Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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an Bord eines solchen Seglers begab. Die Ausreise aus Spanien hatte nur heimlich geschehen können, es war der einzige Weg gewesen.

      Florinda hob den Kopf.

      Schritte näherten sich dem Kabelgatt, langsame, etwas schlurfende Schritte. Gelbliches dämmriges Licht drang durch die Ritzen des Schotts. Jemand näherte sich mit einer Öllampe und verhielt direkt vor dem Schott.

      Florinda wollte den Namen ihres Geliebten aussprechen, bremste sich aber im letzten Moment. Diese Schritte, diese schleppende Gangart! Unmöglich konnte es sich um Andrés handeln, es sei denn, er wollte ihr einen Streich spielen.

      Florinda wartete nicht, bis der Besucher mit der Lampe das Schott aufgeriegelt hatte. Sie erhob sich, schlich durch das Dunkel, tastete sich an Taurollen und zusammengelegten Tampen vorbei und über sie hinweg und erreichte eine große Seekiste, in der nach Auskunft von Andrés Belegnägel, Marlspieker, Blöcke und anderes Rüst- und Handwerkszeug der Besatzung verstaut waren. Das Mädchen hockte sich hinter die Kiste, mit dem Rükken zur Wand.

      Sie hielt den Atem an, als aufgeriegelt wurde und das Schott sich knarrend öffnete. Im Lichtschein der Öllampe erschienen die Gestalt und das Gesicht eines Mannes. Florinda spähte nur kurz über den Kistendekkel, dann zog sie den Kopf wieder ein. Sie hatte genug gesehen. Der Besucher war nicht Andrés, sondern nach den Beschreibungen, die er ihr von den wichtigsten Besatzungsmitgliedern gegeben hatte, der Waffenmeister des Schiffes – Luis Benavente.

      Was hatte der in dem Kabelgatt zu suchen?

      Andrés hatte Florinda ausdrücklich versichert, daß die Männer der „Gran Duque“ das Kabelgatt höchst selten, wahrscheinlich niemals während ihrer Reise aufsuchen würden. Hier lagen sämtliche Verholtrossen und das nicht im Gebrauch befindliche Tauwerk. Es mußte schon ein schweres Wetter über das Schiff hereinbrechen, bei dem etwas von dem laufenden und stehenden Gut beschädigt wurde und man folglich Materialnachschub benötigte. Glücklicherweise war dies bisher nicht der Fall gewesen. Auch mit einem Gefecht, bei dem die Galeone ramponiert werden konnte, war nach Andrés optimistischen Aussagen „absolut nicht zu rechnen“, da die „Gran Duque“ keine wertvolle Ladung führte und daher kein „Fressen“ für Piraten war. Solange oben auf Deck keine Ausbesserungsarbeiten nötig waren, brauchte man also nicht ins Kabelgatt hinunterzusteigen, soviel stand fest.

      Was wollte dann dieser Luis Benavente?

      Der Waffenmeister war ein großer, schwerer Mann mit breiten Schultern und derben Zügen. Er hielt die Lampe am ausgestreckten Arm vor sich hin, drückte mit der anderen Hand das Schott zu und sah sich aufmerksam um.

      Florinda Martinez Barrero hockte wie paralysiert hinter der Seekiste. Sie hatte vorsichtig Luft geschöpft, als Benavente das Schott hinter sich geschlossen hatte. Jetzt, in der Stille, die nur von einem leichten Knarren und Plätschern unterbrochen wurde, hielt sie von neuem den Atem an.

      Luis Benavente tat noch einen langen Schritt und stand nun in der Mitte des Raumes. Sein Gesichtsausdruck war halb verkniffen, halb verschlagen. Er hielt auf eine Weise Umschau, die das Mädchen schier zur Verzweiflung brachte. Wieder hatte sie seinen Kopf über den Dekkel der Kiste hinweg sehen können – und eigentlich wunderte es sie, daß er sie noch nicht entdeckt hatte.

      Die Öllampe schien ihn ein wenig zu blenden. Anders konnte sie es sich jedenfalls nicht erklären.

      „Komm ’raus!“ sagte er plötzlich.

      Sie fühlte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Ihre schlimmste Ahnung war zur Gewißheit geworden. Benavente war nicht aus purem Zufall hier aufgetaucht. Irgendwie mußte er etwas in Erfahrung gebracht haben – oder der Kapitän José Manuel Ramos selbst hatte Andrés’ Geheimnis aufgedeckt und schickte nun einen seiner Männer, um nach dem Rechten sehen zu lassen.

      Aus war der Traum von der Neuen Welt und der großen Freiheit.

      „Komm ’raus“, wiederholte Benavente, der Waffenmeister. „Ich weiß, daß du hier bist. Du erleichterst mir die ganze Sache, wenn du jetzt aus deiner Dekkung hervorkriechst. Ich erspare mir das Herumsuchen – und du beweist, daß du klug genug bist, das Spielchen nicht auf die Spitze zu treiben.“

      Florinda rührte sich nicht vom Fleck. Sie hütete sich auch, ihm eine Antwort zu geben.

      „Ich weiß alles“, fuhr Benavente in dumpfem Tonfall fort. „Ich habe Andrés mehrmals beobachtet, wie er hierher schlich. Er dachte, daß seine Kameraden schliefen, aber da hat er sich getäuscht. Ich hab ein waches Auge auf ihn gehabt. Ich habe auch mal seine Sachen durchsucht, die er im Mannschaftslogis aufgehängt hatte. Prompt habe ich ein besticktes Seidentuch gefunden, mit dem Buchstaben ‚F‘ darauf. Da frage ich mich, was hat das wohl zu bedeuten, daß ein Kerl wie dieser Andrés mit einem verzierten Weibertuch durch das Schiff rennt …“

      Er hielt mit dem Sprechen inne und holte tief Luft. Florinda spürte, wie sie am ganzen Leib zu zittern begann.

      „Der blinde Passagier, den der gute Andrés hier versteckt hält, muß ein Frauenzimmer sein“, erklärte der Waffenmeister. „Anders kann es gar nicht sein. Mir ist nämlich auch bekannt, daß Andrés so ein Taschentuch noch nicht besaß, als er an Bord unseres Schiffes erschien. Der Zuchtmeister hat eine Liste sämtlicher Habseligkeiten aller Besatzungsmitglieder aufgestellt – daher weiß ich’s. Was sagst du jetzt, Mädchen?“

      Florinda spürte eine beginnende Ohnmacht von sich Besitz ergreifen. Um sie herum begann sich alles zu drehen.

      „Zeig dich und sei ein bißchen nett zu dem alten Luis“, sagte Benavente. „Dann verrate ich weder dem Kapitän noch sonst jemandem auf diesem lausigen Kahn, daß du hier untergeschlüpft bist. Also, mehr kannst du von mir wirklich nicht verlangen. Na los, nun komm schon, zier dich nicht so …“

      Als sie immer noch keine Anstalten traf, seine Aufforderung zu befolgen, fing er an zu fluchen und schritt mit der schwankenden Lampe im Kabelgatt auf und ab. Er bediente sich der übelsten, lästerlichsten Ausdrücke.

      Florinda bezwang das Gefühl der Ohnmacht. Sie blickte wieder über den Kistendeckel und erhob sich, sobald der große Mann ihr den Rücken zugewandt hielt. Auf unsicheren, wankenden Beinen umrundete sie die Kiste, lief zum Schott und streckte schon die Hände aus, um es aufzuzerren – da fuhr Benavente zu ihr herum.

      Er reagierte sofort und war geradezu unheimlich schnell zwischen ihr und dem Schott. Florinda konnte sich nicht mehr bremsen. Sie prallte mit ihm zusammen. Sie wollte an ihm vorbei, aber er packte mit der freien Hand zu und hielt sie brutal am Arm fest.

      „So“, sagte er. „Türmen wolltest du also. Das ist aber gar nicht klug von dir.“

      „Lassen Sie mich“, stammelte sie. „Ich flehe Sie an …“

      „Eine Nase drehen wolltest du dem alten Luis, statt mal so richtig nett zu ihm zu sein“, sagte der Waffenmeister. „So was Törichtes aber auch. Ich habe dich ja gewarnt. Was man dem guten alten Luis nicht freiwillig gibt, das nimmt er sich mit Gewalt.“

      Sie begann zu keuchen. „So haben Sie doch Erbarmen …“

      Rasch stellte er die Öllampe auf dem Boden ab, hielt sie dabei jedoch unverändert hart in seinem Griff fest, so daß sie keine Chance hatte, ihm zu entwischen.

      „Du solltest mich mit ‚Senor‘ anreden“, erwiderte er grinsend. „Das gehört sich einer Respektsperson gegenüber.“

      „Senor“, flüsterte sie. „Ich tue alles, was Sie sagen, wenn Sie mich nur loslassen.“

      Er richtete sich wieder auf und blickte sie an. „Herrgott, ich müßte ja schön blöd sein, wenn ich darauf eingehen würde. Schlag mir noch so etwas vor, und ich fange laut an zu lachen.“

      „Ich schreie!“

      „Schrei nur, es nützt dir ja doch nichts.“

      Sie öffnete tatsächlich den Mund. Aber im selben Augenblick legte sich eine seiner derben Hände auf ihre Lippen, mit der Geschwindigkeit, mit der er ihr auch den Weg verstellt hatte. Er war ein flinker, brutaler, unheimlicher Kerl, dieser Benavente, und Florinda


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