Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


Скачать книгу
sagte der Seewolf. „Ich will jetzt der Crew auseinandersetzen, was ich vorhabe. Wir müssen alle Einzelheiten durchsprechen und jedes Detail festlegen.“

      Old O’Flynn sah den davonschreitenden Männern nach.

      „Wahnsinn“, murmelte er. „Der Feind wird uns zerfetzen und samt unseren Schätzen zu den Haifischen schicken. Ein Unstern steht über der ‚Isabella‘, das Schiff ist verflucht, es wird alles schiefgehen, alles.“ Plötzlich kicherte er jedoch und rieb sich die Hände. „Aber, beim Satan, mir juckt’s auch in den Fingern, wenn ich daran denke, daß wir dem Hundesohn do Velho endlich mal kräftig die Jacke vollhauen.“

      Der Kutscher lächelte, als Hasard ihn auf der Kuhl ansprach.

      „Keine Sorge, Sir“, sagte er. „Die Moral der Kerle ist hervorragend. Matt Davies hat beim Kampf in der Bucht eine halbe Planke gegen den Kopf gekriegt, aber er hat einen harten Schädel, und ich habe ihn nicht mal zu verbinden brauchen. Stenmark hat sich einen Kratzer am rechten Bein weggeholt, aber es ist eine reine Fleischwunde. Ich habe sie gereinigt und verbunden und dem Schweden einen Schluck Whisky genehmigt. Hoffentlich war das nicht zu eigenmächtig von mir …“

      „Im Gegenteil.“ Hasard lächelte. „Hol sofort ein paar Flaschen aus der Kombüse herauf. Ich spendiere eine Sonderration. Ich glaube, die haben wir alle verdient.“

      „Aye, Sir. Die Fässer mit dem portugiesischen Wein zapfen wir aber noch nicht an, oder?“

      „Nein. Wir lassen den Wein lieber noch ein bißchen lagern, das tut ihm gut.“

      „Und der Schlaftrunk in den drei gekennzeichneten Korbflaschen wird kräftiger“, sagte Blacky, der mitgehört hatte. „Damit können wir, wenn wir am Ziel sind, halb Cornwall ins Reich der Träume schicken – oder eine Hundertschaft Profose auf die Planken legen.“

      „Kerl!“ schnaubte Carberry, der jetzt ebenfalls anrückte. „Noch so ein Spruch, und die Vorpiek ist dir sicher, das schwöre ich dir.“

      Natürlich wußte Blacky, daß Ed seine Drohung nicht ausführte, aber er schwieg vorsichtshalber doch lieber. Immerhin war Carberry eine Respektsperson an Bord, und keiner wagte es, den Bogen zu überspannen oder es zu weit zu treiben, wenn mal gewitzelt wurde. Es war ein ungeschriebenes Gesetz auf der „Isabella“, daß die Autorität des Profos’ nicht untergraben werden durfte, und alle hielten sich daran.

      Nachdem Whisky und Rum ausgeteilt worden waren, unterhielt sich der Seewolf lange mit seinen Männern.

      Erst gegen Mittag suchte er das Vorschiff auf, um seine Söhne endlich von ihrer „Gefangenschaft“ zu befreien. Da erwiesenermaßen keine Gefahr bestand, daß im Laufe des Tages ein weiteres Gefecht mit dem Gegner stattfand – die „Candia“ segelte immer noch weit entfernt hinter der „Isabella“ –, konnten Philip und Hasard getrost das Oberdeck betreten.

      Hasard stieg bis ins Mannschaftslogis und verhielt seinen Schritt in der Tür zu dem Raum. Ein Idyll ganz besonderer Art bot sich ihm dar. Er lächelte, schwieg und beobachtete nur. Noch hatte man ihn nicht bemerkt.

      Philip und Hasard hockten nämlich auf dem Rand einer Koje und hatten sich dabei so gedreht, daß sie ihm den Rücken zuwandten. Rechts neben Hasard kauerte eine Gestalt, die man im Halbdunkel des Logis zunächst gut und gern für einen dritten Jungen halten konnte. Sie widmete sich irgend etwas Eßbarem mit größter Hingabe und gab durch lautes Schmatzen zu verstehen, daß es schmeckte.

      Die Zwillinge futterten auch intensiv, taten dies aber geräuschlos – soviel gute Erziehung hatten sie immerhin.

      Hasard trat langsam und ohne einen Laut zu verursachen hinter die drei und blickte ihnen über die Schultern. Philip hielt einen Beutel mit Rosinen. Er teilte von dem Inhalt aus, und Rosine um Rosine wanderte an Hasard und schließlich an den Dritten im Bunde weiter, der bereitwillig seine linke Pfote aufhielt, während er sich mit der rechten die süßen Leckerbissen zwischen die Zähne schob.

      „Arwenack“, sagte Hasard.

      Der Affe fuhr herum. Aus großen Augen sah er den Kapitän der „Isabella“ an, seine Stirn furchte sich, und seine wulstigen Lippen verzogen sich zu einem verlegenen „O“. Fast hätte er die Rosinen aus der Pfote verloren, aber Philip und Hasard schauten nun ebenfalls auf und ergriffen sofort die Verteidigung des haarigen Gesellen.

      „Pa“, sagte Philip.

      „Dad“, formulierte Hasard.

      Sie hatten nun schon einigen Sprachunterricht erhalten und waren in der Lage, sich ganz gut mit ihrem Vater und der Besatzung zu unterhalten. Als der Seewolf sie in Tanger wiedergefunden und zu sich aufs Schiff geholt hatte, hatten sie nur türkisch und persisch gekonnt. Demzufolge hatten sich die Männer nur durch Zeichen mit ihnen zu verständigen vermocht. Immer, wenn er Zeit dazu gehabt hatte, hatte Hasard ihnen die Grundzüge der englischen Sprache beigebracht, und die Zwillinge hatten sich nach anfänglichem Bocken auch als gelehrige Schüler gezeigt.

      Philip hob den Rosinenbeutel an. „Vom Kutscher, Pa. Ein Geschenk.“

      „Ist das wirklich wahr?“

      „Aye, aye, Sir.“

      Der Seewolf musterte die drei drohend. „Ihr habt die Rosinen nicht aus der Kombüse geklaut?“

      Hasard junior legte sich die rechte Hand aufs Herz. „Ehrenwort nicht, Dad. Frag den Kutscher.“

      Der Seewolf mußte lachen. „Nein, es genügt mir, wenn ihr mir euer Ehrenwort gebt. Ich habe euch ja erklärt, daß kein richtiger Mann etwas feierlich schwören darf, das nicht der Wahrheit entspricht. Versteht ihr?“

      Sie nickten ernst. Arwenack nickte vorsichtshalber gleich mit, man konnte ja nie wissen.

      „Und ihr wollt doch richtige Männer werden, oder?“ fragte der Seewolf.

      Wieder bejahten die beiden Siebenjährigen. Dann standen sie von der Koje auf und zeigten klar, wie sie es von der Crew der „Isabella“ gesehen hatten.

      Hasard stellte sich in ihre Mitte, legte ihnen die Hände auf die Schultern und sagte: „In Ordnung, dann laßt uns jetzt an Oberdeck gehen. Die Sonne scheint, es ist herrlich warm, und der Kutscher ist dabei, ein vorzügliches Mittagessen zu bereiten, wenn ich mich nicht irre.“

      Sie verließen das Logis. Arwenack sah ihnen nach und stieß einen Seufzer aus. Dann glätteten sich seine Züge, er begriff, daß er diesmal keinerlei Grund hatte, ein schlechtes Gewissen zu haben. Er rutschte von der Koje und trottete den „drei Männern“ nach.

      Später, am Nachmittag, stand der Seewolf mit seinen Söhnen ganz achtern an der Heckreling seines Schiffes und zeigte ihnen, wie man mit dem Spektiv umging. Immer wieder spähten sie zu der mit prallen Segeln hoch am Wind segelnden „Candia“ hinüber.

      „Was für ein Schiff sein das?“ fragte der kleine Hasard schließlich.

      „Ist das“, berichtigte der Seewolf.

      „Ein Pirat“, vermutete Philip junior und wurde dabei ganz aufgeregt.

      Sein Vater schüttelte den Kopf. „Ein Portugiese. Ein Mann des Königs von Spanien, versteht ihr?“

      Wieder nickten sie und taten so, als wüßten sie über alles bestens Bescheid. Der Seewolf nannte ihnen den Namen des stolzen Viermasters, teilte ihnen auch mit, wie der Kommandant hieß.

      „Ein guter Mann?“ wollte Hasard wissen.

      „Nein“, antwortete sein Vater. „Er ist unser Feind. Unser Todfeind.

      „Was will er?“

      „Mich. Er will mich gefangennehmen oder töten.“

      „Nein“, hauchte Philip entsetzt. Dann schüttelte er seine kleine Faust gegen die „Candia“ und zischte außer sich vor Wut: „Verdammter portugiesischer Bastard, streich Flagge!“

      „Holla“, sagte Ben Brighton, der sich ihnen genähert hatte. „Da hört man aber Carberrys Schule


Скачать книгу