Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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spleißen, was, wie? Oder möchtest du lieber als Taljereepsknoten den Handläufer der Gangway verzieren? Du darfst dir das aussuchen, Kutscherlein.“

      Der Kutscher ignorierte die beiden Angebote Carberrys und kehrte zum Ausgangspunkt des Disputs zurück.

      „Die Sauerkrautfässer bleiben bei der Kombüse – klabasta“, erklärte er wütend. „Ist das klar, Mister Carberry?“

      „Bleiben sie nicht, verdammt noch mal. Ich will dir mal was sagen, du verlauste Kombüsenkakerlake: du bist nämlich zu faul, zur achteren Proviantlast zu gehen, um die Sauerkrautportionen für deinen Pampenfraß zu holen. Das ist es!“

      „Jawohl! Das ist es!“ schrie der Kutscher. „Du merkst aber auch alles, du hirnrissiger Ochsenfrosch. Und jetzt will ich dir mal was sagen: kannst du mir wohl verraten, warum der Kartentisch im Ruderhaus und nicht in der Vorpiek ist?“

      „Ha! Weil er dort hingehört, natürlich.“

      „Natürlich! Natürlich! Und warum sollen dann Sauerkrautfässer nicht zur Kombüse gehören, he? Aber nein, dem Kutscher wird zugemutet, wegen jeder Sauerkrautportion nach achtern zu latschen und mit dem Zeug über die Dreiviertellänge des Schiffes wieder zurückzumarschieren. Und das bei Seegang, Sturm und übers Deck fegenden Brechern. Aber fressen wollt ihr, nicht wahr? Verstau doch deine verdammten Beiboote in der achteren Proviantlast und hole sie von dort raus, wenn sie gebraucht werden. Aber nein, die müssen unbedingt hier mittschiffs gelagert sein – weil das praktischer ist, nicht wahr? Aber ich will’s auch praktisch haben, und darum bleiben die Sauerkrautfässer bei der Kombüse – klabasta!“

      Der Profos hatte mit offenem Munde zugehört. Das waren natürlich völlig neue Gesichtspunkte. Er kratzte sich den Nacken. Na, so unrecht hatte der Kutscher gar nicht. Eigentlich war es Unsinn, die Fässer achtern zu stauen.

      „Hm“, sagte er, „geht klar. Die Fässer bleiben bei der Kombüse. Ist wohl praktischer so.“ Er blickte sich um und runzelte die narbige, breite Stirn. „Was ist denn hier los?“ Und dann grollte seine Stimme wie Donner: „Hier wird nicht gefaulenzt, ihr schrägen Barsche! Hopp-hopp! Bewegt euch! Steht nicht rum und bohrt Löcher in die Planken! He, Bob Grey! Paß auf, daß der Segeltuchballen nicht über die Pier rollt und ins Wasser kippt, verdammt und quergenäht! Welcher Idiot hat den Ballen so dämlich an die Kiste gelehnt? Muß ich mich um alles kümmern …“

      Er war wieder in Fahrt, der Profos. Und der Kutscher hatte seinen Willen durchgesetzt. Die Männer grinsten.

      Eine zweite Unterbrechung ergab sich eine halbe Stunde später. Es war der blonde Schwede Stenmark, der gerade in den Besan geentert war, um eine Talje zu klarieren. Er entdeckte den stämmigen, kurzbeinigen Mann mit dem rötlichen Spitzbart zuerst.

      „Achtung! Admiral von Steuerbord! Hat Kurs auf die ‚Isabella‘!“ rief er zu Carberry hinunter, der in Höhe des Besans auf der Pier stand und die feste Part der Talje an einer Kiste anschlug.

      Carberry ließ das Ende der Talje sinken, drehte sich langsam um und kniff die Augen zusammen.

      Ja, der sehr ehrenwerte Admiral Sir Francis Drake hatte sein Flaggschiff, die „Revenge“, die noch im Dock lag, verlassen und marschierte auf die „Isabella“ zu. Soweit Carberry erkennen konnte, war Drakes Gesicht reichlich verkniffen.

      „Kapitän wahrschauen!“ zischte Carberry dem Altmoses Bill zu, der bei ihm stand.

      „Aye, aye!“ Bill verschwand wie der Blitz.

      Carberry beschäftigte sich weiter mit dem Ende und tat sehr eifrig. Dem Admiral hatte er wieder den Rücken zugedreht. Mal abwarten, was der Kerl will, dachte er.

      Die „Isabella“ und die „Le Vengeur lagen mit der „Revenge“ in Fehde – oder noch härter ausgedrückt: sie befanden sich im Kriegszustand.

      Die ganze Geschichte war geradezu lachhaft, aber sie hatte ihre Wurzel eindeutig in der Verhaltensweise des Admirals, der mit den Jahren nicht weiser, sondern immer starrköpfiger, intoleranter und anmaßender geworden war. Dabei hatte er jegliches Maß verloren. Er haßte die Spanier in einer Weise, die man nur noch als barbarisch bezeichnen konnte.

      Als er nach der Schlacht gegen die Armada über ein zum Wrack geschossenes spanisches Schiff hatte herfallen wollen, um es auszuplündern und die schiffbrüchige Besatzung zu massakrieren, waren Philip Hasard Killigrew und Jean Ribault dazwischengegangen und hatten diese Leichenfledderei verhindern können.

      Dabei hatte Hasard der „Revenge“ die Ruderanlage zerschossen, und darum lag jetzt Drakes Flaggschiff im Dock.

      Im übrigen hatten die „Revenge“-Leute schwer Senge bezogen, als sie vor zwei Tagen versucht hatten, die Le-Vengeurs und die Seewölfe zu provozieren. Unabhängig davon hatte der Admiral bei einem Bankett des Bürgermeisters von Plymouth zu Ehren der Sieger gegen die Armada ein paar moralische Ohrfeigen von Hasard einstecken müssen.

      Bei der nächsten Gelegenheit hatte er es dem Seewolf heimzahlen wollen, und die hatte sich ihm geboten, als dessen beide Söhne vom Landsitz Doc Freemonts zur „Isabella“ zurückkehrten.

      Er hatte die Zwillinge brutal entführt. Aber die hatten den Spieß umdrehen und den Admiral übertölpeln können.

      Es war zuviel, was sich der sehr ehrenwerte Admiral Drake Hasard und den Seewölfen gegenüber geleistet hatte. Mit dem Entführungsversuch an den beiden Jungen hatte er das Faß zum Überlaufen gebracht. Von Hasard hatte er keine Rücksichten mehr zu erwarten. Der hatte sich eine Menge bieten lassen, aber das war endgültig vorbei.

      Das Übel war, daß dieser Francis Drake nicht verlieren konnte. Er begriff auch nicht, daß die Schlappen, die ihm Hasard und seine Männer bereitet hatten, keine Zufälle gewesen waren. Nein, das begriff er nicht, weil er sich selbst für unfehlbar hielt. So verrannte er sich immer mehr in die fixe Idee, es diesem verdammten Seewolf heimzahlen zu müssen.

      Und je mehr er sich verrannte, desto lächerlicher wurde die ganze Sache. Nur das merkte er nicht.

      Carberry lauschte hinter sich und hörte die Schritte des Admirals. Sie verhielten neben ihm. Carberry knüpfte noch einen halben Schlag in das Tau, prüfte dessen Sitz, wandte sich halb zum Achterdeck und rief nach oben: „Hiev auf, das Ding!“

      Oben legten sich Batuti, der herkulische Gambia-Neger, Smoky, der Decksälteste, und Dan O’Flynn ins Zeug, um die Kiste mittels der holenden Part der Talje an Bord zu hieven. Carberry sah, wie die drei verstohlen grinsten, weil sie genau wußten, was jetzt passieren würde. Um sie nicht zu enttäuschen – und weil er das ja sowieso im Sinn gehabt hatte –, trat Carberry abrupt und auch kräftig „aus dem Kinken“. Das tut jeder Seemann, wenn er unter einer schwebenden Last steht. Also war das ganz legal, nicht wahr?

      Und kein Mensch konnte Carberry deswegen verdammen, daß er dabei dem sehr ehrenwerten Admiral kräftig auf die Zehen stieg, natürlich mit voller Absicht, aber das sollte erst mal jemand beweisen!

      „Au!“ brüllte der Admiral und hüpfte auf einem Bein.

      Carberry wirbelte mit erstauntem Gesicht herum.

      „Oh“, sagte er freundlich und grinste.

      „Können Sie nicht aufpassen, Sie Idiot?“ brüllte der Admiral.

      „Wieso?“ fragte Carberry mit biederer Miene.

      „Sie sind mir auf den Fuß getreten, Mann!“ stieß der Admiral wütend hervor.

      „Ich hab hinten keine Augen“, sagte Carberry seelenruhig. „Außerdem ist auf der Pier Platz für ’ne ganze Armee. Mußten Sie sich da unmittelbar hinter mir aufstellen, Mister Drake?“

      „Ich bin mit Admiral und Sir anzureden?“ fauchte Drake.

      „Und ich bin für Sie Mister Carberry und nicht ‚Sie Idiot‘ oder ‚Mann‘, klar, Mister Drake?“

      „Ich bitte mir mehr Respekt aus, Profos!“ Drake kochte.

      „Respekt vor was?“ fragte Carberry gleichmütig.

      „Vor


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