Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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grimmig. „Entweder hauen sie uns in ihre Kochtöpfe – oder sie braten uns am Spieß.“

      Coanabo hörte die Worte der Fremden und war ein wenig verwirrt. Er konnte nichts verstehen. Welcher Sprache bedienten sie sich? Das war kein Spanisch. Auch kein spanischer Dialekt. Er hätte ihn verstanden. Also waren dies keine Spanier? Aber wer dann?

      Interessiert beugte sich Coanabo über Old O’Flynn.

      „Hau ab“, knurrte dieser. „Solange es noch nicht zu spät ist. Du weißt nicht, was du riskierst, du Laus! Ich bin Old Donegal Daniel O’Flynn, und das hier ist mein Schiff, die ‚Empress of Sea II.‘, verstanden?“

      Coanabo betrachtete im Schein der Bordlampe, die jetzt fast ganz heruntergebrannt war, Old O’Flynns Holzbein.

      „Du brauchst keine großen Sprüche zu klopfen“, sagte Carberry aufgebracht. „Du hast gepennt, Mister O’Flynn, das ist ja wohl klar. Sonst hätten diese Menschenfresser sich gar nicht erst nähern können, was, wie?“

      „Sie sind keine Menschenfresser“, sagte der Kutscher.

      Coanabo klopfte mit seinem Messer gegen das Holzbein.

      „Ein Bein aus Holz“, sagte er verblüfft.

      Die anderen Indianer umringten ihren Häuptling und Old O’Flynn. Jeder von ihnen wollte jetzt das Bein aus Holz betrachten. Sie staunten, denn nie zuvor hatten sie eine solche Prothese gesehen.

      „Jetzt können wir sie erledigen“, sagte Carberry.

      „Nicht“, sagte der Kutscher. „Sie wollen uns nicht töten.“

      „Nein“, sagte der Profos wild. „Sie wollen nur mal eben guten Tag sagen. Oder gute Nacht.“

      Old O’Flynn lief zur großen Form auf. Er erhob sich, zog sich die Hose aus und schnallte das Bein ab. Er zeigte seinen Beinstumpf.

      „Das ist was, nicht?“ sagte er. „Und mit dem Bein kann ich euch alle verprügeln, wenn ich will.“

      „Donegal“, sagte der Kutscher. „Sei vernünftig. Es hat keinen Sinn, daß wir uns grundlos mit diesen Eingeborenen herumschlagen.“

      „Na, dann eben nicht“, sagte der Alte. Er schnallte das Holzbein wieder an. Die Indianer gaben beeindruckte, anerkennende Laute von sich.

      „Das ist großer Zauber“, sagte Coanabo. „Eine große Medizin.“

      „Was für Männer sind das?“ fragte einer seiner Stammesbrüder ratlos.

      „Ich weiß es nicht“, erwiderte Coanabo. „Aber wir bekommen es noch heraus, woher sie stammen und was sie hier wollen. Wir nehmen sie mit.“

      „Reicht das als Vorführung?“ fragte Old O’Flynn. „Oder soll ich’s noch mal abschnallen?“

      „Sie können dich nicht verstehen“, sagte Martin Correa. „Gib dir keine Mühe.“

      Old O’Flynn reichte Coanabo die Hand. „Also dann – auf Wiedersehen, Kamerad. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.“

      Coanabo wies auf die Kanus. „Dort hinein! Wir nehmen euch mit!“

      „Was sagt er?“ fragte der Alte.

      „Daß er dich zu einem Umtrunk einlädt“, erwiderte der Profos wütend. „Was denn sonst? Er will ganz groß mit dir feiern, bei sich zu Hause.“

      Den Mannen der „Empress“ blieb keine andere Wahl. Sie mußten in die Kanus steigen. Auch Plymmie mußten sie mitnehmen. Die Kanus legten ab, die Indianer paddelten zum südlichen Ufer von Nordandros. Sir John begleitete sie schimpfend, doch von ihm waren die Arawaks keineswegs so beeindruckt wie von Old O’Flynns hölzerner Beinprothese.

      Die Kanus stießen in den Creek vor, den der Kutscher am Nachmittag als Peilpunkt genommen hatte, und den ging es nun mit kräftigem Paddelschlag aufwärts.

      In dem Gewirr der nun folgenden, weiteren Flußläufe verloren Old O’Flynn und seine kleine Crew die Übersicht. Das hatte Andros mit der Tropfsteinhöhle von Great Abaco gemeinsam: Auch hier war man in einem richtigen Irrgarten gelandet, aus dem man nicht wieder herausfand – nicht ohne Hilfe.

      Die Zeit verstrich, es wurde Mitternacht. Die Kanus landeten in einem versteckten Pfahlbaudorf. Coanabo sprang als erster an Land, es war erstaunlich, wie gewandt und gelenkig er war. Seine Befehle waren kurz. Die Arawaks ließen ihre Gefangenen aussteigen, dann führten sie sie zu einer der Hütten.

      „Stämmige Hütte“, sagte Carberry. „Wir sind schnell drin und kommen nicht wieder raus. Na, das war’s dann wohl.“

      Ein Indianer öffnete die Tür der Hütte. Die anderen halbnackten Gestalten dirigierten die sechs Männer und die Zwillinge ins Innere. Dann rammten sie die Tür hinter ihnen zu. Deutlich war zu hören, wie von außen ein Riegel vorgeschoben wurde.

      „So“, sagte der Profos. „Ende der Feier. Heute nacht oder morgen früh landen wir in den Fleischtöpfen der Indianer.“

      „Unsinn“, sagte der Kutscher. „Das sind doch keine Kannibalen.“

      „Ach? Haben sie dir das gesagt?“

      „Nein. Aber sie sind Arawaks, schätze ich.“

      „Schätzen ist nicht wissen“, sagte Carberry.

      „Hölle und Satan“, sagte Old O’Flynn. „Die verdammten Geister! Ich hab’s ja gewußt. Geahnt hab’ ich’s! Sie haben mich betäubt! Deswegen habe ich es nicht gemerkt, als sich die Indianer mit ihren Kanus angeschlichen haben!“

      „Die Chickcharnies haben dich benebelt, was?“ zischte Carberry.

      „Ja.“

      „Seit wann verstecken die sich in Rumflaschen?“

      „Wie meinst du das?“ fragte Old O’Flynn den Profos.

      „Das weißt du ganz genau!“ stieß Carberry hervor. „Bei dem vielen Rum, den du gesoffen hast, konntest du ja nichts merken!“

      „Wer ist hier der Kapitän, du oder ich?“

      „Das spielt keine Rolle mehr“, entgegnete Carberry. „Wir sitzen alle in einem Boot. Und im Schlick. Es geht uns an den Kragen. Macht euch bloß keine falschen Hoffnungen. Du am allerwenigsten, Mister O’Flynn!“

      „Du willst dich wohl unbedingt mit mir anlegen, was?“ fragte der Alte gereizt.

      „Jawohl“, erwiderte der Profos. „Denn du hast eisern gepennt, du alte Seegurke …“

      ENDE

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       1.

      27. April 1595 – Bahama-Insel Nord-Andros.

      Verbiestert und verärgert waren die sechs Männer und die beiden Killigrew-Söhne Hasard und Philip.

      Am meisten ärgerten sie sich über Old O’Flynn, den Geisterseher, der das alles durch seine Dösigkeit verbockt hatte. Man konnte auch sagen, der Rum war schuld – oder die angeblichen Geister, doch im Grund war es das gleiche und änderte nichts an den Tatsachen.

      Sie hockten gefangen in einer stabilen Pfahlbauhütte der Arawaks an einem Creek der Insel Nord-Andros.

      Es war jetzt zwei Stunden nach Mitternacht, doch an Schlaf dachte keiner der Männer, denn die Ereignisse hatten sich buchstäblich überschlagen.

      Sie waren dem Arawak-Häuptling Coanabo und seinen Kriegern in die Hände gefallen, nachdem sie mit der „Empress“ aufgebrummt waren und festsaßen. Die Indianer hatten sie vor Mitternacht im Handstreich überwältigt, in Kanus verfrachtet und zu der versteckt gelegenen kleinen Pfahlbausiedlung gebracht. Coanabo hielt sie für Spanier


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