Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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frei!“ brüllte der Admiral. „Auf die Jolle! Ich will diese Kerle lebend, vor allem den Bastard Killigrew!“

      Sie hatten geduckt hinter dem Schanzkleid gelauert. Jetzt standen sie plötzlich da – zwölf Seesoldaten, mit Musketen bewaffnet.

      Hasard reckte sich auf.

      „Wir sind unbewaffnet!“ brüllte er zu den Seesoldaten hoch. „Seit wann schießen Engländer auf unbewaffnete Engländer? Seid ihr wahnsinnig? Wollt ihr zu Mördern werden?“

      „Feuer!“ schrie Drake mit überkippender Stimme.

      „Ruder an!“ fauchte Hasard. „Pullt, wie ihr noch nie gepullt habt! Es ist unsere einzige Chance, diesem Verrückten noch zu entwischen! Hool weg – hool weg – hool weg!“

      Die Jolle schoß vorwärts, von peitschenden Riemenschlägen getrieben. Vor ihrem Bug schäumte das Wasser, Gischt flog von den Riemenblättern, wenn sie nach dem Durchholen aus dem Wasser gerissen wurden.

      Hasard spähte über die Schulter zurück. Die Seesoldaten hatten die Musketen angehoben. Hasard legte Ruder und steuerte die Jolle hart nach Backbord und kurz darauf wieder nach Steuerbord.

      Genau dazwischen krachte die Salve von Bord der „Revenge“. Hasard biß die Zähne zusammen.

      Die Kugeln klatschten ins Wasser, zwei aber durchbrachen die Bordwand Backbord achtern. Zwei Wasserstrahlen zischten ins Boot unterhalb der Gräting.

      Big Old Shane fluchte, riß sich das Hemd vom Oberkörper, fetzte zwei Stükke ab, lüftete die Gräting an, warf sie außenbords und rammte die beiden Stoffe wie Pfropfen in die Löcher. Fürs erste reichte das, wenn auch das Wasser nachsickerte.

      Hasard steuerte im Zickzack. Die Männer brauchten keine Anfeuerung. Sie wußten, um was es ging. Hier zählte jeder Yard, den sie sich von der „Revenge“ entfernten. Ihre Mienen waren verbissen. Es war das erste Mal, daß Arwenacks die Flucht ergriffen, aber in der Flucht lag ihre einzige Rettung. Waffen hatten sie nicht, also blieb nur der Rückzug.

      Aber sie würden es Drake und den Männern der „Revenge“ heimzahlen. Das Maß war voll. Blieb nur die Frage, ob sie noch jemals die Chance haben würden, die Waffen sprechen zu lassen.

      Die zweite Salve krachte – sie traf besser.

      Sechs neue Löcher sprangen auf, wie gestanzt, jetzt auf der Steuerbordseite. Big Old Shane rammte sie mit Stoffetzen dicht. Wasser schwappte im Boot. Hasard begann mit der Holzkelle zu schöpfen.

      Auf dem Achterdeck der „Revenge“ tobte der Admiral. Noch mehr Seesoldaten tauchten am Steuerbordschanzkleid auf.

      Die dritte Salve zerhieb den Spiegel der Jolle. Es war ein Wunder, daß Hasards und Big Old Shanes Beine unverletzt blieben. Das Boot sackte achtern tiefer. Das Wasser schoß nur so herein.

      Es war zwecklos. Sie schafften es nicht mit dem Boot. Es würde ihnen binnen zwei Minuten regelrecht unter dem Hintern wegsacken.

      Hasard grinste schief.

      „Auf Riemen“, sagte er. „Alle Mann von Bord, wie es so schön heißt! Wir müssen schwimmen, aber auch das ist zu schaffen.“ Er blickte zur „Revenge“ zurück und zuckte zusammen.

      Das Beiboot!

      Es mußte auf der Backbordseite der „Revenge“ gelauert haben. Jetzt wurde es hinter dem Heck vorbeigepullt. Parsons stand achtern und brüllte seine Rudergasten an. Das Boot nahm Kurs auf die absaufende Jolle.

      „Los – rein ins Wasser!“ schrie Hasard. „Nicht zusammenbleiben – auseinander! Und tauchen, wenn das Boot an einem dran ist! Haltet durch, ihr schafft es! Viel Glück!“

      Sie hechteten ins Wasser, weg von der sinkenden Jolle.

      Vom Achterdeck der „Revenge“ her ertönte Drakes Wutgebrüll. Es lief wohl nicht so, wie er sich das gedacht hatte. Er hämmerte die Fäuste auf das Schanzkleid und pöbelte Parsons und dessen Bootsgäste an.

      Die Seewölfe schwammen wie Fische – dahin, dorthin, tauchend über lange Strecken, wiederauftauchend, um Luft zu schnappen – und weg waren sie.

      Drake schrie sich die Kehle heiser.

      Parsons wußte nicht, wo er zuerst hinsteuern sollte. Es war wie verhext. Die Kerle schienen ihn auch noch zu verhöhnen.

      „Hu-hu!“ schrie einer, der gerade aufgetaucht war. Der Frechling winkte ihm sogar zu. Das war dieser Bursche von der O’Flynn-Sippe. „Hasch mich doch, du Blödmann!“

      Fluchend legte Parsons Ruder und steuerte auf den Kopf zu. Der verschwand, ganz kurz waren die Beine zu sehen – dann nichts mehr, nur noch ein paar Luftblasen. Parsons reckte sich den Hals aus und stand auf Zehenspitzen. Wo war der Kerl?

      Da schoß Backbord querab ein Körper aus dem Wasser – der Nigger! Er bäumte sich hoch, als wolle er nach dem Himmel greifen – und da flog was auf Parsons zu.

      Ein Stiefel!

      Parsons reagierte zu langsam. Der Stiefel war ein Treffer. Parsons kriegte ihn an den Schädel, taumelte und wäre außenbords gekippt, wenn ihn der Bootssteurer nicht abgefangen hätte.

      Damit war der Riementakt dahin. Die Riemen krebsten durcheinander. Die Bootsgasten wußten nicht, ob sie fluchen oder lachen sollten – wegen des Stiefels und der Beule am Kopf des ersten Offiziers.

      Der kriegte sich bald nicht mehr ein.

      Batuti, der treffliche Schütze, war bereits wieder abgetaucht.

      Und weit Steuerbord voraus schrie der Bursche von der O’Flynn-Sippe schon wieder: „Hu-hu! Hu-hu! Könnt ihr nicht mehr, ihr müden Säcke?“

      Parsons zerrte seine Pistole aus dem Gürtel, legte auf Dan O’Flynn an und zog durch.

      Klick!

      Der Flinstein war naß geworden. Vor Wut feuerte Parsons die Pistole ins Wasser.

      Es ging mit dem Teufel zu. Dort, wo die Pistole versunken war, schwang ein drahtiger Körper aus dem Wasser – und die Pistole flog zurück. Sie wirbelte wie ein Messer durch die Luft, und der sie geschleudert hatte, war auch ein Meister im Messerwurf: Bob Grey, flink, blond, braunäugig.

      Der Bootssteurer griff sich ächzend an den Kopf und sackte zusammen.

      Dieses letztere Geschehen war reiner Zufall gewesen, aber das wurde den Bootsgasten keineswegs klar, im Gegenteil. Hier war etwas im Spiel, etwas Ungeheuerliches, etwas ungeheuerlich Teuflisches. Das mußten Dämonen sein, diese Seewölfe. Oder Übermenschen. Oder Wassertrolle, Seegeister! Und wie die schwammen und tauchten! Und dann warfen sie und trafen auch noch!

      Sie wußten nicht mehr, was sie tun sollten. Und Parsons wußte es auch nicht. Der war schon längst total überfordert. Das wuchs ihm alles über den Kopf – eine Niederlage nach der anderen.

      Und an Bord der „Revenge“ war der sehr ehrenwerte Admiral Sir Francis Drake, der so kühn die Welt umsegelt und reiche Beute nach England gebracht hatte, reif, um ins Wasser zu springen.

      Denn aus der Mill Bay schoß die zweite Jolle der „Isabella“ – gefechtsklar, was die zwei Kerle im Bug betraf. Die fackelten nicht lange. Sie standen aufrecht, Musketen an den Schultern, feuerten, legten die Musketen nieder, nahmen zwei neue auf, feuerten wieder, und schon hatte das Beiboot der „Revenge“ vier saubere Löcher in der Wasserlinie. Noch zwei Löcher folgten, und noch zwei. Die schossen wie auf dem Scheibenstand, diese beiden Kerle.

      Die Bootsgasten saßen still und stumm, geduckt und wie gelähmt, kein Riemen rührte sich. Wozu auch? Das Wasser stand bereits an ihren Waden und kroch sichtbar höher. Auch diese Jolle der „Revenge“ würde ihren Weg in die Tiefe antreten. Die Gewässer vor Plymouth wurden gewissermaßen mit Beibooten der „Revenge“ gesättigt. Da würde der Admiral wieder Himmel und Hölle in Bewegung setzen müssen – zwecks Beibootbeschaffung. Und er würde noch saurer als ohnehin sein.

      Überall auf der Stätte des Geschehens tauchten nasse Köpfe auf,


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