Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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Nachmittag löste die „Isabella“ die Leinen, voll gefechtsklar. Jetzt würde Admiral Drake Farbe bekennen müssen. Es war die einzige Möglichkeit, eine Entscheidung herbeizuzwingen. Hasards einziger Trumpf in diesem tückischen Spiel war der, auszulaufen und sich blitzschnell auf jedwede nur mögliche Reaktion Drakes einzustellen.

      Denn irgend etwas würde passieren, das war so sicher wie das Amen in der Kirche.

      Wenn jemals die Seewölfe bereit gewesen waren, eine Sache durchzuschlagen, dann jetzt. Da bedurfte es keiner Aufmunterung. Eine kalte Entschlossenheit hatte sie gepackt. Das Warten war vorbei.

      Bei Westenwind lief die „Isabella“ unter vollen Segeln aus der Mill Bay und auf die „Revenge“ zu.

      Dort herrschte hektische Aktivität, wie unschwer zu erkennen war. Sie gingen ankerauf. Die Segel wurden gesetzt, die Kanonenpforten geöffnet.

      Gut so, dachte Hasard grimmig. Damit wäre auch das klar: der Admiral wollte den Kampf. Und eigentümlich: irgend etwas in Hasard, das ihn wegen seiner drei Männer hoffen ließ.

      Doch diese Hoffnung wurde furchtbar zerstört.

      Sie alle sahen es, und ein Schrei der Wut und Empörung gellte zur „Revenge“ hinüber.

      Drei Männer wurden aus dem Vorschiff gezerrt und zum Schanzkleid auf der Steuerbordseite geschleppt. Sie konnten sich nicht wehren, denn ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt. Aber sie schienen auch gar nicht die Absicht zu haben, sich zu wehren. Fast gelassen stellten sie sich ans Schanzkleid.

      Aber hinter ihnen reihten sich zehn Seesoldaten auf – mit Musketen.

      Mit steinernem Gesicht hob Hasard das Spektiv und schaute hindurch. Er zuckte etwas zusammen, als die Gesichter von Matt Davies, Stenmark und Sam Roscill in dem Okular auftauchten. Er kniff das Auge zusammen, öffnete es wieder und betrachtete die drei Gesichter noch einmal.

      Kein Zweifel – die grinsten! Die grinsten, als sei heute ein besonders fröhlicher Tag. Oder als gelte es, gleich bei „Plymmy“ die Puppen tanzen zu lassen. Oder ein bißchen mit seinen Ladys zu schäkern.

      Dan O’Flynn neben Hasard murmelte erschüttert: „Die haben was auf der Pfanne, die drei. Wetten?“

      Hasard atmete tief durch. „Siehst du auch, daß sie grinsen?“

      „Und wie.“ Dan O’Flynn ließ das Spektiv sinken, durch das er ebenfalls gespäht hatte. Nachdenklich sagte er: „Aber sie sind gefesselt. Sonst könnte ich mir denken, daß sie einfach über Bord jumpen.“

      Hasard starrte ihn an. Irgendeine Ahnung drängte durch seinen Kopf, ein Gedanke, aber er ließ sich nicht fassen. Sein Blick wanderte weiter, zur Kuhl, wo die Männer hinter den Culverinen lauerten. Dort stand auch Jeff Bowie. Der Kerl rührte mit seiner linken Hakenprothese in der Holzkohlenglut eines Kohlebeckens herum. Dann zerhieb er mit dem Haken ein Stück Holzkohle, das wohl zu groß war. Die Kohle spritzte nur so auseinander.

      Hasard fuhr zusammen. Das war’s! Das mußte es sein!

      „Was ist?“ fragte Dan O’Flynn erstaunt.

      „Matts Prothese!“ stieß Hasard hervor. In seinen eisblauen Augen funkelten tausend Lichter. „Genial! Das Ding ist so scharf, um mühelos jede Fessel durchzutrennen. Das haben sie getan – und sich dann selbst wieder zum Schein gefesselt. Würden sie sonst so grinsen? Sag Ed Bescheid! Er soll zwei Männer bereit stellen, um auf der Backbordseite eine Jacobsleiter auszubringen – aber erst, wenn sie gesprungen sind!“

      Dan O’Flynn sparte sich das „Aye, aye“ und raste zur Kuhl hinunter. Eine halbe Minute später zeigte Ed Carberry grinsend klar und spuckte in seine Pranken. Nur eine Minute später war die gesamte Crew informiert. Ihre verkniffenen Mienen verschwanden. Sie waren wie erlöst.

      Auf Rufweite segelte die „Isabella“ an die „Revenge“ heran. Hasards Befehle waren klar. Wie es aussah, hatte er jetzt die Initiative übernommen – nur Drake wußte es noch nicht. Er würde eine böse Überraschung erleben.

      „Killigrew!“ brüllte der Admiral zur „Isabella“ hinüber. „Ich bin bereit, Ihre drei Dreckskerle auszutauschen – gegen Ihre werte Person, ha-ha-ha!“

      „Und wenn ich mich weigere?“ rief Hasard zurück.

      „Dann erleben Sie eine schöne Exekution – und anschließend sind Sie mit Ihrem Piratengesindel dran! Von Ihrem stinkenden Schiff wird keine Planke übrigbleiben. Sie haben eine Minute Bedenkzeit, Sie Bastard, Sie mieser Emporkömmling, Sie Gossendreck …“

      Noch waren die Musketen der Seesoldaten nach unten gerichtet.

      „Matt, Sten, Sam – springt!“ schrie Hasard. „Wir fischen euch raus!“

      Drei kräftige Rucke, die Fesseln platzten, und schon hechteten die drei Seewölfe elegant über das Schanzkleid, stießen hinunter ins Wasser und waren verschwunden.

      „Feuer frei!“ schrie Hasard. „Gebt’s ihnen, Arwenacks!“

      Die Backbordstücke brüllten auf und hieben ihre volle Breitseite in die „Revenge“. Es war, als klaffe dort die gesamte Steuerbordseite mit einem einzigen Ruck auf. Das Batteriedeck war ein totales Chaos. Da war nicht eine Kanone, die zurückfeuerte. Dicker Pulverqualm waberte zwischen den beiden Schiffen.

      „Back die Segel!“ schrie Hasard. „Ruder Steuerbord, Pete!“

      „Aye, aye, Ruder Steuerbord“, wiederholte Pete Ballie ruhig.

      Die „Isabella“ drehte in den Wind und verlangsamte ihre Fahrt.

      „Ed!“ schrie Hasard. „Außenbords die Jacobsleiter, klar bei Wurfleinen! Seht ihr sie?“

      „Aye, aye, Sten ist bereits dran!“ Carberry beugte sich über das Schanzkleid. „Komm, mein Junge, enter auf, oder soll dich der alte Carberry holen? Recht so! Hierher, Matt, du Hundesohn, oder willst du noch ’ne Ehrenrunde schwimmen, was, wie?“

      Eine Wurfleine flog nach unten, eine halbe Minute später zerrten vier Mann Sam Roscill hoch. Stenmark und Matt Davies enterten über die Jacobsleiter auf und sprangen auf die Kuhl, triefend naß, aber mit glühenden Gesichtern.

      Die Seewölfe brüllten wie die Irren.

      Eine Stunde später trieb die „Revenge“ entmastet ostwärts auf die Batten-Bucht zu und blieb im Schlick hängen. Auch ihr Ruder war zerschossen – zum zweiten Male. Müde legte sich das Flaggschiff auf die Steuerbordseite, als habe es endgültig genug von den Rachegelüsten seines Kommandanten.

      Der stand gebückt wie ein alter Mann auf dem Achterdeck. Sein Gesicht war grau, seine Hände zitterten, seine Augen waren wie erloschen.

      Revanche vor Plymouth?

      Nein, Niederlage vor Plymouth. Totale Niederlage. Der bessere Kapitän, die bessere Crew und das bessere Schiff hatten gesiegt. Und nicht einen Kratzer hatte dieses Schiff erhalten.

      Noch einmal zuckte der Admiral zusammen.

      Das war, als die „Isabella“ nach Süden abdrehte und ein letztes donnerndes „Ar-we-nack!“ zur „Revenge“ herüberdröhnte.

      Ja, sie waren ungebrochen, diese Arwenacks. Unbesiegbar. Vielleicht waren sie sogar unsterblich.

      Bereute der Admiral? Sah er seine Schuld ein?

      Es wurde nichts darüber bekannt. Bekannt wurde nur, daß seine Mannschaft das todwunde Schiff verließ und durch den Schlick an Land watete. Die Verwundeten nahmen sie mit. Der Admiral blieb an Bord, eine stumme, gebückte Gestalt. Einen Tag später holte ihn eine Pinasse des Stadtkommandanten vom Achterdeck.

      Die Männer der Pinasse sagten später, der Admiral sei wie versteinert gewesen …

      Die Schmach, die der Admiral über das Schiff namens „Revenge“ gebracht hatte, löschte drei Jahre später Sir Robert Greynville.

      Er deckte mit der „Revenge“ die Flucht eines kleinen englischen


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