Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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O’Flynn und sagte: „In der Schatulle in meiner Kammer befindet sich der Kaperbrief. Würdest du ihn bitte holen?“

      „Aye, aye, Sir.“

      Drake brüllte: „Tun Sie Ihre Pflicht, Mister Huntley! Als Stadtkommandant haben Sie mir zu gehorchen, oder ich bringe Sie vor ein Standgericht. Plymouth ist in Gefahr, solange diese Killigrew-Bande hier ihr Unwesen treibt und harmlosen Seeleuten die Knochen zerschlägt. Tollwütige Bestien sind das, die man erschießen, aufknüpfen, vierteilen muß …“ Er mußte Luft holen, der Admiral.

      „Eins geht nur“, sagte Hasard spöttisch, „entweder erschießen oder aufknüpfen oder vierteilen. Aber toben Sie ruhig weiter. Wer nicht ganz blind ist, erfährt so am besten, daß Sie nicht mehr ganz richtig im Kopf sind. Sie demaskieren sich selbst, Drake, und hinter dieser Maske zeigen Sie, wer Sie sind, nämlich ein von Rachegelüsten, Ehrgeiz und Größenwahn zerfressener Mensch, der selbst hinter Gitter gehört, damit er kein Unheil mehr anstiften kann. Mehr ist wohl dazu nicht zu sagen.“

      „Was soll ich denn tun?“ fragte der Stadtkommandant unglücklich.

      „Gar nichts sollen Sie tun“, erwiderte Hasard trocken. „Die Befehle eines offensichtlichen Verrückten brauchen Sie nicht auszuführen.“ Dan O’Flynn brachte den Kaperbrief und gab ihn Hasard, der ihn entrollte. „Hier steht“, fügte Hasard hinzu, „daß jeder Engländer, gleich welchen Ranges, verpflichtet sei, dem Kapitän und der Besatzung der ‚Isabella‘ jedwede Hilfe zu leisten, da sie unter dem Schutz Ihrer Majestät der Königin stünden. Bitte überzeugen Sie sich, Sir Gordon.“

      Der Stadtkommandant las den Kaperbrief, wurde käsig und wieder rot. Erst dann begriff er, daß ihm dieser Kaperbrief die Möglichkeit gab, Drakes unsinnige Befehle ignorieren zu können. Niemand konnte ihn deswegen zur Verantwortung ziehen. Wer unter dem Schutz der Königin stand, dem konnte kein Admiral an den Kragen gehen.

      Hasard ahnte die Gedanken des Stadtkommandanten und sagte: „Sie sehen, Sir Gordon, selbst wenn Sie von den Behauptungen Drakes überzeugt wären, hätten Sie nicht das Recht, die Crew der ‚Isabella‘ und mich zu zwingen, Plymouth zu verlassen. Es sei denn, Sie mißachten eine Order unserer Königin und ziehen es vor, den Befehlen eines offensichtlich Verrückten zu gehorchen. London und die Königin sind zwar weit weg von Plymouth, aber seien Sie versichert, daß ich Mittel und Wege finden werde, um Ihrer Majestät zur Kenntnis zu bringen, was sich hier abgespielt hat. Voraussichtlich werden Sie dann in den Kellern des Tower darüber nachdenken dürfen, ob Sie richtig gehandelt haben.“

      Der Admiral schnappte vollends über.

      „Der Kerl lügt!“ schrie er. „Der Kaperbrief ist gefälscht …“

      Weiter gelangte er nicht. Hasard reichte es jetzt. Mit einem Satz war er bei dem zeternden Admiral, packte ihn mit der linken Hand hinten am Genick und mit der rechten unten am Hosenboden, hob ihn an, trug den Zappelnden zur Gangway und beförderte ihn mit einem Tritt in den Admiralallerwertesten auf die Pier.

      Dort stand der eiserne Edwin Carberry Wache und fing den vorbeisausenden Admiral gewissermaßen im Fluge ab. Der wäre sonst vierkant auf das Kopfsteinpflaster geprallt.

      „Na?“ sagte er gemütlich und stellte den Admiral wieder auf die Füße „War wieder ’n bißchen stürmisch auf der guten alten ‚Isabella‘, was wie? Sei froh, daß Kapitän Killigrew heute seinen ruhigen Tag hat. Sonst hätte er dich auf unser Culverinenkaliber zusammengefaltet und zum Mond geschossen – mit vierfacher Treibladung, verstehst du?“

      Der Admiral zerbiß einen ordinären Fluch, sagte etwas Unverständliches und marschierte auf seinen kurzen Beinen zum Dock hinüber.

      „Affenarsch!“ knurrte Ed Carberry hinter ihm her.

      Auf der Kuhl sagte der Stadtkommandant: „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sir Hasard. Diese ganze Angelegenheit ist mir mehr als peinlich. Ich hatte zunächst keinerlei Anlaß, an den Worten des Admirals zu zweifeln. Sie wissen, er hat besonders hier in Plymouth einen außerordentlich guten Ruf, vor allem, nachdem ihn Ihre Majestät zum Ritter geschlagen hatte. So etwas ist wie eine Ehrenerklärung seitens der Königin für die betreffende Person, nicht wahr?“

      „Durchaus richtig.“ Hasard lächelte. „Da Sie es so formulieren, trifft es wohl auch auf mich zu. Allerdings fasse ich den Ritterschlag nicht als Freibrief auf, mich nunmehr wie ein Strauchdieb aufführen zu dürfen. Keinesfalls auch gibt mir der Ritterschlag das Recht, mich für besser zu halten als andere. Im Gegenteil, ich habe die Verpflichtung, jetzt bei mir selbst noch strengere Maßstäbe als bisher anzulegen. So jedenfalls fasse ich den Ritterschlag auf …“ Er unterbrach sich und deutete zur Pier. „Da kommt Sir Freemont, um nach unserem Patienten zu sehen. Bitte, es steht Ihnen frei, ihn nach dem Sachverhalt bezüglich der Entführung meiner Söhne zu fragen. Es wäre sogar gut, wenn dies Sir Freemont unbeeinflußt von mir tut.“

      Der Stadtkommandant verabschiedete sich von Hasard, ging von Bord und begrüßte den Doc auf der Pier. Dann marschierten sie auf der Pier auf und ab, in ein Gespräch vertieft.

      Doc Freemont lächelte, als er eine halbe Stunde später vor Hasard stand.

      „Der gute Huntley ist ziemlich erschüttert“, sagte er nur. „Und wie geht’s Blacky?“

      „Hat einen Brummschädel vom Rum, aber sonst ist er munter.“

      „Kein Fieber?“

      „Bis jetzt noch nicht, Doc.“

      Sie gingen zur Achterdeckskammer, wo Blacky untergebracht war. Er saß in der Koje und war damit beschäftigt, den beiden Zwillingen den Augspleiß beizubringen. Im übrigen war er kräftig dabei, den „lieben Kleinen“ die wüstesten Seeabenteuergeschichten zu erzählen. Hasard junior und Philip junior hatten rote Ohren.

      Aber sein Fuß sah ganz manierlich aus – den Umständen entsprechend.

      „Kann ich aufstehen, Doc?“ fragte er.

      „Natürlich, mein Junge“, erwiderte Doc Freemont heiter. „Du mußt dann ordentlich mit dem rechten Fuß auftreten, damit der Knöchel noch weiter splittert und das, was ich geschient und gerichtet habe, wieder zum Teufel geht. Und wenn der Schmerz dann so richtig einsetzt, kannst du auch laut brüllen, aber eine Flasche Rum gibt’s dann nicht mehr. Du kannst natürlich auch gleich den Fuß gegen den Großmast donnern, damit der Knöchel so richtig schön zersplittert. Das geht dann schneller, und ich bringe dann auch gleich die Säge mit, um dir diesen läppischen Fuß, der ja völlig überflüssig ist, abzusägen.“ Er strich sich über die Nase. „Ärgerlich, das hätte ich in diesem Falle gleich gestern tun sollen, oder?“

      Blacky begriff. „Entschuldigung, Doc, war ’ne blöde Frage von mir.“

      „Das meine ich auch, mein Junge. Eine selten blöde Frage. Wenn du einen gesunden, funktionsfähigen Fuß haben willst, dann richte dich darauf ein, in etwa vier Wochen frühestens die ersten Gehversuche zu unternehmen. Gehversuche, verstanden? Dazu brauchst du Krücken oder einen Stock, um den rechten Fuß zuerst noch nicht zu stark zu belasten. Erst allmählich darfst du mehr Gewicht auf den rechten Fuß verlegen. Halte dich dann an die Anweisungen des Kutschers, der weiß Bescheid. Und noch etwas, mein Junge. Wenn du in den nächsten zwei, drei Tagen spürst, daß dir heiß wird oder es im Fuß zu pochen beginnt, dann möchte ich sofort benachrichtigt werden. In diesen Tagen wird sich nämlich herausstellen, ob da noch Knochensplitter sind, die herauseitern. Und da müssen wir sofort etwas unternehmen. Alles klar?“

      „Aye, aye, Sir, alles klar. Und herzlichen Dank auch. Sie sind ein feiner Kerl, Sir …“

      „Papperlapapp“, sagte der Doc.

      5.

      Hasard hatte Gefechtsbereitschaft angeordnet, aber sie erübrigte sich. Am Nachmittag dieses Tages verließ die „Revenge“ das Dock und ging außerhalb der Mill Bay vor der St.-Nicholas-Insel vor Anker.

      Eine unmittelbare Gefahr seitens des Flaggschiffes bestand jetzt nicht mehr – zumindest was Schüsse


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