Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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nichts zu verhandeln“, erklärte Hasard unhöflich. „Wenn Sie etwas wollen, dann sagen Sie es hier, die Männer der ‚Isabella‘ haben ein Recht, zuzuhören, zumal sie Eigner dieses Schiffes sind, wie sich wohl auch bis zu Ihnen herumgesprochen haben wird, und ich keine Geheimnisse vor ihnen habe. Ich wiederhole meine Frage: Was wünschen Sie?“

      „Ich habe – äh – Befehl, Ihnen mitzuteilen, daß Sie Plymouth zu verlassen haben. Sofort.“

      „Befehl von wem?“

      „Admiral Drake.“

      Hasard zog die Augenbrauen hoch. „Interessant. Und weiter?“

      „Was weiter?“ fragte der Stadtkommandant verwirrt.

      „Nun, Sie müssen doch eine Begründung haben, wenn Sie eine solche Forderung stellen. Oder ist es in englischen Häfen üblich geworden, englische Schiffe wie lästige Straßenköter davonzujagen – ohne Begründung, meine ich.“

      „Äh, ja, das kann begründet werden. Mir ist von Admiral Drake berichtet worden, Ihre Leute hätten in unverantwortlicher Weise die Besatzung der ‚Revenge‘ provoziert und in verschiedenen Prügeleien fast über die Hälfte der Besatzung lazarettreif geschlagen. Als Stadtkommandant kann ich solche Umtriebe keineswegs dulden. Um weitere Zusammenstöße zu vermeiden, hat Ihr Schiff unverzüglich den Hafen zu verlassen.“

      Hasard fixierte den Stadtkommandanten, bis dieser immer nervöser wurde und nicht mehr wußte, wo er hinschauen sollte.

      „Mein Freund“, sagte Hasard sanft, „sind Sie davon überzeugt, daß das, was Sie hier eben erklärt haben, auch den Tatsachen und der Wahrheit entspricht?“

      „Natürlich.“

      „Haben Sie für Ihre Behauptungen Beweise?“ Hasard blieb völlig ruhig, aber das wirkte um so gefährlicher.

      „Ich sagte doch, das sei mir von Admiral Drake berichtet worden!“ fuhr der Stadtkommandant auf. „Ist das nicht Beweis genug?“

      „Der Admiral lügt“, sagte Hasard kalt.

      Drake stieß einen Zischlaut aus. Der Stadtkommandant schnappte nach Luft.

      „Der Admiral lügt“, wiederholte Hasard, „und ich bin bereit, das vor einem neutralen Gericht zu beweisen. Nicht meine Männer haben die Männer der ‚Revenge‘ provoziert, sondern umgekehrt. Und sie werden es wieder tun, sollten sich diese Provokationen wiederholen. Das ist ihr gutes Recht. Aber weiter. Dieser Mann im Range eines Admirals der Royal Navy hat es gewagt, meine beiden Söhne zu entführen. Dafür habe ich Zeugen – unter anderem den Arzt Sir Anthony Abraham Freemont, dessen Integrität wohl auch Ihnen bekannt sein dürfte. Sir Freemont, der meine beiden Söhne während der Gefechte gegen die Armada in seinem Hause aufgenommen hatte, wollte sie nach unserem Einlaufen hier an Bord zurückbringen. Dieser Admiral überfiel ihn mit vorgehaltener Pistole und zwang ihn zur Übergabe der Jungen. Meine Jungen konnten sich selbst befreien. Sie haben gottlob das Zeug, mit einem solchen Dreckskerl fertig zu werden …“

      „Ich verbitte mir derartige Beleidigungen!“ schrie der Admiral hochrot im Gesicht.

      „Verbitten können Sie sich viel, Drake“, sagte Hasard eisig. „Kämpfen Sie doch mal, wenn Sie sich beleidigt fühlen. Aber dazu sind Sie zu feige. Bei Ihnen reicht der Mut nur aus, einen Unbewaffneten mit vorgehaltener Pistole zu bedrohen, um zwei Kinder zu rauben. Ich schätze, wir werden diese Sache vor einem Gericht aushandeln.“

      „Das ist ja ungeheuerlich“, murmelte der Stadtkommandant verstört und trat ein paar Schritte zurück. „Das – das habe ich nicht gewußt, Sir Hasard.“

      „Eben“, sagte Hasard kalt, „deswegen spreche ich ja davon. Und Sie sollten etwas vorsichtiger sein, wenn Sie hier Behauptungen vortragen, die nichts weiter als Verleumdungen sind. Im übrigen weise ich Sie darauf hin, daß mich Befehle Drakes als Vertreter der Royal Navy nicht betreffen. Dieses Schiff und seine Besatzung unterstehen weder ihm noch der Royal Navy. Dieser Mann kann sonstwas befehlen, es interessiert uns nicht. Es gibt einen einzigen Menschen, der das Recht hat, uns Befehle zu erteilen – Ihre Majestät, die Königin, unter deren Schutz wir stehen, was ich Ihnen noch beweisen werde. Aber zuvor noch etwas anderes, was diese sogenannten Provokationen betrifft.“

      Hasard wandte sich um zu Dan O’Flynn. „Würdest du bitte die Arkebuse holen, Dan?“

      „Aye, aye, Sir.“ Dan verschwand im Achterdeck, kehrte kurz darauf wieder zurück und überreichte Hasard die Waffe.

      Hasard hob die Waffe und drehte sie so, daß ihre Innenseite zu Drake wies.

      „Ist dies eine Waffe der ‚Revenge‘?“ fragte er.

      „Weiß ich doch nicht“, knurrte der Admiral. „Ich habe es nicht nötig, mich um Musketen zu kümmern.“

      „Vielleicht doch“, sagte Hasard und drehte die Innenseite der Muskete dem Stadtkommandanten zu. „Das eingebrannte ‚R‘ im Kolben dieser Muskete beweist, daß sie aus der Waffenkammer der ‚Revenge‘ stammt. Aus dieser Waffe wurde gestern mittag ein heimtückischer Schuß abgefeuert. Die Kugel zerschmetterte einen Taljenblock, der unter der Großrah angeschlagen war. Da mittels dieser Talje zu diesem Zeitpunkt gerade ein Trinkwasserfaß in den Laderaum abgefiert werden sollte, passierte folgendes: die Talje rauschte aus und das Trinkwasserfaß krachte in den Laderaum hinunter. Ein Mann meiner Besatzung wurde verletzt. Er erlitt einen komplizierten Knöchelbruch am rechten Fuß. Doc Freemont versorgte ihn und operierte zwei Knochensplitter heraus. Er will den Fuß retten. Dennoch – was der Himmel verhüten möge – kann es sein, daß der Fuß amputiert werden muß. Schon aus diesem Grunde weigere ich mich, Plymouth zu verlassen. Oder sind wir in diesem Lande schon so weit, einem verletzten Mann, der sich mehrfach in der Schlacht gegen die Armada bewährt und für England sein Leben eingesetzt hat, die Hilfe zu verweigern?“

      „Natürlich nicht“, sagte der Stadtkommandant unsicher.

      „Alles an den Haaren herbeigezogen!“ fauchte Admiral Drake. „Vermutlich haben Sie diesen Unfall selbst arrangiert, Killigrew, nur um mir eins auszuwischen.“

      „Ich heiße ja nicht Drake“, erwiderte Hasard kalt.

      „Sie haben die Waffe für Ihre Zwecke mit dem ‚R‘ präpariert“, erklärte Drake dreist.

      „Irrtum“, sagte Hasard, „die Waffe lag an der Stelle, von wo der Schuß abgefeuert worden war – dort hinter den Bohlenstapeln. Zwei meiner Männer fanden sie, der Lauf war noch warm. Der Heckenschütze war leider bereits verschwunden.“

      „Ich kann nicht auf jeden meiner Leute aufpassen“, knurrte der Admiral, „wenn es überhaupt einer aus meiner Besatzung war. Und wenn er es war, dann haben Sie sich das selbst zuzuschreiben.“

      „Sie unterstützen also Mord.“ Hasards Stimme war eisig. „Jetzt darf ich wohl mit Recht fragen, wer hier wen provoziert.“

      „Haarspaltereien!“ schimpfte Drake.

      „Ihre Besatzung ist verhetzt, Drake“, erwiderte Hasard, „oder Sie sind nicht mehr fähig, für Recht und Ordnung als Kommandant zu sorgen. Vielleicht stammt sogar der Befehl zu diesem heimtückischen Anschlag von Ihnen.“

      „So? Von mir?“ fragte der Admiral lauernd. „Beweisen Sie das doch mal.“

      „Ich kann nur beweisen, daß die Waffe von Ihrem Schiff stammt, das ist richtig, Drake. Aber wer Kinder raubt, um mit ihnen Repressalien auszuüben, dem traue ich auch Mordbefehle zu. Jetzt verstecken Sie sich hinter dem Stadtkommandanten, um gegen mich vorgehen zu können. Ihr Stil wird immer schlechter und dreckiger, seit Sie damals vor zehn Jahren einen Mörder namens Doughty deckten und sich weigerten, ihn für den Mordversuch an Edwin Carberry zur Verantwortung zu ziehen. In Cadiz fielen Sie über wehrlose Frauen, Kinder und Greise her – und über neutrale Schiffe. Und nach der Schlacht gegen die Armada hatten Sie die Absicht, Schiffbrüchige zu massakrieren. Bei Gott, Sie sind der ehrloseste Lump, der je als Engländer geboren wurde.“

      „Nehmen Sie diesen Kerl fest!“


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