Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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in die Luft flögen, wenn sie sich nicht schleunigst entfernten.

      So pullten die Männer der „Candia“ und lasen nach und nach die Kameraden auf, die es vorgezogen hatten, in die See zu springen, um den Schauplatz des für sie so schimpflichen Geschehens zu verlassen. Lucio do Velho enterte als einer der letzten in die eine Jolle. Er kauerte sich zwischen die dicht an dicht auf den Duchten hockenden Männer. Eisige Stille umgab ihn.

      Hasard hatte auf der „Candia“ die Flaschenbombe mit der langen Lunte direkt in der Pulverkammer placiert. Die Tür des Raumes hatte er aufgebrochen. Jetzt, als Old O’Flynn ihm das Zeichen gab, daß die Leinen gelöst wären, zündete der Seewolf die Zündschnur, vergewisserte sich noch, daß sie nicht wieder erlöschen konnte – und lief an Oberdeck. Er hastete über die Kuhl, sprang auf das Schanzkleid der Steuerbordseite und sprang zu seinem Schiff hinüber, das sich langsam von dem Viermaster entfernte.

      „Segel setzen!“ schrie Carberry. „Bewegt euch, ihr faulen Brüder! Wir gehen auf Kurs Südwesten und sehen zu, daß wir Abstand von dem Kahn der Dons gewinnen.“

      Hasard trat zu Ben Brighton, Shane, Ferris und den anderen, die sich auf dem achteren Teil der Kuhl versammelt hatten.

      „Wir werden jetzt ungestört kreuzen können“, sagte er. „Ich glaube nicht, daß die beiden anderen Schiffe des Verbandes uns noch folgen.“

      Als knapp eine Kabellänge zwischen der „Isabella“ und dem Flaggschiff do Velhos lag, erfolgte die Explosion. Dröhnend stieg fast der ganze Schiffsleib unter Feuer- und Rauchentwicklung aus den Fluten, wurde zerrissen und in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Das Donnern der Detonation rollte über See und glitt über die „Isabella“ und die beiden Boote der sinkenden „Candia“ weg.

      Do Velho sah eine bauchige Korbflasche in Ignazios Händen. „Was ist das?“ fragte er kaum hörbar.

      „Landwein, Senor“, erwiderte der Bootsmann. „Es scheint ein guter Tropfen zu sein, wir haben die Flasche soeben im Boot entdeckt. Sie scheint zufällig unter die Duchten geraten zu sein.“

      „Her damit“, sagte der Kommandant. „Ich brauche dringend einen Schluck Wein, sonst werde ich wahnsinnig.“ Er nahm die Flasche aus Ignazios Händen entgegen, hob sie an die Lippen und trank. Er trank gierig, um zu vergessen.

      Die Männer der „Santa Angela“ hatten die Schüsse in der Nacht vernommen. Daraufhin hatten sie der „Sao Joao“ Lichtsignale gegeben. Galardes gelang es, seine Galeone näher an die Karavelle heranzusteuern. Wenig später, als die Kapitäne sich von Bord zu Bord die Frage gestellt hatten, was es mit den Schüssen wohl auf sich haben konnte, gewahrten sie einen Feuerblitz im Südwesten.

      Sie hatten nun keinen Zweifel mehr, daß die Explosion von der „Candia“ oder der „Isabella“ herrührte. Aber wer war in die Luft geflogen, wer war der Sieger, wer der Verlierer?

      Die ganze Nacht über suchten sie nach ihrem Flaggschiff, fanden es aber nicht. Erst in den späten Morgenstunden des neuen Tages stießen die „Santa Angela“ und die „Sao Joao“ auf die beiden Beiboote der „Candia“, die weit nach Westen abgetrieben waren.

      Die vier Dutzend Männer auf den Duchten schienen tot zu sein. Sie regten sich nicht mehr. Als Galardes, Monforte und der Kapitän der „Santa Angela“ sie jedoch an Bord der Schiffe geholt hatten, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, daß die Herzen dieser Männer noch schlugen und die komplette Besatzung der „Candia“ überdies auffallend nach Wein roch.

      Alvaro Monforte beugte sich über den Kommandanten Lucio do Velho, als dieser am Nachmittag in einer Koje der Kapitänskammer der „Sao Joao“ in die Wirklichkeit zurückkehrte.

      „Sie“, hauchte do Velho. „Woher kommen Sie denn, Monforte?“

      „Aus dem Jenseits. Die Opfer des Untergangs der ‚Sao Sirio‘ lassen grüßen, Comandante.“

      „Allmächtiger …“

      „Gott, wie Sie nach Wein stinken, Comandante. Das ist der Gipfel Ihrer Verantwortungslosigkeit.“

      „Was reden Sie denn da?“ flüsterte do Velho verwirrt.

      „Wir kehren zur Küste zurück, Comandante“, sagte Monforte, ohne auf die Frage einzugehen. „Dort warten in einer Stadt, deren Name jetzt nichts zur Sache tut, mein erster Offizier, mein Decksältester sowie zwei andere Männer der ‚Sao Sirio‘ auf uns. Sie haben eine vierköpfige Bande dem Richter ausgeliefert, und sie werden sich freuen, mit mir zusammen einen weiteren Halunken anzuprangern und dafür zu sorgen, daß er degradiert wird.“

      „Aber der Seewolf …“

      „Den kriegen wir nicht mehr, Senor. Keiner von uns. Der segelt geradewegs in seine Heimat England zurück. Und, unter uns gesagt, ich finde auch, er hat es verdient, dort wohlbehalten anzukommen …“

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      1.

      Schwarze Wolken trieben über den Himmel.

      Von Westen her baute sich eine bedrohlich hohe Dünung auf, Gischtfahnen krönten die Wellen. Die „Isabella VIII.“ kletterte an den grauen, wogenden Bergen hinauf, verschwand in schwindelerregenden Tälern, kletterte von neuem aufwärts, bis ihr Bugspriet die dunklen Wolkenfetzen aufzuspießen schien. Manntaue waren über Deck gespannt, alle Segel bis auf Sturmfock und Besan geborgen. Wanten und Pardunen sangen im Wind wie straff gespannte Saiten, und die Galeone ächzte in ihren Verbänden, als spüre sie, daß sich die Elemente wieder einmal gegen sie verschworen hatten.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, starrte mit wilden blauen Augen in die Schwärze, die im Westen die Linie der Kimm verwischte.

      Auch er spürte, was sich da zusammenbraute. Ihren Feinden hatten sie ein Schnippchen geschlagen und eine vernichtende Niederlage beigebracht, jetzt zeigte ihnen die See die Zähne. Der Nordwest-Sturm würde sie weit in den Golf von Biscaya verschlagen – jetzt, da sie England schon in greifbarer Nähe geglaubt hatten. Und im Golf von Biscaya trieben sich genug Spanier herum. Spanier, die nach der Schlappe von Cadiz sicher noch wütender waren, noch wilder entschlossen, endlich „El Lobo del Mar“ zu fangen.

      Mit einem grimmigen Lächeln dachte Hasard an die Begegnung mit dem alten Drake, der sich in all den Jahren kaum verändert hatte. Immer noch so stur wie eh und je, immer noch ein Mann, der keinen Fingerbreit von seinen Prinzipien abwich. Aber im Augenblick hatte der Seewolf weiß der Himmel andere Sorgen.

      Mit beiden Fäusten umklammerte er die Schmuckbalustrade des Achterkastells. Sein langes schwarzes Haar flatterte im Wind, der ständig an bösartiger Schärfe zunahm.

      „Bill!“ schrie er zum Großmars hinauf. „Komm da runter, in drei Teufels Namen!“

      „Sir, wenn ein Spanier …“

      „Abentern!“ donnerte der Seewolf.

      Gegen diesen Ton gab es kein Aufmucken. Der Schiffsjunge Bill zog den Kopf ein und beeilte sich. Hasards Blick prüfte das Rigg, wanderte zum Vormars – und dann zuckte er zusammen, als habe er ein Gespenst gesehen.

      Zwei schwarzhaarige Köpfe lugten über die Segeltuchverkleidung der Plattform.

      Nein, drei Köpfe – aber der dritte war braun und zottig und gehörte dem Schimpansen Arwenack. Der Affe kauerte zwischen seinen neuen Freunden Hasard und Philip, fühlte sich offenbar sicher in ihrem Schutz, und die Zwillinge genossen in ihrer luftigen Höhe mit funkelnden Augen das aufregende Naturschauspiel.

      „Runter da!“ wollte der Seewolf schreien.

      Im selben Moment holte die „Isabella“ schwer nach Steuerbord über. Mit jäher Wildheit heulte eine Bö durch das Rigg – und ein zweistimmiger Aufschrei mischte sich mit Arwenacks verängstigtem Keckem.

      Von einer Sekunde zur anderen schüttelte der Sturm die Galeone mit Urgewalt.


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