Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
aber auch mit einer neuzeitlichen Pistole oder Muskete konnte so etwas passieren.
Ehe der Rudergänger der „Candia“ sich von seiner Überraschung erholt hatte, war Batuti bei ihm. Ein Fausthieb gegen die Schläfe des Feindes, und er sank zusammen und blieb zu Batutis Füßen liegen, nicht sehr weit von dem besinnungslosen, schulterverletzten Soldaten entfernt.
Dan O’Flynn, der jetzt von keiner Seite mehr bedroht wurde, hatte sich inzwischen dem portugiesischen Zuchtmeister zuwenden wollen, aber in dem Zweikampf zwischen diesem und dem Seewolf war eine Wende eingetreten.
Der Profos hatte sich gut gehalten, geriet aber jetzt, als Hasard einen neuen Ausfall gegen ihn unternahm, auf den schlüpfrigen Planken außer Kontrolle. Er glitt beinah aus, mußte sich durch Armbewegungen fangen und konnte sich nicht mehr voll auf das Duell konzentrieren. Hasard setzte nach, zog den Cutlass tief von unten herauf und knallte ihn unter den Säbel des Gegners. Es lag so viel Wucht in diesem Schlag, daß der Profos das Heft der Waffe nicht länger halten konnte. Er verlor den Säbel, und dieser wirbelte ein Stück durch die Luft, landete auf den Planken, rutschte und blieb schließlich unter dem Niedergang der Steuerbordseite liegen.
Do Velho hätte gut daran getan, das Oberdeck seines Schiffes wie vor einem Gefecht mit Sand bestreuen zu lassen. Dann hätten seine Männer einen sicheren Stand gehabt.
Aber auch die Seewölfe hätten sich besser halten können, und darum handelte es sich um keine echte Unterlassungssünde. Die nassen Planken hätten dem Feind genauso zum Verhängnis werden können – nur leider hatte sich das Blatt zuungunsten der Portugiesen gewendet.
Der Zuchtmeister wollte noch einen Schrei von sich geben, aber es wurde nur ein erstickter Laut daraus, weil Hasard ihm die linke Faust gegen die Schläfe setzte. Schwer fiel der Profos – und der Weg zum Achterkastell war wirklich frei.
Dan, Ed und Batuti waren bei ihrem Kapitän. Sie ließen ihm den Vortritt in das „Allerheiligste“ des Kommandanten.
Vom Vordeck der „Isabella“ sprangen inzwischen noch sieben Seewölfe zur „Candia“ hinüber: Blacky, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies, Al Conroy, Sam Roskill und Luke Morgan. Old O’Flynn hatte ihnen den Befehl gegeben, Ben, Ferris, Shane und Smoky bei dem Kampf, der im Vordeck entbrannt war, zu unterstützen.
Seit den Alarmrufen der Deckswache der „Candia“ waren höchstens zwei, drei Minuten verstrichen.
Lucio do Velho war aus finsteren Träumen aufgeschreckt worden. Schweißgebadet hatte er sich von seiner Koje aufgerichtet. Scheußliche Trugbilder hatte ihm die Einbildung vorgegaukelt, er hatte sich wieder im Land der Buschmänner befunden. Blutrünstige Gestalten hatten ihn umtantzt, Ignazio war fort gewesen, und ein brüllender Schamane mit gezücktem Dolch hatte sich auf ihn zubewegt. Dieser Kerl hatte verblüffende Ähnlichkeit mit Philip Hasard Killigrew aufgewiesen.
Einige Sekunden hatte do Velho benötigt, um die Situation zu erfassen.
Früher hatte er sehr wache Sinne gehabt und war immer und zu jeder Stünde kampfbereit gewesen. Aber er hatte seit den Erlebnissen in Afrika nachgelassen. Ein Weiteres hatten diese gräßlichen vierundzwanzig Stunden bewirkt, die hinter ihm lagen.
Do Velho streifte sich das Nötigste über: die Hose, das Wams, die Stulpstiefel. Er griff zu seinem Degen und steckte sich auch seine wertvolle, reich verzierte Radschloßpistole zu, während oben an Deck drei Schüsse kurz hintereinander fielen. Der eine klang dumpf und schien in einem geschlossenen Raum abgegeben worden zu sein, die anderen beiden tönten hell – offenbar vom Achterdeck.
Sie sind über mir, dachte do Velho.
Und er hatte seinen Profos den Namen „El Lobo del Mar“ brüllen hören.
Es war zu ungeheuerlich, do Velho konnte es auch jetzt kaum fassen. Der Seewolf auf der „Candia“ – wie war das möglich?
Mit allem hatte der Kommandant gerechnet, nur damit nicht. In der sicheren Annahme, der verdammte Engländer würde die ganze Nacht über auf südwestlichem Kurs weitersegeln, hatte er sich zur Ruhe begeben.
Hatte Killigrew das vorhergesehen? Hatte er es ahnen können? Welcher Teufel ritt diesen Kerl, daß er in dieser finsteren Nacht bei Regen auf Gegenkurs ging und dann geradewegs auf die „Candia“ zusteuerte? Wie hatte er sie überhaupt finden können?
Do Velhos Selbstbewußtsein war erheblich erschüttert. Er verließ seine Kammer und taumelte den Mittelgang des Achterkastells entlang.
„Ignazio“, rief er immer wieder. „Ignazio, wo, zum Teufel, steckst du? Hund von einem Bootsmann, so antworte doch!“
Eine Tür knarrte, do Velho fuhr herum. Aus einer der Kammern trat eine bullige Gestalt auf ihn zu, und do Velho verspürte in seiner Wut nicht übel Lust, die Faust in dieses vierschrötige, so unendlich einfältige Gesicht zu schlagen.
„Ignazio, warum hast du dich nicht gemeldet?“
„Ich – Senor, es kommt alles so überraschend …“
„Was geht hier vor?“
„Ich weiß es nicht, Senor Comandante.“
„Der Seewolf ist da!“
„Was? Patrón, das geht nicht mit rechten Dingen zu.“
„Schweig“, zischte do Velho und schlich mit gezücktem Degen weiter. „Wir greifen in den Kampf ein. Ich habe keinen Zweifel daran, daß die Übermacht unserer Leute diesen englischen Bastarden das Fürchten beibringt. Killigrew wird es noch bereuen, dieses Schiff betreten zu haben.“
„Si, Senor.“ Der Mann aus Porto raffte seinen Hosenbund zusammen, packte nun ebenfalls seinen Säbel und eilte seinem Kapitän nach.
Sie hatten das Achterkastell halb durchquert, da vernahmen sie Laute aus dem Schiffsinneren. Do Velho blieb augenblicklich stehen.
„Still“, raunte er. „Hörst du das nicht, Ignazio?“
„Doch, Senor. Der Feind – er kommt auch von dort.“
„Du meinst, er hat schon das untere Batteriedeck besetzt?“
„Senor, ich sehe sofort nach.“
„Warte, ich komme mit“, sagte der Kommandant.
Gemeinsam schlüpften sie in den Quergang zu ihrer Rechten, folgten seinem Verlauf und benutzten dann den Niedergang, der ein Deck tiefer führte. Stockdunkel war es in dem Batteriedeck, man konnte nicht einmal die Umrisse der festgezurrten 17-Pfünder erkennen. Wohl aber vernahm Lucio do Velho das Rumoren, das Scharren von Schritten und Tuscheln von Stimmen, das nicht weit von ihm entfernt war.
Er zückte seine Pistole. „Halt!“ sagte er. „Wer da?“
„Senor“, antwortete eine Stimme, die ihm bekannt erschien. „Nicht schießen. Wir sind es – die Decksleute aus dem Vorschiff. Ich bin Bixio, der Fockmastgast.“
„Und ich Raoul, der Kombüsengehilfe“, sagte ein anderer Mann.
Noch drei Männer meldeten sich mit ihren Namen.
„Was habt ihr hier herumzuspuken?“ fuhr do Velho sie an. „Wieso kämpft ihr nicht gegen die Ingléses, die uns überfallen haben? Fast hätte ich auf euch geschossen, weil ihr Hunde wie die Galgenstricke durch das Schiff schleicht.“
„Senor, Sie haben selbst verboten, Licht anzuzünden“, erwiderte Bixio, der jetzt näherschritt. „Daran haben wir uns auch gehalten. Wir sind überhaupt froh, aus dem Vordeck entwischt zu sein. Dort wird hart gekämpft, dort sind schon gut zwei Dutzend unserer Leute zusammengeschlagen worden.“
„Was?“ Do Velho atmete schwerer und rang um Fassung. „Berichte mir sofort, was vorgefallen ist.“
Das war schnell geschehen. Bixio und Raoul wußten sehr anschaulich darzustellen, wie die Seewölfe das Vordeck gestürmt hatten. In einem günstigen Augenblick waren sie, der Fockmastgast und der Kombüsengehilfe, mit drei anderen Decksleuten nach achtern entwischt. Da sie sich ganz am Ende des nach oben