Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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den man ihm zweifellos verleihen würde, wenn es ihm gelang, Marius van Helder gefangenzunehmen. Die verdammten Geusen, diese Bastarde, die die Bezeichnung „Bettler“ wie einen Ehrennamen trugen, planten etwas. Und vor allem stellten die Wassergeusen immer noch einen Machtfaktor dar, der sich Allessandro Farneses ehrgeizigen Eroberungsplänen in den Weg stellte. Marius van Helder gehörte zu den führenden Köpfen der niederländischen Rebellen und Ketzer. Er wußte über alles Bescheid. In den Folterkammern der Festung von Bilbao würde er über kurz oder lang sein Wissen preisgeben, das stand für Juan Mendez so fest wie der Felsen von Gibraltar.

      Nur, daß das Schiff dort voraus eben nicht die „Oranje“ war, sondern irgendein verdammter Dreimaster.

      Mendez fuhr sich ungeschickt mit der Hand durchs Gesicht und biß auf das gezwirbelte Ende seines Schnurrbarts, als er erneut die Zähne zusammenpreßte. Er fluchte – lästerlich und sehr leise. Letzteres, weil sich Fluchen für einen Capitan Seiner Allerkatholischsten Majestät natürlich nicht gehörte.

      Zehn Minuten später vergaß er das Fluchen und grinste breit.

      Da nämlich meldete der Ausguck im Großmars eine Beobachtung, die schlagartig die gute Laune wiederherstellte.

      Das Schiff, das sie genau voraus gesichtet hatten, war die „Oranje“. Ihr Besanmast fehlte. Er bestand nur noch aus einem zersplitterten Stumpf – ein Mißgeschick, das ihr vermutlich bei dem knüppelharten Sturm zugestoßen war.

      Marius van Helder mußte nicht nur gegen eine erdrückende Übermacht kämpfen, er mußte auch noch mit einem Schiff ins Gefecht gehen, das keine Höhe mehr laufen konnte.

      Capitan Mendez lächelte.

      Es war ein Lächeln von so bösem Triumph, daß selbst sein dickfelliger Steuermann unbehaglich die Schultern rollte.

      Im Beiboot der „Isabella“ reagierten die Rudergasten schneller, als Hasard ein Kommando hätte geben können.

      Die Backbordriemen flogen hoch. Die Steuerbordriemen wurden einmal mit voller Kraft durchgezogen – und die Jolle drehte mit fast elegantem Schwung aus der Gefahrenzone.

      Kugeln klatschten wirkungslos ins Wasser.

      „Pullt, ihr Affenärsche!“ zischte Edwin Carberry durch die Zähne. „Pullt, oder der Teufel holt euch lotweise, ihr lahmen Rübenschweine, ihr vom Klabautermann mit einer triefäugigen Gewitterziege gezeugten Salzheringe, ihr von einem räudigen Esel im Linksgalopp …“

      „Na, na, na“, sagte Hasard, während das Boot in die Deckung einer Klippe glitt.

      Der Profos kriegte rote Ohren, als ihm bewußt wurde, daß er seinen mitpullenden Kapitän soeben als Affenarsch, Rübenschwein und Nachkommen eines wenig ehrenwerten Großelternpaars bezeichnet hatte. Hasard grinste flüchtig, aber er wurde sofort wieder ernst.

      Die Schüsse waren verstummt.

      Zwischen den Klippen herrschte jetzt verstohlene Bewegung. Wenn die Männer dort drüben geschickt ihre Position wechselten, konnten sie die Jolle leicht in Fetzen schießen, also wurde es Zeit, das Mißverständnis aufzuklären.

      Hasard richtete sich auf und legte die Hände als Schalltrichter an den Mund.

      „Kapitän Meerens!“ rief er. „Lassen Sie das Feuer einstellen! Wir sind Freunde!“

      Stille.

      Zwei, drei Sekunden lang – dann erläuterte eine Stimme, die rauh vor Verbitterung und Wut klang.

      „Den Teufel werden wir! Kapitän Meerens ist tot, und die Geusen haben hier keine Freunde.“

      „Ich bin Philip Hasard Killigrew …“

      „Und ich bin Friso Eyck, du heuchlerischer Bastard! Ich habe schon mehr Spanier gefressen, als du Haare auf dem Kopf hast! Ich habe gegen den blutigen Alba und gegen Requesens gekämpft, ich war dabei, als wir euch bei Leyden zu Paaren trieben und …“

      „Mann, redet der kariert“, murmelte Stenmark.

      „Wir sind Engländer!“ rief Hasard. „Wir haben heute mittag drei spanische Galeonen versenkt und in Cadiz ein paar Galeeren zerschossen, aber bestimmt nicht Leyden belagert.“ Ein amüsiertes Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Außerdem soll ich euch einen Gruß von Jan Joerdans ausrichten. Er erwartet euch und Marius van Helder auf einer Insel südwestlich von hier.“

      Diesmal dauerte das Schweigen länger.

      Stimmen flüsterten durcheinander. Dann meldete sich wieder der Mann mit dem Namen Friso Eyck.

      „Wenn du wirklich Engländer bist, dann komm an Land! Allein und ohne Waffen!“

      Carberry schnaufte. „Der hat wohl Kakerlaken im Hirn, der …“

      „Einverstanden!“ rief Hasard. „Ich komme!“

      Carberry öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu, als er einen Blick aus den eisblauen Augen des Seewolfs auffing. Statt zu protestieren, dirigierte der Profos das Boot etwas näher an die Landzunge, und Hasard konnte trockenen Fußes auf die Klippen hinüberspringen.

      Er warf Carberry den Radschloß-Drehling und die sächsische Reiterpistole zu, ließ aber den Degen in der Scheide. Mit wenigen Schritten erreichte er einen scharfen Gesteinsgrat, glitt auf der anderen Seite die Schräge hinunter und turnte noch ein paar Schritte über Geröll und Schiffstrümmer, um zu zeigen, daß er tatsächlich allein war.

      „Hier herüber!“ forderte eine Stimme hinter einem hochragenden Felsblock.

      Hasard ging achselzuckend weiter. Er umrundete die Klippe, blieb am Rand einer flachen Steinplatte stehen, und dort erwartete ihn ein halbes Dutzend Männer mit schußbereiten Musketen und Arkebusen.

      Zwei trugen blutige Kopfverbände, einer hatte offenbar den Arm gebrochen. Voll kampffähig waren nur noch drei – und deren Gesichter verrieten die verzweifelte Entschlossenheit, sich notfalls bis zum letzten Blutstropfen zu wehren.

      Sie starrten auf den großen, schwarzhaarigen Mann mit den eisblauen Augen und der Narbe im braungebrannten, verwegenen Gesicht.

      „Friso!“ zischte einer der Verletzten.

      Der breitschultrige, flachshaarige Bursche, den der Seewolf für den Anführer hielt, wandte sich halb um. Der Mann mit dem Kopfverband redete rasch und erregt auf holländisch. Vorhin, wurde Hasard bewußt, hatten die Geusen auf englisch geantwortet, obwohl sie die Männer im Boot doch angeblich für Spanier hielten. Als der flachshaarige Friso Eyck wieder das Wort ergriff, benutzte er die gleiche Sprache.

      „Er glaubt, dich zu kennen“, sagte er langsam. „Er meint, daß auf dich alles zutrifft, was man sich über El Lobo del Mar, den Seewolf, erzählt.“

      „Stimmt“, sagte Hasard trocken.

      „Dann bist du …“

      „Philip Hasard Killigrew, Kapitän der ‚Isabella VIII.‘. Es ist keine zwei Stunden her, daß ich mit Jan Joerdans auf England und die Freiheit der Niederlande getrunken habe. Er wartet auf die ‚Anneke Bouts‘. Aber wie ich sehe, wird er vergeblich warten.“

      „Wir sind im Sturm gescheitert“, sagte der Blonde durch die Zähne. „Kapitän Meerens ist tot.“

      „Sie haben das Kommando übernommen?“

      „Ja …“ Friso Eyck biß sich auf die Lippen. „Ich – ich glaube Ihnen. Tut mir leid, daß wir auf euch geschossen haben.“

      „Wir hatten ohnehin nicht erwartet, daß ihr in der Stimmung sein würdet, irgend jemanden mit offenen Armen zu empfangen. Ich lasse ein Boot herüberkommen, das euch aufnimmt.“

      Der blonde Holländer nickte nur.

      Eine Viertelstunde später enterte er mit seinen wenigen Männern die Jakobsleiter an der Steuerbordseite der „Isabella“ hoch. Während der Überfahrt hatten sie verwirrt und verbissen gewirkt, hatten geschwiegen, weil sie wohl noch Zeit brauchten, den Schock der Ereignisse zu überwinden.


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