Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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volle Breitseite!“ rief Philip.

      Er sprang hinter eine der Drehbassen und traf Anstalten, das Rohr des Hinterladers auf die „Candia“ zu richten. Nur ließ sich das Geschütz zu schwer in seiner Gabellafette bewegen, Philip mangelte es an der nötigen Kraft. Das konnte ihn aber nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er winkte Hasard zu, und sein Bruder eilte ihm zu Hilfe. Gemeinsam stemmten sie sich gegen das Rohr der Basse und drückten es allmählich so herum, daß die Mündung tatsächlich auf den Bug der „Candia“ ausgerichtet war.

      „Donnerwetter!“ rief Ben Brighton überrascht aus. „Da frag’ ich mich, wo haben die Burschen das überhaupt gelernt?“

      „Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm, ich sag’s ja“, erklärte Old Donegal Daniel O’Flynn, der ebenfalls hinzugetreten war. „Unser Kapitän hat mit sieben Jahren ja auch schon ganz hübsche Töne gespuckt.“

      „Bumm!“ rief Philip.

      „Don kaputt!“ schrie Hasard.

      Der Seewolf schritt zu ihnen und zeigte ihnen, wie sich der Hinterlader öffnen ließ und wo der Zündkanal saß. Wie man so eine Drehbasse lud, führte er ihnen allerdings nicht vor, es war ihm doch zu riskant. Kinder waren in gewisser Weise unberechenbar. Trotz aller Ermahnungen waren sie imstande und feuerten wirklich auf den „verdammten Don“, wenn ihnen gerade keiner zusah – und das konnte, wenn sich die Dunkelheit über die See senkte, Hasards ganzen Plan scheitern lassen.

      Trotzdem, der typische Vaterstolz war seinen Zügen abzulesen. Die Zwillinge hatten ihn nun endgültig akzeptiert, sie verteidigten ihn, sie fühlten mit ihm. Und sie zeigten ein geradezu erstaunliches Interesse und Geschick, was die seemännischen Belange betraf.

      Old O’Flynn fuhr sich mit der Hand über den Mund. Die Zwillinge hatten ihm gelegentlich Streiche gespielt, einmal sogar das Holzbein entwendet, aber er hatte trotzdem einen Narren an den „verdammten Teufelsbraten“ gefressen.

      „Ho“, sagte er. „Noch ein paar Wochen, und die beiden geben die besten Schiffsjungen ab.“

      „Vergiß nicht, daß sie erst sieben Jahre alt sind“, mischte sich nun auch Big Old Shane ein.

      „Ach was, das spielt doch überhaupt keine Rolle“, meinte der Alte leichthin.

      Hasard wandte sich zu ihm um. „Donegal, wie du dir die Zukunft der Zwillinge vorstellst, geht es nun wirklich nicht. Wir dürfen sie nicht dazu erziehen, Korsaren zu werden, wir dürfen sie bei aller Liebe nicht dazu zwingen, an Bord der ‚Isabella‘ zu bleiben. Dieses Recht haben wir nicht. Vielmehr ist es unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß sie in England eine Schule besuchen können. Hast du daran nie gedacht?“

      Old O’Flynn schnitt eine säuerliche Grimasse. „Schule? Pfui Teufel. Was sind denn das für Sprüche? So kennt man dich ja gar nicht.“

      „Hasard hat recht“, sagte Ben Brighton. „Es wäre sehr selbstsüchtig von uns, wenn wir Philip und Hasard daran hindern würden, sich ihre Zukunft selbst zu bauen. Außerdem sind die Gefahren an Bord der ‚Isabella‘ viel zu groß für sie. Was ist, wenn sie auch nur verletzt werden?“

      „Ich mag gar nicht daran denken“, erwiderte Shane. „Je eher wir die beiden der Obhut einer Vertrauensperson übergeben, desto besser.“

      „Finde ich auch“, pflichtete Ferris Tucker, der soeben auf dem Achterdeck erschien, ihnen bei.

      „Die Gentlemen sind sich mal wieder einig“, giftete Old O’Flynn. „Wie üblich. Auf mich will keiner hören, aber ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Zur Hölle mit der Schule und der Stubenhockerei, zu meinen Zeiten war eben doch alles anders.“ Er stiefelte von dannen und stieg aufs Quarterdeck hinunter, um Pete Ballie im Ruderhaus zu besuchen und ihm etwas über Meeresdämonen und den Fluch der Finsternis zu erzählen.

      Hasard richtete seinen Blick nach Nordwesten. Der Wind, der vom Atlantik auf Portugals Küste zustrich, brachte jetzt Wolken mit. Stück für Stück wurde der tiefblaue Nachmittagshimmel von den grauen Riesen zugedeckt.

      „Gut so“, sagte Hasard. „Die Wolken kommen wie gerufen.“

      „Ja, bislang läuft alles wie am Schnürchen“, meinte Ben Brighton.

      Shane grinste unter seinem grauen Bartgestrüpp. „Ich glaube nicht, daß wir Sturm kriegen, es sei denn, der Wind frischt plötzlich auf. Das müßte aber schon mit dem Teufel zugehen. Nein, das da, das sind keine Sturmwolken.“

      „Noch bleibt die See ruhig“, sagte der Seewolf. „Hoffen wir, daß sich das innerhalb der nächsten drei, vier Stunden nicht ändert. In dieser Zeit werden wir die ‚Candia‘ angreifen. Was danach geschieht, kann uns zwar nicht völlig egal sein, aber es beeinträchtigt unser Unternehmen nicht mehr.“

      „Vorausgesetzt, wir haben Erfolg“, erwiderte Ferris Tucker. „Nun, wir können auch baden gehen, aber daran denken wir wohl lieber nicht.“

      „Ferris, bist du Pessimist?“ erkundigte sich Hasard.

      „Ganz und gar nicht, Sir.“

      „Dann solltest du auch nicht unken. Das überlassen wir Old Donegal, der kann’s besser.“

      „Aye, Sir. Ich habe wirklich keinen Grund zur Schwarzmalerei, denn wir haben die ‚Isabella‘ wieder so weit hergerichtet, daß man nicht mehr sieht, was mit ihrer Backbordseite los gewesen ist. Kurzum, sie ist wieder piekfein in Schuß.“

      „Großartig, Ferris. Übrigens, ich brauche noch Männer für die ‚erste Linie‘ unseres Aktionstrupps. Ed hat sich bereits freiwillig gemeldet.“

      „Da steh ich nicht zurück“, sagte der rothaarige Schiffszimmermann.

      „Ich auch nicht“, ließ sich Shane vernehmen.

      „Ich bin mit von der Partie“, sagte Ben Brighton.

      Shane blickte zu den Wolkengebilden auf, die sich jetzt allmählich vor die Sonne schoben. „Eins steht fest, wir kriegen bald Regen, und das ist keineswegs schlecht für uns.“

      „Je finsterer die Nacht und je schlechter die Sicht, desto besser“, entgegnete der Seewolf. „Lucio do Velho kann nur ahnen, wohin wir segeln, aber wir wissen mit ziemlicher Sicherheit, daß er den Südwest-Kurs hält, weil wir schon den ganzen Tag über diese Richtung halten.“ Er zog eine Karte aus dem Wams und rollte sie aus.

      Ben Brighton rückte näher und hielt sie mit fest. Hasard deutete auf der Karte, die einen Teil Portugals und dessen Küstenregion zeigte, den Kurs der „Isabella“ und ihres Verfolgers an. Dann beschrieb er noch einmal das Manöver, das er plante.

      „Wir luven nach Dunkelwerden an und gehen über Stag. Hart am Wind segeln wir dann eine Weile nach Ostnordost. Ich habe die Entfernung zwischen uns und der ‚Candia‘ berechnet und eine kleine Kalkulation aufgestellt. Ich weiß, wie lange wir auf Gegenkurs zur ‚Candia‘ fahren müssen, aber natürlich gibt es einige Unsicherheitsfaktoren, die wir nicht unbeachtet lassen dürfen. Nur ungefähr kann ich darum den Zeitpunkt bestimmen, zu dem wir mit unserer Lady wieder abfallen und in Luv auf die ‚Candia‘ zuhalten. Ich werde diesen Moment etwas länger hinausschieben, so daß wir uns wahrscheinlich Steuerbord achteraus von unserem geschätzten Freund placieren werden. Ich traue mir aber zu, ihn wieder einzuholen. Schlimmer wäre es, wenn wir ihm im Anschluß an die Halse voraus lägen.“

      „Mann“, entfuhr es Ferris. „Sir, das ist so ziemlich das Tollkühnste, was wir seit langer Zeit in Angriff nehmen.“

      „Na, nun übertreibe mal nicht. Hast du Cádiz vergessen?“

      „Ach, das war doch nur Routinearbeit.“

      „Angeber“, sagte Big Old Shane. „Sag uns lieber, wieweit Al mit dem Nachschub an Höllenflaschen ist.“

      „Er hat schon über ein Dutzend gefüllt und zugekorkt. Es werden aber noch mehr.“

      „Sehr gut“, sagte Hasard. „Mit Material dürfen wir nicht geizen.


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