Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Seewölfe Paket 8 - Roy Palmer


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herüber, und während Friso Eyck über die Klippen turnte, sah er bereits, was die Leute alarmiert hatte.

      Schiffe!

      Spanische Schiffe, wie ihm ein Blick durch das Spektiv zeigte. Von Süden her segelten sie rasch auf. Friso Eyck knirschte in ohnmächtiger Wut mit den Zähnen.

      Er wußte, es blieb keine Zeit mehr, sich zu verstecken und den Spaniern vorzuspielen, daß das Wrack verlassen sei. Sie hatten sie gesehen. Stolz und unangreifbar rauschten sie heran, in Kiellinie gestaffelt, und wenig später wurden rasselnd die Stückpforten geöffnet.

      Friso Eyck fuhr sich mit der Hand über das flachsblonde Haar.

      Einen Augenblick schwankte er vor Erschöpfung, drohten Trauer und Bitternis ihn zu überwältigen. Dann wurde ihm bewußt, daß er jetzt, nach dem Tod des Kapitäns, der ranghöchste Offizier und damit der Kommandant der „Anneke Bouts“ war und die Männer auf seine Entscheidung warteten. Entscheidung! Als ob es noch etwas zu entscheiden gäbe! Sie waren ihren Gegnern hilflos ausgeliefert, sie konnten nur noch versuchen, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.

      „Volle Deckung!“ befahl der Steuermann heiser. „Taucht zwischen den Klippen dahinten unter! Sobald die Dons einen Fuß an Land setzen, bereiten wir ihnen einen heißen Empfang!“

      „Verdammt! Wir hätten eine Kanone in Stellung bringen sollen oder …“

      „Hätten, hätten! In Deckung jetzt!“

      Hastig turnten die Männer über die Felsen. Friso Eyck dachte daran, daß es wirklich gut gewesen wäre, sich auf einen Angriff vorzubereiten. Aber da waren Bewußtlose und Verletzte zu bergen gewesen, Wunden zu verbinden, gebrochene Knochen zu schienen – und vielleicht war Kapitän Meerens einfach nicht mehr in der Lage gewesen, an so viele Dinge gleichzeitig zu denken, vielleicht hatte er sich zu sehr an den Gedanken gekrallt, daß sie Marius van Helder warnen mußten, dessen Kurier in die Hände der Spanier gefallen war und unter der Folter geredet hatte.

      Friso Eyck duckte sich tief in eine Mulde zwischen den Klippen, als die erste Breitseite donnerte und in das Wrack der „Anneke Bouts“ schlug.

      Hilflos mußten die Holländer mit ansehen, wie die Fleute systematisch in Fetzen geschossen wurde. Eyck sah die Trümmer der Pinasse fliegen. Die restlichen Boote waren schon vorher auf den Klippen zerschellt. Von der „Anneke Bouts“ würde nichts übrigbleiben, aus dem man noch einen schwimmfähigen Untersatz bauen konnte, ganz davon abgesehen, daß überhaupt keine Chance bestand, die beiden Galeonen zu überholen.

      Eycks Ohren dröhnten, als der Kanonendonner verstummte.

      Vorsichtig spähte der Steuermann über die Felsen und wartete darauf, daß Rahen ausschwingen und Boote aufs Wasser klatschen würden. Aber die Männer der „Ysobel“ und „Princesa Anna“ zeigten keine Anstalten, an Land zu gehen. Sie schienen keinen Wert auf Gefangene zu legen – und Friso Eyck wußte genau wie die anderen, was das bedeutete.

      „Die Dreckskerle wissen genau, daß wir hier langsam an Hunger und Durst krepieren“, knurrte einer der Fockgasten bitter.

      „Na und?“ murmelte der Bootsmann. „Würdest du lieber in einer spanischen Folterkammer sterben?“

      Schweigen.

      Friso Eyck zog die Schultern hoch, als friere er. Seine blauen Augen brannten, während er den davonziehenden Galeonen nachstarrte.

      „Bei Gott, ja“, sagte er mit einer Stimme, die kaum zu verstehen war. „Selbst die Folter kann nicht schlimmer sein, als hier zu sitzen und zu wissen, daß sich die halbe Armada auf die ‚Oranje‘ stürzen wird und wir nichts dagegen tun können.“

      Der Vorhang aus Perlenschnüren klirrte.

      Drei Männer betraten die Schenke, blieben abwartend stehen und ließen die Augen aufmerksam in die Runde gleiten. Jetzt, am Nachmittag, hielten sich in der „Linterna Roja“ nur zwei schläfrige Betrunkene auf, die den Neuankömmlingen kaum einen Blick widmeten. Lediglich das Mädchen hinter dem niedrigen Schanktisch zuckte zusammen. Miranda Lleones war die siebzehnjährige Tochter des Wirts – und sie würde die Schenke in Zukunft allein führen müssen, wenn sie nicht verhungern wollte.

      Mit einer fahrigen Geste strich sie sich das volle schwarze Haar zurück. Ihre Ohrringe klirrten leise.

      „Buenos dias, Señores“, flüsterte sie. „Vino?“

      „Ja, Wein …“

      Die Gäste traten an den Schanktisch. Alle drei trugen die runden Tellermützen der Basken, einfache Kniehosen und dunkle, staubige Umhänge. Das Mädchen blickte in das hagere, zerfurchte Gesicht des kleinsten der Männer. Er war mager, aber breit in den Schultern, von einer sehnigen Zähigkeit, die seiner nicht gerade hünenhaften Gestalt die Ausstrahlung von Kraft gab und sich als granitene Härte in den schwarzen, tiefliegenden Augen spiegelte. Das Mädchen schluckte, griff nach einem Weinkrug und begann, die Becher zu füllen.

      „Mein Vater“, murmelte sie, fast ohne die Lippen zu bewegen. „Sie haben ihn verhaftet.“

      „Ich weiß, Muchacha“, sagte der kleine Mann ebenso leise. Für einen Moment wurde der Ausdruck seiner Augen fast weich, dann preßten sich die spröden Lippen zusammen. „Sie morden unsere Väter, unsere Brüder, unsere Söhne. Gian wurde gefangen …“

      „Gian?“ Mirandas Kopf ruckte hoch.

      „Still!“ zischte der kleine Mann. Ein Funkeln zuckte in seinen Augen auf und erlosch wieder. „Ja, Gian“, sagte er mit einer Stimme, die vibrierte von der Anstrengung, Schmerz und Wut zu unterdrücken. „Sie haben ihn in die Feste von Portugalete geworfen, schwer verletzt, wie er war. Dort ist auch dein Vater. Dort wird man sie foltern, bis sie tot sind. Oder bis sie Weib und Kind, Vater und Bruder verraten.“

      „Mein Vater nicht“, flüsterte Miranda erregt.

      „Nein, dein Vater nicht. Und mein Bruder nicht. Und Guzo und Dario auch nicht. Aber sollen wir sie sterben lassen?“

      Das Mädchen schluckte.

      „Du hast einen Plan, El Vasco?“ flüsterte sie.

      „Ja. Und ich brauche deine Hilfe, Muchacha mia. Hör zu …“

      Selbst sein Flüstern klang kalt wie Eis, als er erläuterte, was er vorhatte. Miranda wurde bleich. Mit großen, flackernden Augen sah sie von einem zum anderen.

      „Aber – die Geusen sind unsere Freunde“, stieß sie hervor. „El Vasco, du kannst doch nicht wirklich …“

      „Que va! Willst du, daß sie deinem Vater die Daumenschrauben anlegen?“

      „Nein!“ stöhnte Miranda auf. „Nein! Der Herr stehe ihm bei!“

      „Der Herr wird ihn nicht vor den Folterknechten bewahren. Er könnte seinem Schöpfer danken, wenn sie ihn nur auf dem Marktplatz von Bilbao hinrichten würden, aber das werden sie nicht. Willst du ihn retten, Miranda, oder sind dir ein paar verdammte Geusen mehr wert als der eigene Vater?“

      Das Mädchen senkte den Kopf. Tränen standen in ihren schönen schwarzen Augen.

      „Ja“, flüsterte sie. „Ja – ich will ihn retten, El Vasco …“

      4.

      „Hool weg! – Hoool weg …“

      Ferris Tuckers Stimme schallte über das Wasser. Die Rudergasten, die das Beiboot der „Isabella“ zur „Hoek van Holland“ hinüberpullten, zogen die Riemen gleichmäßig und kräftig durchs Wasser. In ihren Gesichtern spiegelten sich deutlich Spannung und Neugier.

      Philip Hasard Killigrew saß im Heck des Bootes.

      Er fand, daß er dem Kapitän der holländischen Galeone Dank schuldete. Erstens stand noch lange nicht fest, was passiert wäre, wenn die Spanier die „Isabella“ tatsächlich in die Zange genommen hätten, zweitens hatten die Holländer nicht wissen können,


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