Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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      Durch diese selbstgesetzte Norm hatten sich Hasard und seine Crew immer von anderen Schiffsmannschaften unterschieden. Sie waren menschlicher als alle anderen Abenteurer und Schnapphähne, die über die Weltmeere segelten und verabscheuten im Grunde ihres Herzens Grausamkeiten. Genau dies machte nach Hasards Überzeugung den feinen Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Piraten und einem Korsaren aus.

      Hasard dachte, das Achterkastell stürmen zu können, aber plötzlich schob sich eine breite Gestalt in sein Blickfeld.

      „Lobo del Mar!“ brüllte der Portugiese. „Nieder mit dir! Ich töte dich wie einen räudigen Hund!“

      Seiner Kleidung nach war der Mann leicht als der Zuchtmeister der „Candia“ zu identifizieren. Sein Gesicht war zu einer haßerfüllten Grimasse verzerrt, seinen Säbel hielt er hoch erhoben, um ihn auf den Todfeind Spanien-Portugals niedersausen zu lassen.

      Eine fromme Rede hatte der Profos der „Candia“ da von sich gegeben, und er gedachte seine Drohung auch in die Tat umzusetzen. Hasard riß jedoch geistesgegenwärtig den langen Cutlass hoch, den er aus seiner Kammer mitgenommen hatte, parierte und ließ den gegnerischen Säbel von seiner Klinge abprallen.

      „Freund!“ stieß der Seewolf aus. „Mein eigener Profos hat ein Narbengesicht, aber er ist hundertmal schöner als du.“

      Auf spanisch hatte er es gesagt, der Portugiese verstand ihn und wurde durch den Ausspruch noch mehr in Rage versetzt. Durch einen wilden Ausfall trachtete er, Hasards Verteidigung niederzusensen. Aber wieder war der Seewolf auf der Hut, wieder hatte der Zuchtmeister keinen Erfolg, sondern mußte sich vor der Klinge des Gegners in Sicherheit bringen, die ihm nun bedrohlich um die Ohren pfiff. Der Kampf auf dem achteren Teil der Kuhl tobte hin und her.

      Ben, Smoky, Dan, Ed und Batuti hatten noch genug mit den übrigen Gegnern auf dem Hauptdeck zu tun, sie konnten ihren Kapitän nicht unterstützen.

      Big Old Shane und Ferris Tucker hatten sich mittlerweile bis zum Vordeck vorgearbeitet und bauten sich nun zu beiden Seiten des Schotts auf – so, wie der Seewolf es noch an Bord der „Isabella“ mit ihnen durchgesprochen hatte.

      Vorsorglich hatten die beiden Männer sich auch mit ein paar Belegnägeln versorgt, die sie sich in die Gurte geschoben hatten. Aber als Hauptwaffen hielten sie solide Handspaken in den Fäusten – Hölzer aus guter englischer Eiche.

      Dank des Überraschungsmomentes, das der Seewolf auf seiner Seite hatte und gründlich hatte ausnutzen können, war alles sehr, sehr schnell gegangen. Selten war ein derart großes Schiff von so wenigen Männern in so kurzer Zeit geentert worden. Von der richtigen Strategie und Taktik hing es jedoch ab, ob die Seewölfe auch im folgenden einen Erfolg für sich verbuchen konnten.

      Alles hing davon ab, ob sie verhindern konnten, daß die gesamte Mannschaft an Oberdeck erschien. Hasards Crew zählte zweiundzwanzig Köpfe – aber die Besatzung der „Candia“ war gut vier Dutzend Mann stark.

      Das Schott war nach dem Erscheinen des Profos’ auf der Kuhl wieder zugeklappt. Jetzt öffnete es sich erneut, und der erste Mann des portugiesischen Nachschubs tauchte fluchend auf.

      Ferris nickte Shane zu. Der ehemalige Schmied und Waffenmeister von Arwenack-Castle tickte den Portugiesen mit der Handspake an, es gab einen dumpfen, beinah hohlen Laut, und der Mensch fiel nach zwei stolpernden Schritten der Länge nach auf die Planken und stand nicht wieder auf.

      Shane grinste, Ferris hieb nun ebenfalls mit der Spake zu, der nächste Gegner sank aufs Deck. Danach war wieder Shane an der Reihe. Der dritte Gegner riß die Arme hoch, nachdem er seinen Hieb eingesteckt hatte, torkelte noch ein Stück voran und strauchelte über die zwei bereits liegenden Gestalten.

      Die Dons hörten nicht auf, aus dem Vordecksschott hervorzustürmen. Big Old Shane und der Schiffszimmermann hatten redlich zu tun, sie schlugen in fast rhythmischen Abständen zu.

      Mehr als zehn Feinde setzten sie auf diese Weise außer Gefecht, aber dann schienen die übrigen Männer unten im Vordeck begriffen zu haben – sie zögerten.

      Nur noch einer schob sich vorsichtig auf die Schottöffnung zu. Er hatte eine Blunderbüchse im Anschlag, mit der man im Nahkampf ganz Verheerendes anrichten konnte.

      Shane stand mit dem Rücken gegen die Vordeckswand gelehnt. Wieder nickte er Ferris zu. Im richtigen Augenblick packte Ferris den Riegel des Schotts und versetzte es so heftig in Schwung, daß es zuknallte und den Gegner frontal erwischte.

      Der gurgelte, und man konnte hören, wie seine Waffe auf die Stufen des Niedergangs polterte. Der Widerstand, der den gespannten Hahn festhielt, war nicht groß genug für so einen Aufprall – die Blunderbüchse ging los.

      Das donnerte mächtig im Vordeck, und gleichzeitig brüllten die Portugiesen los.

      Shane und Ferris grinsten nicht mehr. Sie blickten kurz zur Kuhl und sahen Ben und Smoky, die sich inzwischen den Weg freigekämpft hatten, als Verstärkung anrücken. Ferris riß das Schott einfach wieder auf. Noch war es Zeit, in das Vorschiff der „Candia“ einzudringen. Die Blunderbüchse war lediglich auf eine freie Innenwand losgegangen und hatte mit ihrer Ladung, gehacktem Blei, ein hübsch anzusehendes Siebmuster hineingestanzt. Das Entsetzen hatte die Portugiesen schreien lassen, doch ehe sie jetzt dazu kamen, gegen die beiden Handspaken-Schwinger vorzugehen und auf sie zu feuern, kippte ihnen die Gestalt des Blunderbüchsen-Mannes von den Stufen des Niederganges entgegen. Ein, zwei Kameraden raffte der Besinnungslose von den Stufen, dann stolperten auch noch ein paar andere, die vom Fuß des Niederganges aus nachrücken wollten.

      Ben Brighton und der Decksälteste der „Isabella“ stürmten ohne zu zögern in das offene Schott. Wie es da unten im Vordeck aussah, wußten sie nicht, sie konnten es nicht einmal ahnen, sie riskierten Kopf und Kragen, denn ein geistesgegenwärtiger Don konnte sie in diesem Augenblick niederschießen.

      Tollkühn hechtete Ben Brighton von den oberen Stufen des Niederganges in die wabernde Masse von Leibern, die sich unter ihm im Dunkeln ineinander verkeilt hatte. Smoky folgte ihm, und dann erschienen auch Shane und Ferris. Die Portugiesen waren noch viel zu verblüfft und verwirrt, um den Angriff mit Säbeln und Messern abwehren oder auch nur eine Pistole oder eine Muskete auf die vier abfeuern zu können. Überdies bestand die große Gefahr, daß die Männer der „Candia“ sich untereinander verletzten. Dieser Umstand behinderte sie erheblich.

      Hasard focht immer noch mit dem portugiesischen Profos. Dan, Ed und Batuti hatten mit zwei Dons zu schaffen, die unversehens vom Achterdeck aufgetaucht waren.

      Es waren ein Soldat und ein Decksmann – wohl der Rudergänger. Der Soldat hob seine Muskete und legte über die Querbalustrade hinweg auf Dan O’Flynn an.

      Batuti hatte seine Schnapphahnschloß-Pistole gezückt. Er glitt ein paar Stufen des Backbordniederganges zum Achterdeck hinauf, blieb stehen, legte auf den Soldaten an und drückte ab.

      Die Kugel schlug dem Mann in die rechte Schulter. Mit einem Aufschrei sank er hintenüber. Abdrücken konnte er noch, aber die Ladung der Muskete stob krachend in den Nachthimmel. Der Soldat ließ die Waffe los, wälzte sich fluchend auf dem nassen Deck und blieb schließlich reglos liegen.

      Carberry hatte unterdessen den Steuerbordniedergang des Achterdecks erklommen. Der Rudergänger der „Candia“ erblickte ihn und fuhr mit der Pistole in der Hand zu ihm herum.

      „Wirf das Schießeisen weg“, befahl der Profos in seinem schauderhaften spanischen Kauderwelsch. „Du hast keine Chance mehr.“

      Das wollte der Rudergänger nicht einsehen. Er stieß einen Fluch aus, duckte sich, stieß die Pistole vor und krümmte den Finger um den Abzug.

      Carberry ließ sich fallen. Leider hatte er noch den schweren Schiffshauer in der Faust, mit dem er sich auf der Kuhl Platz verschafft hatte. Ehe er diesen auf den Portugiesen schleudern oder seine Pistole zücken konnte, hatte der Mann bereits durchgezogen.

      Sehr unsanft landete der Profos auf den Planken. Er rutschte ein Stück, preßte ein saftiges „Himmel, Arsch und Zwirn“ hervor und drehte sich vom Bauch auf den Rücken. Er wunderte sich darüber, daß der Schuß


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