Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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      Der andere hing inzwischen in den Teilen eines Bootsgerippes und zappelte wie eine Fliege im Spinnennetz.

      „Sind das zwei Giftzähne!“ keuchte Dan O’Flynn.

      Als sie draußen waren, brach der Verhau zusammen. Eine Staubwolke breitete sich aus, und das Gebrüll der beiden Kerle wechselte in ersticktes Fluchen über. Die hatten eine Weile zu tun, um sich aus den Trümmern ihrer Behausung herauszuarbeiten.

      Big Old Shane und Dan O’Flynn suchten weiter.

      Aber Matt Davies, Sam Roscill und Stenmark wurden nicht gefunden. Nacheinander kehrten die Männer bei Morgengrauen an Bord der „Isabella“ zurück. Sie waren verschmutzt und hatten enttäuschte Gesichter. Zu der Enttäuschung gesellte sich jetzt echte Sorge. Am trübsinnigsten war Smokys Miene. Er quälte sich zu allem noch mit Selbstvorwürfen. Ed Carberry hatte ihm ganz schön die Leviten gelesen.

      7.

      Schweigend umstanden sie Hasard auf der Kuhl, schweigend und ratlos. Was sie so niederdrückte, war die Erkenntnis, daß sie nicht wußten, was sie jetzt noch tun sollten. Nichts zu tun, das war immer die mieseste Sache von allem. Und da war keiner unter ihnen, dem es lag, passiv zu sein. Noch nie hatten sie etwas hingenommen, ohne sich zu wehren oder initiativ zu werden.

      Sie nahmen jede Herausforderung an. Aber gegen etwas Unbekanntes konnte man nicht kämpfen. Das war wie Nebel, der einen umhüllte, ohne daß man ihn wegwischen konnte.

      Hasard spähte aus schmalen Augen über die Mill Bay. Aus dem Morgendunst tauchten allmählich die Umrisse der vor Anker liegenden „Revenge“ auf. Auf der Back, mittschiffs und achtern waren deutlich die Wachen zu erkennen. Sie lehnten am Schanzkleid oder schlenderten auf und ab.

      Hasard sagte: „Nach allem, was wir bisher mit Drake und seinen Männer erlebt haben, sollte es mich nicht wundern, wenn Matt, Sten und Sam in die Hände einer Preßgang der ‚Revenge‘ gefallen sind. Wenn diese Annahme stimmt, stellt sich die Frage, wie wir sie befreien können, ohne sie zu gefährden. Fällt jemandem dazu etwas ein?“

      Big Old Shane sagte: „Drake hat jetzt drei Geiseln. Wir müßten versuchen, uns sechs von den Kerlen zu schnappen, um dann einen Austausch zu erzwingen.“

      Hasard schüttelte den Kopf. „Abgesehen davon, daß Drake voraussichtlich keinen seiner Männer an Land läßt, würde es uns meines Erachtens kaum etwas nutzen, ebenfalls Geiseln zu nehmen. Drake würde darauf pfeifen. Menschen sind für ihn nur Material.“ Erbitterung schwang in Hasards Stimme. „Gerade weil er weiß, wie eng unsere Crew zusammenhängt, hat er das ausgenutzt. Wir sind erpreßbar, er nicht. Er wollte es mit meinen Söhnen versuchen, jetzt hat er dafür Matt, Sten und Sam. Es läuft auf das Gleiche hinaus.“

      „Wenn der Lordadmiral oder der alte Hawkins hier wären“, sagte Ferris Tucker, „würden die Drake ganz schön den Marsch blasen. Legal sind dessen Methoden wohl nicht mehr zu nennen. Und dem Ruf der Royal Navy tut er auch keinen Gefallen. Wäre in dieser Richtung nicht irgend etwas zu deichseln?“

      „Wären wir in London, vielleicht“, erwiderte Hasard. „Aber wir sind in Plymouth. Noch nicht einmal der Stadtkommandant könnte hier etwas unternehmen, er steht dem Rang nach unter dem Admiral. Außerdem würde ich mich ungern hinter anderen verstecken, um mir die Glut aus dem Feuer holen zu lassen. Nein, wir müssen das selbst regeln.“

      Ben Brighton sagte in seiner bedächtigen Art: „Bisher gehen wir von der Annahme aus, Matt, Sten und Sam seien von einer Preßgang der ‚Revenge‘ vereinnahmt worden. Wissen tun wir es tatsächlich nicht. Also sollten wir uns zuerst einmal vergewissern, ob unsere Annahme richtig ist.“

      Die Männer hatten verblüfft zugehört, auch Hasard.

      „Wie stellst du dir das denn vor, Ben?“ platzte er heraus.

      Ben Brighton lächelte schwach. „Ich weiß, das sieht nach einem Bettelgang aus und entspricht nicht unserer Art, aber warum pullen wir nicht mit der Jolle hinüber und fragen den sehr ehrenwerten Admiral, ob sich die drei bei ihm an Bord befinden? Wenn ja, werden wir wohl auch erfahren, was er eigentlich beabsichtigt. Damit wären wir zumindest einen Schritt weiter.“

      Keinem der Seewölfe schmeckte Ben Brightons Vorschlag – ihm selbst schon gar nicht –, aber unter den derzeitigen Umständen war er besser als nichts. Außerdem blieben sie nicht untätig und würden so oder so Gewißheit erlangen, ob die drei an Bord der „Revenge“ waren.

      Und wenn nicht?

      Es war Old O’Flynn, der etwas sagte, wofür sie ihn fast gekielholt hätten.

      „Was ist denn, wenn sie von der Fahne gegangen sind und heimlich abgemustert haben?“

      Ein einstimmiger Wut- und Protestschrei ertönte, Fäuste wurden geschüttelt, Carberry rückte auf Old O’Flynn los, das Rammkinn vorgeschoben, die anderen drängen nach.

      „Halt!“ sagte Hasard scharf. „Seid ihr verrückt geworden? Niemand rührt Old O’Flynn an, verstanden? Auch wenn er Unsinn verzapft hat, ist das noch kein Grund, über ihn herzufallen. Ihr scheint alle ein bißchen überdreht zu sein.“ Sie blickten betreten auf die Decksplanken. Hasard wandte sich zu Old O’Flynn um. „Vergiß, was du gesagt hast, Old Donegal. Es gibt Beleidigungen, die tief verletzen können. Deine Bemerkung war von dieser Art, und sie trifft auch mich. Männer desertieren von Schiffen, wenn ihre Schiffsführung nicht in Ordnung ist. Ich nehme nicht an, daß deine Bemerkung in diese Richtung zielte – oder irre ich da?“

      Old O’Flynn, knochenhart, wettergegerbt, weißhaarig, Vater von sieben Söhnen und einer Tochter, stand kerzengerade. Er sagte: „Ich hatte noch nie Grund, die Schiffsführung anzuzweifeln. Was meine Bemerkung betrifft – sie rutschte mir heraus. Als sie heraus war, wußte ich selbst, daß ich etwas Böses gesagt hatte.“

      „Danke, Old Donegal. Vergessen wir’s. Ed, fiert die Jolle ab. Big Old Shane, Pete, Gary, Batuti, Dan, Smoky und Bob begleiten mich zur ‚Revenge‘. Es werden keine Waffen mitgenommen.“

      „Aye, aye!“ tönte es zurück.

      Zehn Minuten später nahm die Jolle Kurs auf die „Revenge“. Sie mußten pullen, der Wind war an diesem Morgen zu schwach, als daß es sich gelohnt hätte, das Segel zu setzen. Über die Mill Bay kreischten die Möwen. Im Osten stand die Sonne wie ein glutroter Ball zwei Handbreiten über der Kimm.

      Sie brauchten eine halbe Stunde. Die „Revenge“ lag mit dem Bug nach Westen vor Anker. An ihrem Heck hing ein Beiboot. Ob Drake das requiriert hatte, nachdem die „Le-Vengeurs“ und die Seewölfe die Beiboote der „Revenge“ in der nächtlichen „Seeschlacht“ versenkt hatten? Wenn sich Matt, Sten und Sam auf der „Revenge“ befanden, dann mußten sie mit diesem Boot an Bord gebracht worden sein.

      Hasard, der an der Pinne saß, schaute zurück. Am Strand der Firestone Bay konnten sie die drei auf das Boot verschleppt haben. Dieser Strand war von der Mill Bay her nicht einzusehen, er lag im toten Winkel.

      „Boot, ho!“ brüllte einer auf der „Revenge“. „Nähert sich von Steuerbord!“

      „Die merken auch alles“, brummte Big Old Shane. Er saß neben Hasard auf der achteren Ducht.

      Mehrere Gestalten erschienen am Schanzkleid der Steuerbordseite und starrten zu dem Beiboot der „Isabella“.

      Big Old Shane kniff die Augen zusammen.

      „Ich erkenne auf dem Achterdeck den verdammten Parsons“, sagte er, „das ist Drakes erster Offizier, ein rachsüchtiger Hammel erster Güte, Ed hat ihn mehrere Male verdroschen. Bei der Prügelei in der ‚Bloody Mary‘ und bei der Wasserschlacht in der Mill Bay hat dieser Kerl das Kommando geführt.“

      Hasard nickte stumm und steuerte das Beiboot auf das Achterschiff der „Revenge“ zu.

      Dann befahl er: „Auf Riemen, laß laufen!“

      Die Männer lüfteten die Riemen aus den Runzeln und hielten sie längsseits


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