Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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träumst nicht“, ließ sich jetzt ein dritter vernehmen.

      Erst jetzt erwachte auch Andrés Nortes de Checa, der an diesem Abend nach der Wache von Luis Benavente, dem scheinheiligen, verschlagenen Waffenmeister, zu einem „kleinen Umtrunk“ eingeladen worden war, aus „purer Freundschaft“ selbstverständlich. Andrés hatte etwas zuviel von dem Rioja getrunken, den Benavente ihm nur allzu bereitwillig kredenzt hatte, und so war er in einen tieferen Schlummer als gewöhnlich gefallen. Eigentlich hatte er nur eine Stunde in seiner Koje im Mannschaftslogis ruhen wollen, um dann Florinda zu besuchen.

      Völlig verstört schreckte er jetzt aus seinen Träumen hoch.

      Florinda floh vor den Männern, die aus ihren Kojen sprangen und lachend in den Gang rannten. Sie prallte mit der Schulter gegen eine Wand, es tat ihr furchtbar weh, aber sie kümmerte sich nicht darum. In panischem Entsetzen setzte sie ihren Weg fort.

      Ein Teil der Männer, die vorher zu dem wetternden Benavente gestoßen waren, hatte inzwischen wieder das Logis erreicht und schloß sich dem Trupp an, der Florinda auf den Fersen war.

      „Haltet das Weib!“ schrie einer von ihnen.

      „Zeigen wir ihr mal, was für Teufelskerle wir sind!“ rief ein anderer.

      „Florinda“, stammelte Andrés. Er wälzte sich von seinem Lager, lief auf etwas unsicheren Beinen zum Gang und stieß mit einem seiner Deckskameraden zusammen. „Florinda“, sagte er noch einmal. „Madre de Dios, wie konnte das nur – heilige Mutter Gottes, was machen sie denn mit dir …“

      Florinda erreichte ein Schott, riß es auf, stolperte ins Freie und rammte das Schott wieder hinter sich zu. Der kühle Nachtwind aus Norden umfächelte ihr Gesicht, griff nach ihrer Gestalt, und stöhnend taumelte sie weiter. Sie glaubte, die Pranken dieser derben Kerle schon an ihrem Leib zu spüren.

      Nein, dachte sie, niemals, dann lieber sterben!

      Sie registrierte, daß sie sich ganz vorn auf dem dreimastigen Schiff befand. Sie wußte nicht, daß man diesen Teil die Galionsplattform nannte, daß es der Bugspriet war, auf den sie nun zuhielt. Sie wußte nur, daß die letzte Rettung in den schwärzlichen Fluten des Atlantiks lag, wenn überhaupt. Sie dankte in diesem Augenblick dem Schöpfer und ihren Eltern, daß sie das Schwimmen gelernt hatte.

      Florinda zögerte nicht. Sie lief, war am Rand der Plattform angelangt, hielt nicht inne, verlieh sich nur noch mehr Schwung – und hechtete in die See. Sie sprang weit genug und begann, nachdem sie eingetaucht war, sofort zu schwimmen. So entging sie dem Bug der Galeone, der wie ein Ungeheuer auf sie zurauschte, und wurde nicht untergegraben von diesem hölzernen Giganten „Gran Duque de Almeria“, der ihr zum Verhängnis geworden war.

      Die Bordwand glitt an ihr vorbei, hoch und wuchtig und von erdrükkender Schwere. Florinda hatte sich umgedreht und sah noch einmal die Galeone in ihrer ganzen Pracht – die Masten mit den Rahen und dem prallen Zeug, das reich verzierte Achterkastell, die Heckgalerie und die Bleiglasfenster der Kapitänskammer, hinter denen jetzt Licht aufflammte, schließlich die große eiserne Hecklaterne, die einen letzten Gruß herüberzusenden schien.

      Florinda dachte an Andrés. Ihr kamen die Tränen. Weinend schwamm sie weiter und hoffte, daß auch er von dem verhaßten Schiff fliehen würde.

      Daß Andrés jetzt an den Kameraden vorbei zum Schott drängte und ihren Namen rief, bekam sie nicht mehr mit. Andrés Schreie, im Inneren des Vorschiffs ausgestoßen, erreichten nicht mehr ihre Ohren.

      „Florinda!“ stieß Andrés immer wieder hervor. „Florinda!“

      „Haltet ihn fest!“ brüllte Luis Benavente, der mittlerweile auch wieder am Logis eingetroffen war. „Er ist ihr Komplice! Er muß bestraft werden! Laßt ihn nicht entwischen!“

      Die Männer reagierten erstaunlich schnell und fuhren zu Andrés herum. Er versuchte, ihren zupackenden Händen zu entgehen, duckte sich geistesgegenwärtig, hatte aber trotzdem kein Glück. Die Fäuste schlössen sich um seine Arme und Oberschenkel, ja, sogar um seinen Hals. Zwei Decksleute hielten plötzlich seinen Oberkörper umschlungen.

      Andrés schlug um sich.

      Seine Kameraden von der Kuhl hieben zurück. Sie schienen geradezu versessen darauf zu sein, sich mit jemandem zu raufen.

      „Laßt mich“, stieß Andrés keuchend hervor. „Ihr legt euch mit dem Falschen an. Luis lügt. Versteht ihr nicht? Es ist ein Mißverständnis, ein …“

      „Hört nicht auf ihn!“ rief der Waffenmeister. „Er hat sie an Bord geschmuggelt, und sie wollte uns heute nacht das Schiff unterm Hintern in Brand stekken. Ja, genau das hatte sie vor!“

      Das Schott zur Galionsplattform schwang auf, und einer der Männer, der Florinda bis dorthin gefolgt war, blickte in den Vordecksgang.

      „He!“ rief er in das Rumoren der Kämpfenden. „Das Mädchen ist abgehauen. Einfach über die Reling und ab in den Teich ist sie!“

      „Nein!“ keuchte Andrés. Er unternahm noch einmal einen Versuch, sich aus der Gewalt der anderen zu befreien. Er boxte und trat um sich und schickte auch einen Mann zu Boden. Aber die Antwort auf seinen Ausfall war ein massiver Kinnhaken, der seinen Schädel zum Dröhnen brachte und ihn von einer Sekunde auf die andere schlaff zusammensinken ließ.

      Luis Benavente trat neben den Mann, der diesen gezielten Schlag gelandet hatte, und hieb gleich noch einmal zu.

      „So“, sagte er dann. „Jetzt sind wir wenigstens sicher, daß er vorläufig gebändigt ist.“

      „Und das Mädchen?“ fragte der Decksmann, der Francisco hieß.

      „Wir fischen sie gleich aus der See“, entgegnete Luis Benavente. „Ich warte nur noch darauf, daß der Kapitän das Zeichen zum Beidrehen gibt. Wir wollen uns das Täubchen doch nicht entgehen lassen, oder?“

      Die Männer lachten, und Francisco meinte breit grinsend: „Ich habe sie deutlich vor mir gesehen. Sie ist hübsch, sage ich euch, so richtig zart und knusprig.“

      Er wollte in seiner Beschreibung fortfahren, aber in diesem Moment wurde der Vordecksgang von der anderen Seite her geöffnet und eine Stimme, die alle als die des zweiten Offiziers erkannten, rief: „Benavente sofort zum Kapitän! Was, in aller Welt, geht hier vor?“

      3.

      Der Waffenmeister ging nicht, er lief über die Kuhl und stieg zum Achterdeck der „Gran Duque de Almeria“ hinauf, um seinem Kapitän so schnell wie möglich Bericht zu erstatten. Er trat Don José Manuel Ramos gegenüber, der durch die Alarmrufe und das Klopfen an seiner Kammertür aus dem Schlaf gerissen worden war, und gab einen kurzen Bericht, in dem seine eigene Rolle mehr als beschönigend dargestellt war.

      Natürlich konnte er seinem Kapitän gegenüber nicht zugeben, daß er Andrés Nortes de Checa schon seit einiger Zeit bespitzelt hatte und ein Verdacht in ihm herangereift war, der sich in dieser Nacht erhärtet hatte. Ramos hätte ihn, Benavente, dafür bestrafen lassen, daß er nicht schon eher seine Beobachtungen gemeldet hatte.

      Selbstverständlich erwähnte er auch das Angebot, das er dem Mädchen Florinda gemacht hatte, mit keinem Wort. Er sagte nur: „Ich hörte Geräusche im Kabelgatt, die mich unruhig stimmten, Capitán. Ich sah nach und stieß auf dieses Frauenzimmer, das sofort wie eine Furie mit Zähnen und Krallen auf mich losging. Ich konnte sie bändigen, aber als meine Aufmerksamkeit einen Augenblick nachließ, packte sie meine Öllampe und schleuderte sie in den Raum, so daß die Lampe zerbrach und Feuer verbreitete. Daraufhin mußte ich den Brand löschen, um das Schiff und die Besatzung zu retten. Das hatte natürlich Vorrang. Darum, nur darum konnte dieses Weib mir entwischen.“ Er schilderte, wie Florinda außenbords gesprungen war und wie man Andrés gepackt und niedergeschlagen hatte.

      Kapitän Ramos wandte sich der Kuhl zu, wo sich inzwischen fast die ganze Mannschaft versammelt hatte. „Profos, wir drehen bei und suchen nach dem Mädchen. Weit kann sie nicht gelangt sein. Ich will sie auffischen und zur Rechenschaft


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