in der Neuen Welt.“

      „In China“, teilte ihm Thorfin Njal mit. „Das ist ein riesengroßes Land, in dem die Leute lange Zöpfe tragen. Nicht nur die Frauen, auch die Männer, meine ich.“

      Federmann lächelte jetzt. „Ich habe Bücher gelesen,


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