Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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sich innerhalb der nächsten Stunden selbständig gemacht.“

      „Narren!“ fuhr der Profos sie an. „Dazu hättet ihr kein Licht gebraucht. Der Comandante hat es strikt untersagt, hier mit Öllampen oder Talglichtern herumzufunzeln oder gar die Hecklaternen zu entfachen.“

      „Verzeihung, Senor, aber wir dachten, die Sicherheit an Deck sei wichtiger“, verteidigte sich der eine Soldat.

      „Schweig“, befahl ihm der Zuchtmeister. „Du kannst noch froh sein, daß der Bootsmann nicht in der Nähe ist. Der hätte den Vorfall nämlich sofort dem Comandante gemeldet.“

      „Es wird nicht wieder geschehen, daß wir die Anweisungen vergessen“, beteuerte der zweite Soldat. „Ganz gewiß nicht.“

      „Das will ich euch auch geraten haben. Und morgen früh knöpfe ich mir die Hunde vor, die für dieses Geschoß zuständig waren, als nach dem Gefecht aufgeklart wurde. So eine verfluchte Schlamperei darf nicht unbestraft bleiben.“

      Damit schritt der Profos in Richtung Vordeck davon. Der Mann im Großmars sah ihn nicht, er vernahm nur noch, wie der Zuchtmeister einen derben Fluch ausstieß.

      Beruhigt lehnte sich der Ausguck wieder zurück. Er hielt sich mittels eines Tampens am Großmast fest, aber immer wieder fielen ihm die Augen zu, und seine Finger drohten von dem Tampen abzurutschen.

      Wenn sich ein Schiff nähert, wenn irgend etwas passiert, dachte er verdrossen, wenn du nicht rechtzeitig darauf aufmerksam wirst, läßt der Comandante dich auspeitschen. Wenn du vom Großmars abstürzt, kann der Comandante dich nicht mehr dafür bestrafen, denn in dem Falle ersäufst du entweder in der See oder du brichst dir auf dem Deck sämtliche Knochen, je nachdem, wie du fällst – was ist dir lieber?

      Ärgerlich versetzte er sich einen Ruck. Er versuchte, an Dinge zu denken, die ihn wach hielten. Zum Beispiel daran, wie es war, wenn sie endlich nach Lissabon zurückkehrten und dort einen Zug durch die Hafenkaschemmen unternahmen, Wein tranken, mit den Huren schäkerten …

      Aber auch das wollte nichts nutzen. Der Kampf gegen den bohrenden Schlaf ging weiter.

      Schätzungsweise eine halbe Stunde später schreckte der Ausguck jäh aus seinem nun schon traumdurchwebten Dahindämmern auf. Er war im Stehen eingenickt, und es war ein Wunder, daß er nicht von seinem luftigen Posten gefallen war. Irgend etwas, ein Instinkt oder etwas anderes, das er sich nicht zu erklären wußte, riß ihn in die Wirklichkeit zurück. War es die Angst, beim Schlafen ertappt zu werden? Das nie ruhende Pflichtbewußtsein, der Disziplingeist?

      Er wußte es nicht.

      Er drehte nur seinen Kopf nach rechts, blinzelte im Regen und fuhr in diesem Augenblick zusammen, weil in den gischtigen Schleiern, in der Tiefe der mondlosen, stockfinsteren Nacht etwas Ungewöhnliches zu sein schien.

      „Madre de Dios“, stammelte der Mann im Großmars im nächsten Moment. „Heilige Mutter Gottes, steh uns bei.“

      Von Steuerbord achteraus näherte sich die Erscheinung. Unaufhaltsam schob sie sich auf die „Candia“ zu, durchbohrte den Regendunst und konkretisierte sich zu einer drohenden Silhouette.

      Ein Koloß war das, eine gewaltige Gespenstererscheinung hart am Schanzkleid des Viermasters. Die Mächte der Finsternis schienen ihre Greuel auf die Welt entlassen zu haben, die Stunde der Abrechnung war gekommen. Lautlos drängte sich das Ungeheuer heran, bis es Kontakt mit der „Candia“ hatte, und jetzt sprangen seine furchterregenden Krallen herüber, hakten sich hinter dem Schanzkleid fest. Gestalten regten sich im Dunkel. Alle Dämonen und Schimären, Teufel und Zerberusse der Hölle schienen sich auf das portugiesische Flaggschiff zu stürzen.

      Der Ausguck stieß einen würgenden Laut aus. Er taumelte, hielt sich an der Segeltuchumrandung fest, keuchte – und erst dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

      Zum Teufel mit allem Aberglauben! Er hatte sich täuschen und lähmen lassen, aber jetzt sah er, daß es menschliche Gestalten waren, die da im Regen von Schiff zu Schiff sprangen. Unten auf der Kuhl der „Candia“ wurden entsetzte Rufe laut, Schritte trappelten, die Soldaten und Seeleute der Wache stürzten zum Steuerbordschanzkleid – aber es war zu spät, viel zu spät!

      „Alarm!“ schrie der Ausguck. „Ein Überfall! Sie entern!“

      „Schlagt sie zurück!“ brüllte in diesem Augenblick auch der Profos, der von einem Soldaten geweckt worden war und aus dem Vordecksschott hervorstürmte. „Schießt sie nieder! Alle Mann an Deck! Al diablo, laßt euch nicht überrumpeln, wehrt euch eurer Haut!“

      Immer mehr Enterhaken flogen. Das große fremde Schiff lag Bordwand an Bordwand mit der „Candia“, als sei es mit ihr verwachsen. Behende jumpten die Angreifer auf die Kuhl des portugiesischen Viermasters und drangen mit Säbeln, Degen, Entermessern, ja, sogar mit Handspaken auf ihre Widersacher ein.

      „Arwenack!“ schrien diese Kerle.

      Ein Schwarzhaariger, ein Riese von einem Mann, befand sich an der Spitze des kleinen Trupps, der sich unheimlich schnell über Deck bewegte und kämpfend zum Achterkastell der „Candia“ strebte.

      Die Portugiesen erkannten ihn wieder.

      „El Lobo del Mar“, stieß der Profos do Velhos entgeistert aus. „Das kann doch nicht wahr sein.“

      Dann hastete er mit erhobenem Säbel auf den Todfeind zu und trachtete, ihn zu stoppen.

      8.

      Hätten die beiden Soldaten der Deckswache nicht die Lampe angezündet, um die Brook des einen Geschützes fester zu zurren, hätte der Seewolf wahrscheinlich noch sehr viel mehr Zeit benötigt, um sich an die „Candia“ heranzupirschen. So aber hatte der Feind ihm durch eine winzige Unachtsamkeit seine Position verraten.

      Als Stoßtrupp hatte Hasard seine besten Männer ausgewählt: Ben Brighton, Ferris Tucker, Big Old Shane, Smoky, Dan O’Flynn, Carberry und Batuti. Old O’Flynn übernahm während des Entermanövers das Kommando über die „Isabella“. Der Rest der Crew hielt sich als Nachhut bereit. Die Zwillinge hatten sich selbstverständlich wieder ins Mannschaftslogis zurückziehen müssen.

      Dies war Hasards einfache, aber bewährte Strategie: Nicht alle Männer wollte er von Anfang an in den Kampf gegen die Portugiesen werfen, mehr als die Hälfte der Crew verweilte sprungbereit hinter dem Backbordschanzkleid der „Isabella“ und wartete die Entwicklung der Dinge ab.

      Mit seinen sieben Männern fühlte sich Hasard beweglicher als mit der kompletten Mannschaft, außerdem setzte er nicht ihrer aller Leben aufs Spiel.

      Die Männer der „Candia“ waren gründlich überrumpelt worden. Wie Hasard durch einen raschen Blick rundum feststellte, schien die Deckswache aus zehn, höchstens zwölf Männern zu bestehen. Die übrigen Besatzungsmitglieder kamen auf die Alarmrufe hin nicht flink genug auf die Beine, sie mußten erst ihren Schlaf abschütteln und aus den Kojen kriechen, zu den Waffen greifen und den Weg vom Logis im Vordeck bis aufs Hauptdeck zurücklegen.

      Hasards „Aktionskommando“ hatte den Weg zum Achterkastell des Viermasters fast frei. Kein einziger Schuß war bisher gefallen, alles lief verhältnismäßig geräuschlos ab, wenn man von den Rufen absah, die die Portugiesen ausstießen.

      Ben Brighton hatte einem Soldaten die Muskete aus den Händen geschlagen. Statt ihn anschließend mit dem Schiffshauer zu durchbohren, hatte er ihm den Knauf des Waffengriffs kurzerhand über die Stirn gezogen, und der Mann war bewußtlos zusammengebrochen. Gegen Hiebe wie diese schützte eben auch ein iberischer Eisenhelm nicht.

      Ferris, Shane und Smoky hatten bei diesem Überraschungsangriff gleichfalls Seeleute und Soldaten der „Candia“ durch gezielte Schläge gefällt, bevor diese ihre Schußwaffen einsetzen konnten – und ähnlich waren der junge O’Flynn, der Profos und Batuti verfahren.

      Hasard hatte ihnen eingeschärft, daß er kein Massaker anrichten wollte. Natürlich durften die Seewölfe andererseits auch nicht zu zaghaft mit den Portugiesen umspringen, aber das taten sie auch


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