Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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zunächst anluven und dann Zeug wegnehmen, so daß die Galeone mit dem Bug in den Nordwind drehte und schließlich stoppte. Eiserne Laternen wurden an Tauen außenbords abgefiert. Die Besatzung hielt aufmerksam nach dem Mädchen Ausschau.

      Don José Manuel Ramos blickte wieder zu seinem Waffenmeister. „Die Nacht ist ihr Verbündeter, sonst hätten wir sie schon entdeckt.“

      „Wir finden sie auf jeden Fall, Senor.“

      „Wie konnte es passieren, daß wir einen blinden Passagier an Bord hatten, Benavente, dazu noch eine Frau?“

      „Dieser Andrés Nortes de Checa muß sie in Cadiz irgendwie an Bord geschmuggelt haben“, erwiderte der Waffenmeister. „Es wird sich noch herausstellen, ob er dazu irgend jemanden von der Bordwache bestochen oder wie er es sonst angestellt hat. Auf jeden Fall ist das, was dieser Hund getan hat, ein todeswürdiges Verbrechen. Ich schlage vor, daß wir ihn in Ketten legen und einsperren und dann so schnell wie möglich Bordgericht über ihn halten. Er wollte dieses Flittchen mit in die Neue Welt nehmen, und das ist genauso schlimm wie Diebstahl, Meuterei oder Mord.“

      „Bewahren wir die Ruhe, Benavente“, sagte der Kapitän. „Ich kann Ihre Aufregung über den Vorfall verstehen, aber wir sollten nicht vorschnell Justiz üben. Erst einmal kommt der Mann in die Vorpiek, danach sehen wir weiter. Morgen früh werde ich mir auf jeden Fall anhören, was er zu sagen hat, das ist trotz allem erforderlich, um die Sache restlos zu klären. Bei Ihnen, mein Bester, möchte ich mich für Ihr umsichtiges Verhalten bedanken. Für diesen Einsatz erhalten Sie eine Prämie von mir, verlassen Sie sich darauf.“

      Benavente fühlte sich sichtlich geschmeichelt. Er katzbuckelte und wollte schon in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß er doch letztlich nichts als seine Pflicht getan hätte, da erschien der Profos mit einer Meldung.

      „Senor, von dem Mädchen gibt es keine Spur mehr. Wir nehmen an, sie ist ertrunken.“

      Don José schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Nehmen wir lieber mal an, sie sei eine gute Schwimmerin und hat sich bereits weiter von uns entfernt, als wir angenommen haben.“

      „Zuzutrauen wäre es ihr“, sagte Luis Benavente. „Sie ist ein richtiges Mannweib, Senor, kennt alle Tricks und entkommt uns doch noch, wenn wir uns nicht höllisch beeilen.“

      „Die Beiboote abfieren“, ordnete der Kapitän an. „Die Leute sollen ihr Augenmerk in erster Linie auf die südliche Richtung konzentrieren. Nach den letzten Berechnungen, die ich am späten Nachmittag angestellt habe, müssen wir uns jetzt querab der Azoren-Insel Sao Miguel befinden. Es ist immerhin denkbar, daß auch das Mädchen durch ihren Freund Andrés darüber im Bilde ist und nun versucht, sich auf das Eiland zu retten. Ich könnte höchstens schätzen, wie groß die Distanz noch ist, da eine genaue Navigation bei dieser Bewölkung nicht möglich ist. Aber rein theoretisch könnte sie es schaffen.“

      „Senor“, sagte Luis Benavente. „Ich melde mich freiwillig zum Suchtrupp. Lassen Sie mich mit in eins der Boote abentern.“

      „Genehmigt“, erwiderte Don José. „Es ist gut, Männer wie Sie an Bord dieses Schiffes zu wissen, mein lieber Benavente.“

      Florinda, dachte Luis Benavente, wenn ich dich erwische, werde ich versuchen, dich zu töten, denn es könnte sein, daß du etwas von dem, was ich mit dir vorhatte, ausplauderst!

      Dan O’Flynn, der neben seinem Vater Donegal Daniel O’Flynn an der vorderen Querbalustrade der Back der „Isabella“ stand, hob plötzlich den Kieker ans Auge.

      „Voraus ist ein Licht“, sagte er. „Sieht mir ganz nach der Hecklaterne eines größeren Schiffes aus.“

      Der Alte spähte ebenfalls durchs Glas und entgegnete: „Ja, wir laufen genau auf diesen Bruder zu, und er scheint nicht so schnell wie wir zu sein, denn das Licht rückt näher.“

      „Dad“, sagte Dan. „Er läuft überhaupt keine Fahrt. Ich schätze, er liegt beigedreht im Wind. Da sind noch ein paar kleinere Lichter vor seiner Bordwand, die anscheinend hin und her geschwenkt werden. Möchte wissen, was das zu bedeuten hat.“

      „Möchte wissen, wie du das auf die große Entfernung siehst“, sagte der Alte. „Ja, man wird eben älter.“ Er drehte sich um und rief: „Sir, wir haben da ein Schiff vor uns, und ich will einen Hut fressen, wenn das kein fauler Hund ist!“

      „Ich komme“, entgegnete Hasard. Bevor er das Achterdeck verließ, drehte er sich jedoch zu Ferris Tukker um und sagte: „Ferris, blas mal schnell die Hecklaternen aus. Wer immer der Fremde ist, es ist auf jeden Fall ratsam, sich ihm ohne Licht zu nähern.“

      „Aye, Sir. Soll ich auch schon meine Höllenflaschen bereithalten?“

      „Wir versuchen, dem Burschen auszuweichen“, sagte der Seewolf. „Unsere Fahrt zur Schlangen-Insel soll rasch und reibungslos verlaufen. Wir schlagen uns nicht mit jedem Spanier oder Portugiesen oder hergelaufenen Freibeuter herum, falls er uns nicht angreift.“

      „Das war mir klar“, gab Ferris, der rothaarige Schiffszimmermann, zurück. „Ich finde nur, es könnte ein Fehler sein, nicht rechtzeitig genug gefechtsklar zu sein.“

      „Ich sage schon rechtzeitig genug Bescheid, falls es brenzlig zu werden droht.“

      „Danke, Sir“, sagte Ferris und wandte sich ab, um schleunigst die Hecklaterne der „Isabella“ zu löschen.

      Hasard stieg auf die Kuhl hinunter und trat zu Carberry. „Ed, von jetzt an kein lautes Reden mehr, verstanden? Ich will, daß es hier mucksmäuschenstill ist. Wir pirschen uns an den Kameraden dort drüben heran und schauen ihn uns mal ein bißchen an, ohne daß er von uns etwas merkt.“

      „Aye, Sir.“ Carberry zeigte klar, wandte sich der Crew zu und zischte: „Maul halten, ihr Kakerlaken, klar? Für die nächsten zwei Glasen will ich euer verdammtes Geschrei nicht mehr hören, da will ich jeden Floh husten hören, sonst gibt es was quer über die Rippen und ich ziehe euch Rübenschweinen die Haut in Streifen von euren Hintern.“

      „Wir folgen deinem Beispiel, Profos“, sagte Matt Davies. „Du brüllst ja bekanntlich nie.“

      „Wie war das, Mister Davies?“

      „Ich sagte, man muß deine Ruhe und Gelassenheit bewundern.“

      „Paß bloß auf, daß ich dich wegen deiner Sprüche nicht mal unangespitzt in die Kuhl ramme“, brummte Ed Carberry.

      Hasard war unterdessen zur Back weitergegangen. Plötzlich bemerkte er die Zwillinge neben sich. Es war erst ein paar Minuten her, daß er ihnen die Leviten gelesen hatte. Tatsächlich hatte er ihnen auch angedroht, daß sie beide im Kabelgatt landeten, wenn sie noch einmal einen Streich wie den mit der Radschloßpistole ausheckten. Das hatte gesessen und gewirkt. Philip und Hasard hatten eingesehen, daß sie „gewaltigen Mist gebaut“ hatten.

      Sehr bescheiden fragte Hasard Junior daher: „Dad, dürfen wir mit auf die Back?“

      „Dad, sag nicht nein“, bat Philip Junior. „Wir betragen uns ordentlich.“

      „Zu welchem Dienst seid ihr gerade eingeteilt?“ wollte er wissen.

      „Zu keinem, Sir“, antwortete sein Sohn Hasard. „Mit dem Aufklaren in der Kombüse sind wir pünktlich fertig gewesen, du kannst den Kutscher fragen.“

      Der Seewolf lächelte. „Nicht nötig. Wenn ihr mir versichert, daß alles seine Ordnung hat, glaube ich euch.“

      Sie enterten gemeinsam die Back, und hier blickte der Seewolf durch sein Spektiv und konnte das fremde Schiff in der Ferne liegen sehen.

      „Ein Dreimaster, soweit man es im Licht seiner Achterlaterne erkennen kann“, sagte er.

      „Eine spanische Galeone, wage ich zu behaupten“, meinte Dan O’Flynn. „Ich kann ihre Aufbauten ziemlich gut erkennen, und daraus läßt sich so einiges schließen. Nur ist mir nicht klar, was ihre Besatzung tut. Eben haben die Burschen aufgehört, mit ihren Laternen zu hantieren. Ich schätze, sie suchen etwas – aber was?


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