Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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legte die geöffnete rechte Hand hinter das rechte Ohr und brüllte: „Wie meinen?“

      Hasard wiederholte seinen Wunsch.

      „Lauter, Mister Pillimuh, Sie haben so ein zartes Stimmchen, das kaum zu hören ist – wie ein Gockelchen im Stimmbruch, ha-ha-ha!“

      „Sie sollten Ihre Mauseöhrchen mal waschen, Mister Marsons!“ rief Hasard nach oben. „Oder hat Ihnen mein Profos zu harte Maulschellen verpaßt, daß Ihnen jetzt noch die Ohren klingen?“

      „Ich heiße Parsons!“ brüllte der erste Offizier wutentbrannt.

      „Und ich Killigrew!“ rief Hasard. „Fein, daß Sie offensichtlich doch etwas hören! Bestellen Sie Admiral Drake, daß ich ihn zu sprechen wünsche!“

      „Der Admiral schläft noch und möchte nicht gestört werden!“ brüllte Parsons.

      „Bei Ihrer Brüllerei wird er bestimmt wach!“ rief Hasard.

      „Ich habe strikten Befehl, ihn nicht vor dem Mittag zu stören!“ rief Parsons. „Vielleicht geruhen Sie dann, noch einmal zu erscheinen, Killigrew!“

      „Werde ich tun, Parsons!“ rief Hasard zurück. „Falls Sie jemals ein Schiff führen wollen, täten Sie gut daran, vorher die seemännische Etikette zu studieren. Es ist nicht üblich, daß der erste Offizier eines Schiffes den Kapitän eines anderen Schiffes, der höflich darum bittet, an Bord kommen zu dürfen, rüde vom Achterdeck herunter anpöbelt und wie seinesgleichen anspricht. Sie müssen noch viel lernen, Parsons, wenn Sie etwas in der Royal Navy werden wollen. Vielleicht gibt Ihnen der Admiral Unterricht über die allgemeinen Regeln von Takt und Anstand. Richten Sie ihm bitte meine Empfehlung aus!“

      Parsons war weiß vor Wut. Das waren moralische Ohrfeigen, die schmerzten noch mehr als die Maulschellen des Profos. Außerdem hörte fast die gesamte Besatzung der „Revenge“ zu, und da und dort grinste einer versteckt.

      „Klar bei Riemen!“ befahl Hasard.

      Die Riemen krachten zurück in die Runzeln.

      „Ruder an!“

      Im Gleichtakt der Riemen schoß das Beiboot zurück in Richtung Mill Bay. Da saß jeder Riemenschlag exakt und harmonisch aufeinander abgestimmt.

      Einer der Bootsleute auf der Kuhl direkt unter dem Achterdeck sagte vernehmlich: „Pullen können die, alle Achtung – wenn ich da an unseren Riemensalat denke …“

      „Bootsmann Stenley!“ schrie der erste Offizier.

      Der Bootsmann ruckte herum und schaute zum Achterdeck hoch. „Mister Parsons, Sir?“

      „Ich verbitte mir solche Bemerkungen, verstanden?“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Bootsmann Stanley ziemlich lässig.

      Parsons schob den Kopf lauernd vor. „Ihr Ton gefällt mir nicht, Stenley.“ Er schien plötzlich ein sehr feines Gehör zu haben, dieser Mister Parsons.

      „Sir?“ fragte der Bootsmann und zog die linke Augenbraue hoch. Er konnte das sehr gut, denn es gab seinem Gesicht einen Ausdruck höhnischen Trotzes. „Wie darf ich das verstehen?“

      „Sie wissen sehr gut, was ich meine“, knurrte Parsons gereizt.

      „Was meinen Sie denn, Mister Parsons, Sir?“ fragte der Bootsmann mit höflicher Unverschämtheit.

      Die Stirnadern des ersten Offiziers schwollen dunkel an. Diesem Bootsmann war so nicht beizukommen. Das war keiner von denen, die sich duckten oder zu blöd waren, ihren eigenen Namen zu buchstabieren.

      „Sie haben nichts zu fragen!“ schrie Parsons. „Kümmern Sie sich um das Reinschiff, Mann!“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Bootsmann Stanley noch lässiger als zuvor, drehte sich um und setzte einem Moses, der ihn mit offenem Munde anstarrte, sanft auseinander, daß eine Wurzelbürste zum Deckschrubben geschaffen sei – nicht dazu, sich daran festzuhalten. „Klar, mein Junge?“ fragte er zum Schluß.

      „Aye, aye, Sir!“ schmetterte der Moses.

      Und Parsons zuckte zusammen.

      In der Vorpiek der „Revenge“ sagte Matt Davies: „Und es war doch Hasard, ich habe es genau gehört, aber euch läuft ja noch der Whisky aus den Ohren, verdammt noch mal.“

      Sam Roscill, schlank, dunkelhaarig, dunkeläugig, sonst ein verwegener Draufgänger, stöhnte und murmelte: „Was ist hier überhaupt los? Ich glaub, mein Schädel platzt auseinander. Kannst du mir mal erklären, wo wir hier sind?“

      „Auf der verdammten ‚Revenge‘“, erwiderte Matt Davies gallig.

      „Du spinnst wohl, Mann?“ Sam Roscills Stimme klang fassungslos.

      „Matt hat recht“, ertönte Stenmarks Stimme, „wir befinden uns auf der ‚Revenge‘.“

      Keiner konnte den anderen sehen. Die Vorpiek tief unten im Vorschiff der „Revenge“ war ohne Licht. Es war jenes Loch auf englischen Schiffen, in das einerseits Ersatzteile oder nur dann und wann gebrauchtes Material wie Hilfsanker, schwere Trossen, Schleppleinen, Bojengeschirr und ähnliches gestaut wurden. Andererseits diente es dazu, renitente Seeleute, arme Sünder oder Gefangene dort einzusperren.

      Auf den meisten Schiffen war dieses Loch der Vorhof zur Hölle, vor allem bei schwerem Seegang, wenn das stinkende Bilgewasser bei der Talfahrt ins Vorschiff schoß und Teile der Piek überflutete. Und wer einen empfindlichen Geruchssinn hatte, dem konnte sich in dem Mief dieses Loches schon der Magen umdrehen.

      Matt Davies sagte: „Sie haben uns zusammengeschlagen, als wir die ‚Bloody Mary‘ verlassen hatten und zur ‚Isabella‘ zurück wollten.“

      Jetzt dämmerte es Sam Roscill auch.

      „Ach du dickes Ei“, murmelte er. „Aber wie soll dann Hasard wissen, daß wir hier sind?“

      „Er hat zwei und zwei zusammengezählt, ganz einfach“, erwiderte Matt Davies. „Irgendwann waren wir überfällig. Dann haben sie nach uns gesucht und natürlich nicht gefunden. Ich an ihrer Stelle hätte jetzt auch vermutet, wo man uns zu suchen hat – auf der ‚Revenge‘.“

      „Hm“, brummte Sam Roscill. „Und was soll das Ganze?“

      „Drake hat irgendeine Schweinerei vor“, sagte Stenmark ruhig.

      „Genau“, sagte Matt Davies.

      Eine Weile schwiegen sie, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt.

      Dann sagte Stenmark: „Die ‚Revenge‘ liegt noch vor Anker.“

      „Na klar“, sagte Matt Davies, „schließlich haben sie uns ja nicht geschnappt, um uns spazierenzusegeln. Wie ich den alten Schweinehund kenne, wird er versuchen, Hasard mit uns zu erpressen. Dieser mistige Admiral gibt nicht eher Ruhe, bis er Hasard geschafft hat.“

      „Nicht nur Hasard – die ganze Crew“, sagte Stenmark. „Von dem Stadtkommandanten hatte er verlangt, uns alle in den Kerker zu werfen. Tollwütige Bestien seien wir, hat er gebrüllt, die man erschießen, aufknüpfen und vierteilen müsse.“

      „Der kann doch nicht ’ne ganze Schiffsbesatzung ausrotten“, sagte Sam Roscill.

      „Weiß man’s?“ erwiderte Stenmark. „Verrückt genug ist er. Und vergiß nicht, daß er sich sogar an Hasards Söhnchen vergriffen hat. Der alte Carberry sagte, wer Kinder raubt, bringt noch ganz andere Sachen fertig. Ich meine, wir sollten mal allmählich darüber nachdenken, wie wir diesem Admiral in die Suppe spucken könnten. Vielleicht hat Matt Hasards Stimme wirklich gehört. Ich war vorhin auch noch nicht ganz richtig da.“

      „Es war seine Stimme“, sagte Matt Davies. „Und dann hat dieser Parsons was gebrüllt. Der war ziemlich in Fahrt.“ Sie hörten, wie er lachte. „Vielleicht hat Hasard ihm ein paar Freundlichkeiten gesagt.“

      „Hast du auch Drakes Stimme gehört?“ fragte Stenmark.


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