Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
nur, daß die „Isabella“ mit dem schlanken Rumpf und den überlangen Masten an sich schon ein ungewöhnliches Schiff war. Da schaukelten auch noch zwei siebenjährige Jungs auf den Webleinen des Steuerbordhauptwants, seemännisch gekleidet und mit kleinen Entermessern an den Gürteln. Da hockte neben ihnen ein leibhaftiger Schimpanse und keckerte, als wolle er gegen den ungewohnten Umtrieb protestieren. Und hoch oben aus den Toppen löste sich ein bunter Schatten, entpuppte sich als prächtiger Ara-Papagei und ließ sich auf der breiten Schulter des Profos nieder.
„An die Brassen und Fallen!“ kreischte Sir John. „Hopp-hopp, ihr Rübenschweine! Gebt den Dons Zunder. Hopp-hopp!“
Friso Eyck grinste.
Er konnte nicht anders. Ein Papagei, der auf englisch gegen die Spanier wetterte, das war wohl der schlagendste Beweis dafür, daß sich die Überlebenden der „Anneke Bouts“ hier unter Freunden befanden.
Hasard ließ eine Ration Rum ausgeben und wies den Kutscher an, sich um die Verletzten zu kümmern.
Wenig später saßen sie in der Kapitänskammer zusammen: der Seewolf, Ben Brighton und Big Old Shane, die beiden O’Flynns, Friso Eyck und ein langer, schweigsamer Seeländer mit Namen Johan Barend. Hasard wußte inzwischen genauer, was der Fleute zugestoßen war. In knappen Worten berichtete er von seinem eigenen Zusammentreffen mit Jan Joerdans, der die „Anneke Bouts“ und die „Oranje“ auf der Insel erwartete. Bei der Erwähnung der „Oranje“ verhärtete sich Friso Eycks Gesicht, und seine Zähne knirschten aufeinander.
„Marius van Helder wurde verraten“, sagte er heiser. „Wir hatten zufällig davon erfahren und wollten ihn warnen. Die ‚Oranje‘ muß in der Nähe sein. Und das wußten auch die Spanier, deshalb begnügten sie sich damit, uns auch noch die Pinasse und die letzten heilen Planken in Fetzen zu schießen.“
„Zwei spanische Galeonen? ‚Princesa Anna‘ und ‚Ysobel‘?“
„Inzwischen werden es mehr sein“, sagte Eyck erbittert. „Auf Marius van Helder sind die Spanier fast genauso wütend wie auf El Lobo del Mar.“
„Und die ‚Oranje‘ kommt von Norden?“
„Sie wollte von der Bretagne quer durch den Golf segeln. Aber der Sturm dürfte sie nach Osten verschlagen haben, genau wie uns.“
„Dann werden wir ihr ohnehin begegnen“, stellte Ben Brighton fest. „Und den verdammten Spaniern ebenfalls! Überholen können wir den Verband nicht, aber …“
Er schwieg abrupt.
Auch die anderen hoben ruckartig die Köpfe. Fern, aber deutlich rollte Kanonendonner über die See, und Friso Eyck wurde bleich bis in die Lippen.
„Die ‚Oranje‘!“ flüsterte er. „Van Helder ist verloren!“
6.
Wie Raubvögel stießen die fünf spanischen Galeonen auf ihre Beute zu.
Die „Oranje“ hatte jeden Fetzen Tuch gesetzt, aber ohne Besan konnte sie nicht hoch genug an den Wind gehen, um die tödliche Umklammerung zu sprengen und die Gegner aus der Luvposition zu nehmen. Aus demselben Grund gab es auch keine Chance zum Ausweichen. Die „Oranje“ hätte sich schon platt vor den Wind legen müssen – und der Wind wehte von Westen, so daß die Flucht sehr schnell vor der französischen Küste zu Ende gewesen wäre.
Marius van Helder blieb nur eine Wahl: sich zu stellen und kämpfend unterzugehen.
Er ließ anluven: ein schwerfälliges Manöver, aber es würde ihm später gestatten, blitzschnell nach Süden abzufallen, wo nur zwei Gegner heranrauschten. Die Culverinen und Drehbassen der „Oranje“ waren feuerbereit, die Männer verharrten in grimmiger Spannung. Van Helder stand auf dem Achterkastell, die Hände so hart um die Schmuckbalustrade gelegt, daß die Knöchel hervortraten. Seine Augen hatten die Farbe von grauem Granit, und in seinem versteinerten Gesicht zuckte kein Muskel.
Die „Ysobel“ eröffnete das Gefecht.
Etwas zu früh – die Kugel, die heranjaulte, klatschte wirkungslos ins Wasser. Van Helder wartete. Er hatte nicht viel auszuteilen, aber er wollte seine Haut so teuer wie möglich verkaufen.
„Bugdrehbassen Feuer!“ befahl er Sekunden später.
Die Drehbassen in ihren Gabellafetten wummerten.
Kugeln schlugen in Blinde und Bugspriet der heranrauschenden „Ysobel“. Jetzt war sie fast auf gleicher Höhe mit der „Oranje“ – und blitzartig ließ Marius van Helder abfallen.
Die Breitseite der „Ysobel“ richtete keinen Schaden an. Schwerfällig ging die „Oranje“ wieder an den Wind, aber der Capitan der „Ysobel“ reagierte noch schwerfälliger, weil er die Überraschung nicht so schnell verdauen konnte.
„Steuerbordkanonen Feuer!“ rief Marius van Helder.
Donnernd entluden sich die schweren Geschütze. Zwölf siebzehnpfündige Eisenkugeln zerfetzten die Bordwand der „Ysobel“ in Höhe der Wasserlinie. An Deck herrschte Zustand. Kein Zweifel, daß die Galeone binnen Minuten in die Tiefe fahren würde, aber die „Oranje“ konnte auch das nicht mehr retten.
Die sinkende „Ysobel“ behinderte die beiden in ihrem Kielwasser segelnden Galeonen und gab den Geusen eine Galgenfrist, um die Steuerbordgeschütze wieder zu laden. An Backbord schoben sich die „Princesa Anna“ und die „Maria de Navarra“ heran. Immer noch hämmerten die Bugdrehbassen der „Oranje“, um den Gegnern mit dem gehackten Blei die Takelage zu zerfetzen. Aber die Spanier revanchierten sich, die Blinde der „Oranje“ ging in Fetzen – und jetzt lag die „Maria de Navarra“ genau querab.
„Backbordkanonen Feuer!“
Ein ohrenbetäubender Krach, als sich zwei Breitseiten gleichzeitig entluden.
Der „Maria de Navarra“ wurde das Vorkastell zertrümmert, der Fockmast neigte sich knirschend und krachte mitsamt dem Rigg auf das Schanzkleid. Aber auch die „Oranje“ hatte es erwischt. Sie schüttelte sich, dröhnte und vibrierte in ihren Verbänden – und fast augenblicklich konnte van Helder das unheimliche Gurgeln und Ziehen aus dem Schiffsbauch hören.
„Wassereinbruch mittschiffs!“ schrie eine Stimme.
„Wasser im Vorschiff!“ tönte es gellend von der Back.
„Steuerbordkanonen Feuer!“
Marius van Helders Stimme klirrte wie brechender Stahl.
Es war sinnlos, die Männer noch an die Pumpen zu scheuchen. Die „Oranje“ hatte den Todesstoß erhalten, daran ließ sich nichts mehr ändern. Aber zwischen sie und die rasch absackende „Ysobel“ hatte sich eine der spanischen Galeonen geschoben – und die empfing jetzt noch eine volle Breitseite.
Die Kugeln zerfetzten nur das Rigg, da die „Oranje“ nach Backbord krängte. Van Helder kniff die Augen zusammen. Die „Maria de Navarra“ war aus dem Kurs gelaufen. Jetzt geriet sie bedrohlich nah an den zerschossenen Viermaster heran, und der Capitan fuchtelte wild mit den Armen, weil er ahnte, was dieser rasende Teufel von einem Geusenkapitän als nächstes tun würde.
Da kam es auch schon.
„Abfallen!“ rief Marius van Helder. „Wir gehen längsseits und entern!“
Geschrei brandete auf.
Ein wildes, triumphierendes Geschrei, das sich mit dem Klirren der Waffen und dem Knirschen der umschlagenden Rahen mischte. Die „Oranje“ fiel ab, wie eine Woge stürzten Männer mit Beilen, Entermessern und Handspaken ans Backbordschanzkleid. Sie wußten, daß sie keine Chance hatten. Aber sie würden entern und kämpfen, dort drüben auf der „Maria de Navarra“ die Hölle loslassen und die Spanier noch einmal das Fürchten lehren.
Marius van Helder war der erste, der auf die Kuhl der feindlichen Galeone setzte.
Wie eine Sturzflut folgten ihm die anderen – verzweifelte Männer, die nichts mehr